Werbung

Nachricht vom 27.09.2013    

Esther Bejarano: Mahnerin für Frieden und gegen Faschismus

Totenstille herrschte im Kulturhaus Hamm, als Esther Bejarano ihre schrecklichen Erlebnisse als junges Mädchen aus den Konzentrationslagern Auschwitz und Ravensbrück, mit bewegender und teils stockender Stimme schilderte. Sie gehört zu den letzten Überlebenden des Mädchenorchesters von Auschwitz. Als Künstlerin und Mahnerin für Frieden wurde sie einem Millionenpublikum bekannt.

Esther Bejarano ließ sich zur jüdischen Vergangenheit Hamms und der Entststehung des Kulturhauses von Ortsbürgermeister Bernd Niederhausen informieren. Fotos: phw

Hamm. Nachdem Ortsbürgermeister Bernd Niederhausen Esther Bejarano die jüdische Kulturgedenkstätte im Kulturhaus Hamm, einem ehemaligen jüdischen Haus, gezeigt hatte, begrüßte die Kreisbeigeordnete Erika Hüsch die rund 50 erschienenen Gäste zur Lesung.

Esther Bejarano, 89 Jahre alt, mit der heute noch sichtbaren KZ-Nr. 51948 an ihrem linken Unterarm, las aus ihrem Buch „Wir leben trotzdem“, von ihrer Verfolgung durch die Nazis, von ihrer Zeit als jüdische Zwangsarbeiterin für den Rüstungsbauer Siemens und aus den Konzentrationslagern.

Als 15-jähriges Mädchen wurde sie in Saarbrücken mit mehr als 1000 Mädchen in Viehwaggons eingepfercht und in diesen stickigen Waggons ins Lager Birkenau/ Auschwitz nach Polen deportiert, welches sie am 20. April 1943 erreichten.
Mit Parolen der Nazis, „So, ihr Saujuden, jetzt werden wir euch mal zeigen was
arbeiten heißt“, wurden wir empfangen, so Bejarano.

Viele Kranke, Behinderte und Frauen mit Kindern wurden auf Lastwagen umgeladen und danach nie wieder gesehen. Ab dem Zeitpunkt wurden sie nicht mehr mit Namen angesprochen, sondern nur noch mit der am Unterarm tätowierten Nummer. Morgens wurden sie per Kolonne zur Zwangsarbeit gebracht.
Einem glücklichen Umstand hat sie vermutlich ihr Leben zu verdanken. Eine polnische Musiklehrerin wurde von der Lagerführung beauftragt ein Mädchenorchester zusammen zu stellen. Es wurde unter anderem eine Akkordeonspielerin gesucht.
„Da ich aber Klavier gelernt hatte“, so Bejarano, „und noch nie ein Akkordeon gespielt hatte, meldete ich mich mit großer Angst und gemischten Gefühlen an.“
„Gott sei Dank konnte ich nach mehrmaligem üben das Akkordeon spielen“.
Nach ein paar Wochen Probe mussten sie dann zum ersten Mal vor der SS und den Gefangenen musizieren.
Auch bei Neuankünften von Deportierten mussten sie am Bahnhof, oder besser gesagt an der Verladestation, zum Empfang für die ahnungslosen Menschen spielen. Dies sei für sie die physisch schwerste Belastung gewesen, so Bejarano.

Mit Grauen erinnere sie sich noch heute an die vielen Toten und die vom Hunger ausgemergelten Menschen und auch an die Frauen, die sich selbst umbrachten um den Grausamkeiten der SS zu entgehen.



Nach einer Krankheit wurde sie ins Konzentrationslager Ravensbrück umgesiedelt.
Bei der dafür notwendigen gesundheitlichen Untersuchung kam es zur Begegnung mit dem berüchtigten Lagerarzt Josef Mengele. Die Erinnerung an dessen eiskalte Augen würde ihr heute noch Angst einflößen.
In Ravensbrück musste sie dann für Siemens Zwangsarbeit leisten. Sie wurde für die Montage von Schaltern für Seeboote eingesetzt.
Bei einem der letzten „Todesmärsche“ des Naziregimes kurz vor Kriegsende von Ravensbrück, gelang ihr dann mit sieben Mädchen die Flucht. Esther Bejarano beendete ihre Lesung mit dem Satz: “Es war meine zweite Geburt“.

Nach Kriegsende lebte sie 15 Jahre in Israel, bevor sie im Jahre 1960 nach Deutschland zurückkehrte und seitdem in Hamburg lebt.
Das größte Anliegen Esther Bejaranos ist es, ihre Erlebnisse und Erfahrungen besonders an junge Menschen zu vermitteln, um dem Rechtsextremismus und Nationalsozialismus in keinem Land eine Plattform zu gewähren und das die nachfolgenden Generationen begreifen, dass rassistische Gräueltaten nie wieder vorkommen dürfen.

Mit ihrem Sohn und der deutsch-türkisch-italienischen Rapgruppe Microphone Mafia, veröffentlichte sie 2009 zusammen eine CD. Die Lieder und Texte sind “für eine bessere Zukunft, eine bessere Welt, mit Herz und Verstand“ und sind ein Manifest für den antifaschistischen Kampf, aber auch ein Tondokument wider dem Vergessen.

Die anschließenden Diskussionen gemeinsam mit dem Kölner Kutlu Yurtseven war noch von dem vorher gehörten geprägt. Eine Premiere in Hamm war die Vorstellung ihres neuen Buches „Erinnerungen“, welches erst zur Buchmesse in Frankfurt offiziell vorgestellt wird. (phw)

Buch: Wir leben trotzdem: Esther Bejarano - vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Künstlerin für den Frieden [Gebundene Ausgabe], Auschwitzkomitee der BRD (Herausgeber), Esther Bejarano (Autor), Birgit Gärtner (Autor)

Veranstalter der Lesung waren:
DGB-Kreisverband Altenkirchen
DGB-Jugend Koblenz
IG-Metall Betzdorf
Kreisverwaltung Altenkirchen



Lesen Sie gerne und oft unsere Artikel? Dann helfen Sie uns und unterstützen Sie unsere journalistische Arbeit im Kreis Altenkirchen mit einer einmaligen Spende über PayPal oder einem monatlichen Unterstützer-Abo über unseren Partner Steady. Nur durch Ihre Mithilfe können wir weiterhin eine ausgiebige Berichterstattung garantieren. Vielen Dank! Mehr Infos.



Lokales: Hamm & Umgebung

Jetzt Fan der AK-Kurier.de Lokalausgabe Hamm auf Facebook werden!

Weitere Bilder (für eine größere Ansicht klicken Sie bitte auf eines der Bilder):
     


Anmeldung zum AK-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Kreis Altenkirchen.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus Kultur


Herbert Knebels "Affentheater" rockte den Kultursalon in Altenkirchen

Altenkirchen. Die vier Originale des "Affentheaters" mit Frontmann Herbert Knebel haben sich komplett dem Ruhrpott-Slang ...

Viel Lachen, Lesen und Reden mit Adriana Altaras in Hachenburg

Hachenburg. Mitveranstalter Thomas Pagel von der Hähnelschen Buchhandlung bekannte, dass ihn der Film „Titos Brille“ so angetörnt ...

Kunstmarkt in Hachenburg präsentiert Westerwälder Kunst der Gegenwart

Altenkirchen/Hachenburg. 16 seiner insgesamt 40 Mitglieder aus den Landkreisen Altenkirchen, Neuwied und Westerwaldkreis ...

"Der Geheime Küchenchor" reist am 20. Juni im Kulturwerk Wissen in den Süden

Wissen. Das Publikum darf mit dem Chor und den Musikern auf der Bühne die kulturelle Vielfalt Südeuropas durch die Augen ...

Collegium vocale feiert Choral Evensong zum Orgeltag Westfalen in Siegen

Siegen. Bis heute wird der Choral Evensong täglich in den großen Kathedralen Englands gefeiert und ist geprägt von festlicher ...

Nikola Vertidi liest im Rahmen der Westerwälder Literaturtage in Montabaur

Montabaur. Es ist bereits der sechste Band, um den verschrobenen Kommissar Hyernimos Galavakis. Eigentlich würde der gern ...

Weitere Artikel


Hinter die Kulissen geschaut

Horhausen. Der Heimat- und Verkehrsverein Horhausen blickte jetzt hinter die Kulissen der Birkenhof Brennerei in Nistertal ...

"Siegperlen" schnupperten Berliner Luft

Kirchen/Guben. Auf ihrer alljährlichen achttägigen Entdeckungstour waren jetzt im September die Wanderfreunde „Siegperle" ...

Hüttenschmaus und Fußball

Pracht-Wickhausen. Die Sportgemeinschaft (SG) Niederhausen-Birkenbeul lädt die Bevölkerung recht herzlich zum Westerwälder-Hüttenschmaus ...

Stefan Marth ist Spieler der Saison

Ellingen. Nach Claus Theismann, Ivica Grabavac und Dennis Neitzert ist er nun bereits der vierte Spieler, dessen Namensschild ...

Workshop über die Zukunft als Ingenieur

Steinebach. Was kommt in einem technischen Studium auf mich zu? Welche Aufgaben hat ein/e Maschinenbauingenieur/-in im Beruf? ...

Breitbandausbau im AK-Kreis schreitet voran

Kreis Altenkirchen. „Die Breitbandversorgung im Kreis Altenkirchen ist ein Bestandteil des Demografiekonzeptes des Kreises ...

Werbung