Bürgerinitiative gegen Windkraft im Wildenburger Land gegründet
Auf viel Gegenwind dürfen sich Anhänger von Windkraftanlagen in und um Friesenhagen einstellen. Denn nun hat sich eine Bürgerinitiative gegründet. Lautstarker Applaus, das Auftreten der Redner, aber auch der Umgang mit Befürwortern der Windkraft bewiesen auf der Gründungsveranstaltung, wie ernst es den Gegnern ist.
Friesenhagen. Das Stimmungsbild war mehr als deutlich: Mit den rund 400 Besuchern in der Mehrzweckhalle in Friesenhagen ist Windkraft im Wildenburger Land nicht zu machen. Wortbeiträge aus dem Publikum hatten die Organisatoren der Bürgerinitiative Wildenburger Land für ihre Gründungsveranstaltung eigentlich nicht geplant. Tatsächlich war an dem Abend Frontalunterricht angesagt, der immer wieder von kräftigen Applaus begleitet wurde. Zwischendurch wurde dieses Muster zwar kurz, aber dafür umso heftiger unterbrochen. Das lag an Wilhelm Heyne und Marvin Schnell. Die beiden Vertreter des Bundesverbands Windenergie hatten in der ersten Reihe Platz genommen.
Der gesamten Veranstaltung wohnten die zwei Befürworter aber nicht bei. Nach Interventionen Heynes während eines mehr als Windkraft-kritischen Referats wurden er und Schnell praktisch aus dem Saal gebuht.
Aber von vorn:
Im Wildenburger Land ist die Realisierung von Windkraftanlagen geplant. Im April hatte es bereits eine Informationsveranstaltung des Inverstors, der Altus AG, und des Verpächters der Grundstücke, der Hatzfeldt'schen Forstverwaltung, gegeben. Bereits damals wurde deutlich, dass Windräder im Wildenburger Land auf Ablehnung vieler Bürger stoßen. Und mittlerweile haben sich die Gegner in einer Bürgerinitiative (BI) organisiert, deren Gründungsveranstaltung in der Mehrzweckhalle stattfand.
Über den aktuellen Stand der Windkraftpläne informierte Ortsbürgermeister Norbert Klaes. (Mehr darüber in einer Zusammenfassung unter dem Artikel). Auch wenn die Erklärung von Klaes sehr sachlich war, konnte jeder begreifen: Der Ortsbürgermeister ist ebenfalls kein Fan von Windkraftanlagen in und um seinem Gemeindegebiet. Er unterstrich verschiedene Einschätzungen über die außergewöhnliche Naturlandschaft im Wildenburger Land, die berücksichtigt werden müssten.
Darauf baute Christoph Gehrke auf. Der Initiator der BI machte die Standpunkte der Gegner deutlich: „Die Pläne halten wir für einen Frontalangriff auf den einzigartigen Charakter dieser Gegend.“ Den Befürwortern von Windkraft warf Gehrke vor, die Schäden dieser Energiegewinnung für die Natur zu bagatellisieren. Mit der Behauptung, Windkraft sei gleichzusetzen mit Klimaschutz, betrieben sie „sachliche Verwirrung“ und „massivste Propaganda“.
Für die fachliche und politische Untermauerung sorgten der Ingenieur Detlef Ahlborn und der Aktivist Harry Neumann.
Ahlborn machte anhand verschiedener Diagramme klar, wie wenig effektiv aus seiner Sicht erneubare Energien und Windkraft im Speziellen seien. „Das, was wir uns hier vornehmen, ist wirkungslos“, brachte er seine Sicht auf den Punkt.
Gerade die Windkraftanlagen machten nur einen geringen Teil des sogenannten Primärverbrauchs aus, nämlich 1,2 Prozent. Hier keimte der erste Widerstand der Vertreter des Verbands der Windenergie auf. Heyne unterbrach hörbar den Referenten und sprach von einem weit höheren Wert, später bei einem anderem Beispiel von „veralteten Daten“. Ahlborn ließ sich aber nicht aus dem Konzept bringen und entgegnete lapidar, Heyne könne die Zahl nur von einer „grünen“ Website haben.
In seinem weiteren Vortrag kritisierte Ahlborn dann vor allem die schwankende Energieleistung der Windkraft. Sie biete schlicht keine sichere Leistung. Immerhin müsse Strom im Augenblick des Verbrauchs erzeugt werden. In dem Zusammenhang wies der Ingenieur auch darauf hin, dass die Windkraft den Launen des Wetters unterworfen sei. Diese „Zufälligkeit des Stroms“, und dieser unterliege auch die Solarenergiegewinnung, sei nicht im Ansatz fähig, zum Beispiel ein Bundesland wie Baden-Württemberg zu versorgen. Und auch der Bau von mehr Windkraftanlagen könne diese Schwankungen nicht ausgleichen, im Gegenteil: „Je mehr wir bauen, desto mehr Spitzen wird es geben.“
Insgesamt sei der Umstieg auf erneuerbare Energien wie angedacht nicht möglich ohne entsprechende Speichertechnologien – diese seien aber nicht bezahlbar.
Als es um die „Doppelmoral der Naturschützer“ ging, setzte Heyne wieder an und löste lautstarke Reaktionen im Publikum aus. Erst hieß es, er solle sich vorstellen. Und als der Windenergie-Unterstützer aufstand, um genau das zu tun, wurde ihm entgegen gebrüllt: „Setz dich gefälligst wieder hin!“ Schließlich: „Mach dich gefälligst vom Acker, du Lälles!“ Und genau das setzte Heyne zusammen mit Marvin Schnell dann auch in die Tat um. Um sich die zwischenzeitlich aggressive Stimmung zu erklären, muss man wissen, dass vor der Veranstaltung Flugblätter von den Windkraft-Befürwortern verteilt worden waren, die nicht nur deren Positionen zusammenfassten, sondern auch den Referenten Harry Neumann angriffen. Darin wurden dem ehemaligen Vorsitzenden des Landesverbands des BUND widersprüchliche Aussagen und die Verursachung von Umweltschäden durch „zig Fernreisen“ vorgeworfen.
Neumann selbst gab sich in seinem Vortrag umso kämpferischer und begründete seinen Sinneswandel in Sachen erneuerbare Energien. Er selbst habe sich seinerzeit selbst an die Spitze der Anti-Atomkraftbewegung gestellt und sei für erneuerbare Energien eingetreten. Und an seiner grundsätzlichen Einstellung habe sich auch nichts geändert. Es gehe nicht um das „ob“, sondern um das „wie“. Und Letzteres habe mittlerweile verbrecherische Züge angenommen: "Wofür wir damals auf die Straße gegangen sind, findet nicht statt." Statt einer Energiewende werde eine Subventionswende umgesetzt. Man überbiete sich gegenseitig in Gier. Die „grüne Religion“ opfere die Artenvielfalt auf dem „Altar der Energiewende“. Das waren nur einige der rhetorischen Bilder Neumanns, die ihm heftigen Beifall bescherten.
Er warf den Verantwortlichen insgesamt bei der Realisierung von Windkraftanlagen korruptes Verhalten vor. So würden Gutachten gefälscht oder wirtschaftliche Interessen dem Schutz von Natur, Tieren und Menschen übergeordnet. Das Erneuerbare Energiegesetz sorge außerdem für eine Marktverzerrung.
Dabei steige der Kohlenstoffdioxidausstoß trotz des Ausbaus der Windkraft. Trotzdem halte die Landesregierung an ihrem rücksichtslosen Vorgehen fest. Vor allem die Grünen nahm Neumann hier ins Visier. Appelle richtete er diesbezüglich an die beiden anwesenden Landtagsabgeordneten Thorsten Wehner (SPD) und Michael Wäschenbach (CDU). Von der CDU forderte er klare Äußerungen vor der Wahl. Noch schaue sie „machthungrig“ zu. Mit Wäschenbach habe man auf jeden Fall einen „guten Verbündeten“, lobte Neumann den CDU-Abgeordneten.
Und nach diesem Abend gesellten sich der BI noch über 400 Unterstützer dazu und unterschrieben das entsprechende Formular. Initiator Gehrke gab dies Anlass zur Freude. Der heutige Tag sei erst der Anfang von weiteren Veranstaltungen. So geht es im September um „gesundheitliche Aspekte“ von Windkraftanlagen. Später sollen laut Gehrke auch Alternativen und Lösungswege aufgezeigt werden. Diese fielen an dem Abend tatsächlich eher unter den Tisch.
Einen Vorgeschmack gab Aktivist Neumann im Gespräch mit dem Kurier. Ihm geht es um das große Bild. Der Lebensstil der Deutschen müsse sich insgesamt ändern. Es müsse Schluss sein mit dem energieverschwenderischen Import von Obst und Gemüse. Der Rohstoffverbrauch müsse grundsätzlich sinken. Das heißt konkret: Weniger Spritverschwendung oder weniger stromfressende Geräte wie Smartphones. Diese Forderungen ähneln auch den „Ansätzen einer wirklichen Energiewende“, wie sie auf der Website der Bürgerinitiative Wildenburger Land zu lesen sind. (ddp)
Verfahrensstand Windkraftanlagen im Wildenburger Land laut Bürgermeister Norbert Klaes:
Zurzeit liegt ein Bauantrag für zwei Windkraftanlagen bei Schönbach auf dem Gebiet seiner Gemeinde vor. Insgesamt sind in dem Areal bis zu sechs geplant. Bis zu 12 Anlagen waren daneben im Raum Steeg angedacht. Klaes hat allerdings in einem Telefonat mit einem Vertreter von Altus erfahren, dass vier Anlagen aufgrund von Artenschutz im Bereich Rübengarten nicht mehr realisiert werden sollen. Momentan warte man hier noch auf Bauanträge.
In dem Gebiet Hühnerkamp sind außerdem drei Anlagen als Windpark Knippen geplant. Den Einfluss der Verantwortlichen im Kreis Altenkirchen schätzt Klaes hier aber als begrenzt ein, da dieses Areal im Nachbarland liege.
Was das Verfahren für Friesenhagen betrifft, kommt der Kreisverwaltung Altenkirchen eine Schlüsselrolle als Genehmigungsbehörde zu. Die Verbandsgemeinde Kirchen und die Gemeinde Friesenhagen können später Stellungnahmen in Form eines „gemeindlichen Einvernehmens“ abgeben. Falls die Kommune dies nicht macht, also ihr Einvernehmen verwehrt, kann der Kreisrechtsausschuss das Einvernehmen zum Ausdruck bringen, sofern keine hinreichenden Begründungen vorliegen. Die Kreisverwaltung wird außerdem die Bauanträge (inklusive Gutachten und Berechnungen) auf Lärmbelästigung, Abstände, Artenschutz usw. prüfen.
Die Bearbeitung der Bauanträge kann die Verbandsgemeinde in Form eines Zurückstellungsbeschlusses verzögern. Damit müssten Ergebnisse einer Potentialflächenanalyse abgewartet werden. Dass eine solche Untersuchung für die Bereiche in Friesenhagen vorgenommen wird, hat die Verbandsgemeinde bereits beschlossen. Falls eine Verzögerung (Zurückstellung) beschlossen wird, wovon Klaes in dem Fall ausgeht, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Genehmigungsbehörde, also der Kreis Altenkirchen, dem folgt. Bis die Ergebnisse der Flächenanalyse vorliegen, könnten ein bis zwei Jahre noch vergehen, prognostiziert Klaes.
Außerdem wies Klaes darauf hin, dass der Rat Friesenhagen einen Gestattungsvertrag für einen Windmessmast zwischen Rübengarten und Hohhäuschen zwischenzeitlich abgelehnt hat.
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