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Nachricht vom 12.03.2008    

F. W. Raiffeisens Gedanken sind aktuell

Eigeninitiative und Selbstverantwortung im Sinne Raiffeisens sind keine Notlösungen, sondern auch heute noch die Grundlage für eine funktionierende Gesellschaft. Über den Genossenschaftsgedanken des Sozialreformers und dessen Bedeutung für die Gegenwart referierte in Weyerbusch Raiffeisen-Experte Dr. Walter Koch.

raiffeisenexperte in weyerbusch

Weyerbusch. Es war bis auf den letzten Platz gefüllt, das Raiffeisen-Begegnungsgszentrum (RBZ) in Weyerbusch. Anlass war der 120. Todestag des Namensgebers Friedrich Wilhelm Raiffeisen am 11. März, der hier in Weyerbusch seinen ersten Dienstsitz als Bürgermeister hatte, der Teil des RBZ geworden ist. Doch dieses Datum sollte nicht nur Anlass zum Gedenken sein. Vielmehr wollte die gastgebende Westerwald Bank als Eigentümerin des RBZ beleuchten, wie die Gedanken Raiffeisens auf die Probleme des 21. Jahrhunderts angewandt werden können. Und mit Dr. Walter Koch aus Fürstenfeldbrück war hierzu einer der deutschsprachigen Kenner des Genossenschaftsgründers ins Herz des Raiffeisenlandes gekommen, an dem man, so Bankvorstand Paul-Josef Schmitt, kaum vorbeikomme, wenn man sich mit Raiffeisen beschäftigen wolle.
Wie also passt Raiffeisen in das 21. Jahrhundert? Leider sei Raiffeisen als Persönlichkeit der Wirtschafts- und Sozialgeschichte vielen gar nicht - oder nicht mehr - so präsent, zumindest im eigenen Land. Die traditionelle Idee der Genossenschaft sei jedoch nicht nur modern und innovativ, "sondern eine der wichtigsten Strategien mittelständischer Unternehmen, um im Wettbewerb zu bestehen. Wie keine andere Unternehmens- und Rechtsform steht die Genossenschaft für Selbstbestimmung und Selbstverantwortung", so Schmitt. Eigeninitiative und Selbstverantwortung im Sinne Raiffeisens seien keine Notlösungen, sondern die Grundlage für eine funktionierende Gesellschaft.
Walter Koch knüpfte an die Wahrnehmung Raiffeisens in Deutschland an und erinnerte sich an einen seiner Besuche in Weyerbusch, bei der eine Gruppe japanischer Besucher die Wirkungsstätte Raiffeisens förmlich angebetet hätten. Er unterstrich eines der wichtigen Verdienste von Raiffeisen, zu seiner Zeit sicher ein so genannter Querdenker. Dieser sei damals noch weit weniger als Sozialreformer wahrgenommen worden, vielmehr habe er für Infrastruktur gesorgt und den Straßenbau vorangetrieben, um Verkehrswege in Richtung Köln zu erschließen. Nach seiner Anreise nach Weyerbusch, so Koch, dränge sich die historische Parallele auf: "Da muss auf jeden Fall was getan werden! Der Ausbau der Verkehrsanbindungen ist noch immer das A und O einer Region, um wirtschaftliche Prosperität zu sichern. Denn mit gut ausgebauten Verkehrswegen kommen in der Regel Betriebe und damit auch Arbeitsplätze", so der Historiker in seinem leidenschaftlichen Vortrag.
Raiffeisen, so Koch, der über den "Genossenschaftsgedanken F.W. Raiffeisens als Kooperationsmodell in der modernen Industriegesellschaft" promovierte, habe seine Arbeit aus christlicher Grundüberzeugung gelebt und sei vor allem praktisch an die Probleme der Zeit herangegangen. Während Karl Marx und Friedrich Engels versuchten, die Menschen in ein theoretisches Gesellschaftsschema einzupassen, habe er erkannt, wie die Menschen sich selbst helfen könnten, wenn sie sich organisierten. "Ihre Verwirklichung konnte niemals erreicht werden", so Koch mit Blick auf den Zusammenbruch der sozialistischen Utopien in Osteuropa. Die Utopisten hätten sich zu sehr von den realen Gegebenheiten der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung entfernt.
Raiffeisens Sorge galt zuallererst der Bildung, die die Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg des Einzelnen schaffe und auch heute oft auf der Strecke bleibe. Ausdruck dessen sei beispielsweise der nach seinen eigenen Pläne vollzogene Bau des Schulhauses in Weyerbusch, aber auch später als Bürgermeister in Flammersfeld und Heddesdorf habe er dieses Anliegen stets weiter verfolgt. "Wenn wir nun in das 21. Jahrhundert wechseln, dann haben wir heute das große Problem, dass viele Jugendliche keinen richtigen Schulabschluss haben und daher keinen Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz finden", so Koch. Damals wie heute sei die Gefahr des Abdriftens in kriminelle Milieus enorm. Dass sich die Menschen heute angesichts von Globalisierung, Alters- und Kinderarmut, Arbeitslosigkeit, Immobilienkrise oder Heuscheckendiskussionen, Steuerhinterziehung und Millionenabfindungen für erfolglose Manager nur schwer zurechtfinden und Orientierung suchen, machte auch Koch deutlich. Dabei würde Raiffeisen auch heute den Finger in die eklatantesten Wunden legen, ginge mit dem Verfall der Werte hart ins Gericht. "Raiffeisen hätte die Unmoral von scheinbaren Eliten täglich in Wort und Schrift angeprangert und er hätte alles versucht, Mittel und Wege zu finden, gegen diese Unmoral anzusteuern. Wir reden ja ständig darüber, dass wir wieder Werte brauchen." In einer Genossenschaft seien diese wohl am ehesten im Wirtschaftsleben zu verwirklichen, auch um in der Bevölkerung das Bild des Unternehmers positiver zu besetzen als es bisweilen der Fall sei.
Mit dem Vortrag Kochs startete die Westerwald Bank gleichzeitig eine Themenreihe unter dem Titel "Weyerbuscher Gespräche", die regelmäßig im Begegnungszentrum stattfinden sollen.
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Foto: Dr. Walter Koch, einer der deutschsprachigen Raiffeisenkenner schlechthin, ging der Frage nach, wie Raiffeisens Gedanken in die Gegenwart passen.


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