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Nachricht vom 24.04.2024    

Altenkirchener Wählergruppe Käppele sieht Gesundheitsversorgung in Gefahr

Sie hat sich aufgemacht, über die Kommunalwahlen am 9. Juni in den Altenkirchener Kreistag einzuziehen: Die vor wenigen Wochen gegründete „Wählergruppe Käppele – Mehr Demokratie wagen“ muss logischerweise noch intensiv auf sich aufmerksam machen, um das Ziel zu erreichen.

Sie gestalteten die Info-Veranstaltung der Wählergruppe Käppele (von links): Dr. med. Isabella Jung-Schwandt, Moderator Dr. Gunnar Lindner, Prof. Dr. med. Horst Schuldes und Ralf Käppele. (Foto: vh)

Altenkirchen. Das Vorhaben ist mal nicht gerade so im Handumdrehen zu verwirklichen. Die „Wählergruppe Käppele – Mehr Demokratie wagen“ muss bis zu den Kommunalwahlen am 9. Juni kräftig die Werbetrommel rühren, um nach dem Urnengang im Altenkirchener Kreistag vertreten zu sein. Denn im politischen Wettstreit sieht sie sich den seit Jahrzehnten in dem Gremium vertretenen etablierten Parteien gegenüber. Erst vor wenigen Wochen in Weyerbusch aus der Taufe gehoben, ist der Zusammenschluss um den Namensgeber, den Altenkirchener Rechtsanwalt Ralf Käppele, gefordert, den Bekanntheitsgrad zwischen Willroth und Mudersbach-Niederschelderhütte zu steigern. In einem ersten Schritt auf diesem Weg verfolgten knapp 100 Zuhörer am Dienstagabend (23. April) im Altenkirchener Hotel Glockenspitze die Analyse „Quo vadis Gesundheitsversorgung im Kreis Altenkirchen?“ vor allem vor dem Hintergrund des Abspeckprozesses im DRK-Krankenhaus Altenkirchen. So berichtete Prof. Dr. med. Horst Schuldes, niedergelassener Arzt der Urologie, der gemeinsam mit Jens Otto eine Praxis in unmittelbarer Nähe des Hospitals betreibt und Belegbetten anbot, über nunmehr erforderliche lange Transportwege für erkrankte Menschen. „Wenn die einfachen Dinge hier schon nicht mehr funktionieren, was soll denn mit unseren komplizierten Dingen passieren?“, stellte er lapidar fest und bezog sich auf ein Beispiel, in dem ein Patient extra nach Koblenz und wieder zurück gefahren musste, um lediglich einen Katheder gelegt zu bekommen. Schuldes kritisierte, „dass wir nach 16 Uhr keine OP-Kapazität mehr haben und eine Intensivpflege schon gar nicht mehr“. Deswegen könne er die Laser-Operationen der Prostata (über 500 in zehn Jahren) nicht mehr durchführen, die dem Krankenhaus seit seinem Amtsantritt vor einer Dekade fast ein Alleinstellungsmerkmal beschert hätte. Grundsätzlich ist „die Sicherheit nicht mehr richtig da. Unsere Möglichkeiten, Patienten zu behandeln, sind nicht mehr richtig gegeben. In der Umgebung ist es schwierig, die Patienten unterzubringen“, beschrieb Schuldes. Wie die Zukunft genau aussehe, könne er nicht sagen, er bat dennoch: „Kommen Sie, wir kümmern uns um Sie – auch in unserer Praxis.“ Er erwähnte auch die Schließung der Urologie im Kirchener DRK-Krankenhaus zum 30. September, weil „diese Patienten jetzt alle bei uns anrufen“. Keiner wisse, was ein Krankenhaus mit der Bezeichnung „Level 1i“ bedeute. „Für mich ist das kein Krankenhaus, sondern nur eine ,Tagsüber-Versorgung’, denn nachts müssen die Leute woanders hin“, stufte er ein und gab die weitere Marschrichtung vor: „Wir können nur hartnäckig und zielstrebig sein, das macht uns stark.“

Riesiger Einschnitt in Versorgung
„Es ist dramatisch, es ist ein riesiger Einschnitt in unsere Versorgung“, wertete Dr. med. Isabella Jung-Schwandt, Anästhesistin im DRK-Krankenhaus Altenkirchen und stellvertretende Vorsitzende des lokalen Betriebsrats, die aktuelle Situation, für die sie einen von mehreren Gründen nannte: „Bewusst wurden unsere Zahlen und unsere Kapazität runtergefahren, um lukrativere Standorte zu stützen und das in einem relevanten Maße.“ Nach einigen Befragungen „haben wir erfahren, dass der Ursprungsplan die Schließung des Krankenhauses Altenkirchen vorsah. Dann hat man festgestellt, dass das politisch unmöglich war. Dann hat man Altenkirchen als ,bad bank’ bezeichnet und will versuchen, die Dinge, die sowieso nicht gut bezahlt werden, hier zusammenzuführen.“ Jung-Schwandt definierte das aus ihrer Sicht wichtigste Ziel: „Die Basisversorgung für die Bevölkerung muss bleiben, nämlich, dass wir die Versorgung von Schwerverletzten in irgendeiner Form wieder aufnehmen dürfen, dass wir Überwachungsmöglichkeiten an der Klinik brauchen, weil es eben nicht klar, wer wie krank ist.“ Zudem sei das Recht festgeschrieben, in 30 Minuten eine Basisversorgung zu haben, die es in Altenkirchen nicht mehr gebe. Sie kam auch auf den personellen Aderlass zu sprechen und nannte die Zahl von 79 Mitarbeitern, die aus eigenem Antrieb seit August 2023 gekündigt hätten. Dazu kämen in Hachenburg noch einmal rund 36, das hieße, „wir haben im Verbundkrankenhaus Altenkirchen-Hachenburg über 100 Eigenkündigungen. Wir sprechen von Leuten, die dem Konzern den Rücken gekehrt haben aufgrund der Perspektivlosigkeit, des Rumgeeiere und des nicht Offenlegens der wirklichen Pläne“. Jung-Schwandt wandte sich ebenfalls an die Politik. „Darf Medizin Geld kosten? Wie viel Geld darf Medizin kosten?“, warf sie zwei Fragen auf und wollte wissen: „Was ist uns unsere Versorgung vor Ort wert?“ Sie forderte das Auditorium auf: „Kämpfen Sie mit uns für jeden einzelnen Platz, für jede einzelne Verbesserung unserer Struktur. Bleiben Sie mit uns im Boot. Dann versuchen wir, aus dieser Situation das Beste zu machen!“

Schleichender Prozess seit 2014
Der Prozess der Degradierung des DRK-Krankenhauses Altenkirchen ist nicht nur verbunden mit der Insolvenz der DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz gGmbH im August des vergangenen Jahres, sondern reicht zurück bis ins Jahr 2014, als der Träger ein erste Konzept für eine Ein-Haus-Lösung, erstellt vom Institut für betriebswirtschaftliche und arbeitsorientierte Beratung (BAB) aus Bremen, präsentiert hatte. An diesem Punkt setzte Käppeles Rückblick an, der schon einmal als Vorgriff auf die sich anschließende Entwicklung bis heute fragte: „Wie kommt es, dass eine Geschäftsführung, die in Mainz sitzt, mit Altenkirchen so umgeht? Hassen die uns? Warum immer Altenkirchen? Das ist von der Logik gar nicht nachzuvollziehen. Ein Haus mit der besten Bausubstanz, ein Haus mit vier OPs, mit den neusten OPs, mit einem Bettentrakt, der der neueste ist im ganzen Verbund der Häuser. Das macht doch keinen Sinn.“ Das sei sehr, sehr merkwürdig. Käppele streifte die Rolle von Sabine Bätzing-Lichthenthäler, der ehemaligen Gesundheitsministerin im Land, und kam auf die Neubaupläne sowie für deren (entfernungstechnisch anzuzweifelnde) Standortentscheidung pro Müschenbach (und gegen Hattert und Giesenhausen) zu sprechen. Er beleuchtete die Entscheidung im Kreistag, auf das sogenannte Heimfallrecht (festgeschrieben im Erbbaurechtsvertrag im Jahr 2003, als der Kreis seine beiden Häuser in Altenkirchen und Kirchen dem DRK als neuem Träger übereignete) im Fall eines Neubaus in Müschenbach zu verzichten, wobei der Kreis mit dem falschen Vertragspartner die Vereinbarung in trockene Tücher brachte. Der Kreistag hätte durchaus strategisch denken können: „Wenn ihr mit dem neuen Haus nach Giesenhausen kommt, verzichten wir; wenn nach Müschenbach, verzichten wir nicht.“ Das wäre eine Option gewesen, „die uns heute vielleicht in eine ganz andere Situation gebracht hätte“. Darüber hinaus übte Käppele an Landrat Dr. Peter Enders Kritik, der dem rheinland-pfälzischen Gesundheitsminister Clemens Hoch hätte anzeigen können, dass die Gesundheitsversorgung im Kreis Altenkirchen gefährdet sei und somit Hoch offiziell in Zugzwang hätte bringen können.



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Der Begriff „Krankenhaus“
Käppele zitierte darüber hinaus aus einem Schreiben von Bernd Decker, dem ehemaligem Geschäftsführer der DRK-Trägergesellschaft Süd-West, aus dem Februar des Jahres 2020 an Enders, in dem Decker schon beinahe 1:1 die Zukunft des Hospitals in der Kreisstadt nach einem Neubau in Müschenbach beschrieb (dreieinhalb Jahre vor der Insolvenz!). „Warum wurde die Beraterfirma WMC, die Millionen kassiert, überhaupt beauftragt, ein Konzept zu entwickeln?“, wunderte er sich, zumal das, was Decker dargestellt habe, kein Krankenhaus mehr sei. Das DRK sei bemüht, von einem „Level-1i“-Krankenhaus zu sprechen, um den Begriff „Krankenhaus“ am Leben zu halten, „obwohl das, was drin ist, eigentlich der Definition eines Krankenhauses nicht mehr entspricht“, so dass der Kreistag, wenn Müschenbach nicht gebaut würde, sein Heimfallrecht geltend machen kann. In einem weiteren Fall habe sich der Kreis eine Haftungsfreistellung geben lassen und zwar von „irgendeiner Firma“ (DRK-Trägergesellschaft Süd-West) und nicht vom „Vertragspartner“ (DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz). Käppele nahm die Aussage der DRK-Oberen „Geld spielt keine Rolle“ zum Anlass, den Schritt in die Insolvenz zu hinterfragen. „Wir kennen aus dem Insolvenzplan, der am Dienstag in Mainz durchgewunken wurde, Kosten in Höhe von elf Millionen Euro an Gehältern pro Monat. Für drei Monate hat die Agentur für Arbeit diese Kosten übernommen. Das DRK hat sich also 33 Millionen Euro an Ausgaben erspart. Wie kann sich das DRK in der Insolvenz die teuersten und womöglich auch die besten Anwälte im Insolvenz- und Sanierungsrecht, BRL mit Stefan Denkhaus, leisten, die sich ihre Arbeit gut bezahlen lassen? Das Paket ergänzten Sachwalter Dr. Rainer Eckert und Consilium als Rechts-Kommunikations-GmbH, die alle neben WMC bei weiteren Krankenhaus-Insolvenzen schon am Werk waren“, erläuterte Käppele, so dass ein Zuhörer sich zu dieser Bemerkung veranlasst sah: „Für mich gibt es in Italien die Mafia und die Camorra, in Deutschland das DRK.“

Politische Kräfte am Werk?
Das ganze Dilemma um die fünf Krankenhäuser in Altenkirchen, Hachenburg, Alzey, Neuwied und Kirchen begann mit der Insolvenz der Trägergesellschaft, der DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz gGmbH, im August des vergangenen Jahres. Nach unzähligen Verhandlungen und Gesprächen wurden die neuen Leitplanken eingeschlagen mit dem Resultat, dass die Klinik in Altenkirchen am stärksten von der Neuausrichtung betroffen ist und künftig als Hospital mit der Kennung „Level-1i*“ (mit Sternchen) geführt wird, wobei noch niemand genau zu definieren vermag, was sich exakt hinter dieser Einordnung verbirgt. Schon seit rund zehn Jahren wird versucht, wohl auch angetrieben durch politische Kräfte, das Hospital in Altenkirchen womöglich sogar von der Landkarte verschwinden zu lassen. (vh)


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