Corona im AK-Land: Landrat Enders antwortet unseren Lesern (Teil I)
LESERAUFRUF | Ausgangssperre, Infektionszahlen, Impfungen und Schulen - zu diesen Themen hatten wir Landrat Dr. Peter Enders eine erste Zusammenfassung der Leser-Fragen gesendet. Die Antworten des CDU-Politikers liegen nun vor. In den nächsten Tagen werden auf dem AK-Kurier Antworten zu weiteren Themen folgen.
Ausgangssperre:
Einige Fragen beschäftigten sich grundsätzlich mit der Sinnhaftigkeit der Maßnahme („schwachsinnig“, „unverhältnismäßig“). Besonders der betroffene Zeitraum wird oft infrage gestellt.
Man könne andere doch schon vor 21 Uhr treffen, schreibt beispielsweise ein Leser. Ein anderer unterstreicht, dass es für ihn keinen Unterschied mache, ob er sich mit einer anderen Person für einen geselligen Nachmittag oder eben Abend treffe. Ein „Hans“ aus Eichelhardt findet, dass zwischen 21 und 5 Uhr die wenigsten Kontakte stattfänden – und fragt, wieso vor diesem Hintergrund an der Maßnahme festgehalten werde. Umgekehrt lautet die Frage eines Lesers, der seinen Namen nicht erwähnt sehen möchte, ob es nicht mehr Sinn mache, die Ausgangssperre auch tagsüber zu erteilen.
Mehrere Fragensteller wundern sich über den Anstieg der Inzidenzwerte im Kreis seit Beginn der Ausgangssperre und ziehen diese Beschränkung vor diesem Hintergrund in Zweifel.
Ein Herdorfer Bürger fragt, inwiefern zu beobachten ist, dass die nächtliche Ausgangssperre tatsächlich die Infektionszahlen senkt. Für ihn macht es keinen Unterschied, ob er sich an mit einer anderen Person einen geselligen Nachmittag oder Abend verbringe.
Antworten von Landrat Dr. Peter Enders:
Jede Maßnahme, die ergriffen wird, muss natürlich vor dem Hintergrund der Verhältnismäßigkeit betrachtet werden. Die Ausgangsbeschränkung beziehungsweise Ausgangssperre ist Teil des Maßnahmenkatalogs, den die Landkreise gemäß Corona-Bekämpfungsverordnung für Rheinland-Pfalz ergreifen müssen, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz für mindestens drei Tage über 100 steigt. Zu diesem Katalog gehört beispielsweise auch die Regelung, dass man sich nur innerhalb eines bestimmten Umkreises bewegend darf. Diese Maßnahme wurde für den Kreis Altenkirchen zu keinem Zeitpunkt in Betracht gezogen. In Abstimmung mit der Landesregierung wurde die Ausgangsbeschränkung vor allem aus präventiver Sicht umgesetzt, da es viele Anhaltspunkte dafür gab und gibt, dass etliche Infektionen sich bei privaten, geselligen Anlässen ereignen. Natürlich ist es richtig, dass diese auch vor 21 Uhr stattfinden können, aber eine Regelung, die das private Treffen ab 21 Uhr unterbindet, hat eben schon mal eine gewisse Wirkung.
Impfungen:
Daniel aus Steinebach will wissen, wieso Angehörige von Schwangeren nicht vorzugsweise mit dem Impfstoff von Biontech geimpft würden. Denn dieser zeige im Gegensatz zu AstraZeneca gute Ergebnisse beim Schützen weiterer Personen.
Bruno aus Steinebach fragt: „Warum werden momentan Personen über 70 bei den Hausärztin in der Prioritätsklasse 2 geimpft?“ Erst seit 10. März hätte man sich als über 70-Jähriger auf www.rlp-corona.de in dieser Prioritätenklasse registrieren können – Angehörige von Pflegebedürftigen und Schwangeren aber schon ab 6. März. Wären die zuletzt Genannten dann nicht auch zuerst beim Impfen „dran“, fragt er. Immerhin sei aufgehoben worden, dass nur unter 65-Jährige mit AstraZeneca geimpft werden.
Ein „Cruces“ aus Wissen interessiert sich dafür, warum nicht zuerst die „Arbeitsschicht“ im Kreis Altenkirchen geimpft werde. Die Infektionszahlen würden dann aus seiner Sicht „rapide“ sinken. In eine ähnliche Richtung geht der Beitrag eines anderen Lesers, der fragt, wieso zuerst die Älteren geimpft werden – und „nicht die Menschen, die die Wirtschaft nach vorne bringen.
Landrat Enders:
Für alle drei Fragen bzw. Einlassungen gilt: Der Landkreis und auch das Impfzentrum in Wissen haben keinen Einfluss darauf, welche Personengruppen mit welchem Impfstoff in welcher Reihenfolge geimpft werden. Hier liegt die Impfverordnung des Bundes zugrunde. Die Impfstoffzuteilung erfolgt ebenso wie die Terminvergabe durch das Land. Dass im Kreis aktuell bei Hausärzten geimpft wird, liegt daran, dass das Land uns auf meine Initiative hin wegen der hohen Infektionszahlen ein Sonderkontingent von 3.500 Impfdosen zur Verfügung stellt, das gezielt durch die Hausärzte verimpft wird. Diese sprechen dazu ihren Patientenstamm gemäß Priorisierung an.
Und apropos Ältere: Markus Schmidt aus Betzdorf will wissen, wann die Impfungen für 70- 79-Jährige im Wissener Impfzentrum starten.
Landrat Enders:
Diese Impfungen laufen landesweit bereits. Anmeldungen für diese Altersgruppe hierzu sind seit dem 10. März möglich.
Gerhard Blum aus Mudersbach behauptet, dass das Wissener Impfzentrum gemessen an anderen Impfzentren im Bundesland zurückliege. Vor diesem Hintergrund seine Frage: „Weshalb veranlassen sie nicht, dass alle in Wissen vorrätigen Impfdosen auf die Arztpraxen verteilt werden und dort entsprechend der Priorisierung verimpft werden?“
Landrat Enders:
Die Impfzentren verimpfen genau den Impfstoff, der vom Land zugeteilt wird. Da wir zu Jahresbeginn eine vergleichsweise niedrige Inzidenz hatten, konnten wir erst verspätet mit dem Impfen beginnen, weil die ersten Liefermengen für das Land an Kreise mit höheren Inzidenzen gegangen sind. In der Summe würde die Empfehlung von Herrn Blum aber nichts bringen, denn die Ärzte können nicht mehr Impfstoff verimpfen als dem Impfzentrum durch das Land zur Verfügung gestellt wird. Das ist nach wie vor der limitierende Faktor. 1.500 Impfdosen in der Woche sind 1.500 Impfdosen. In dieser und der kommenden Woche gibt es bekanntlich ein Zusatzkontingent von 3.500 Impfdosen für den Kreis Altenkirchen, das durch die Hausärzte verimpft wird. Nach Ostern können die Ärzte dann hoffentlich regelmäßig und mit steigenden Impfstoffmengen einsteigen, so wie es der so genannte Impfgipfel in der letzten Woche beschlossen hat. Sobald mehr Impfstoff kommt, werden wir den Hausärzten mehr anbieten.
Rainer Geimer aus Steinebach fragt: „Waren die Bewohner des Seniorenheimes in Niedersteinebach gegen Corona geimpft, bevor sie an Corona erkrankten?“
Landrat Enders:
Nach Informationen des Kreisgesundheitsamtes sind die Bewohner geimpft. Die positive Folge: Diejenigen, bei denen eine Infektion nachgewiesen wurde, haben keine oder nur sehr gering ausgeprägte Symptome.
Ein anderer Fragensteller stellt einen Bezug zwischen den Impfungen und den steigenden Infektionszahlen her. Immerhin seien im Landkreis mittlerweile über 2.500 Personen geimpft. Das könne doch nicht nur allein an unvernünftigem Verhalten oder den Mutationen liegen, schreibt er – und fragt: „Wie wirkungsvoll sind die Impfstoffe wirklich, auch den Mutationen gegenüber?“
Landrat Enders:
Die bereits zugelassenen Impfstoffe bieten auch Schutz gegen die Mutanten bzw. Varianten des herkömmlichen Coronavirus, des so genannten Wildtyps. Aber es gibt durchaus Unterschiede in der Wirksamkeit. Soweit es die derzeit in Deutschland weit verbreitete britische Variante angeht, schützen die Impfstoffe gut. Das hat das Robert-Koch-Institut bestätigt. Offenbar weniger gut schützen die Impfstoffe demnach vor der südafrikanischen Variante und vor der brasilianischen Variante.
Umstritten ist durchaus, welcher Impfstoff vor welcher Mutante besser schützt. Hier gibt es unterschiedliche Studienergebnisse. So wirkt zum Beispiel das Vakzin von Astra Zeneca offenbar nicht so gut gegen die südafrikanische Virus-Mutante. Studien der Universitäten Oxford und Johannesburg zum Beispiel sagen aus, dass der Impfstoff hierbei nur einen Schutz von zehn Prozent vor leichten und mittelschweren Krankheitsverläufen bietet. Der Hersteller hat angekündigt, den Impfstoff entsprechend anzupassen.
Schulen:
Viele Leser zeigen großes Unverständnis über die Grundschulöffnungen vor den Osterferien – trotz hoher und steigender Infektionszahlen im Kreisgebiet.
Beispielhaft eine Frage von C. Brenner aus Betzdorf dazu: „Weshalb werden Schulen und Kitas geöffnet bei den Zahlen???“
Jasmin Außem aus Rettersen richtet konkret an den Landrat die Frage, wie er selbst zu den Schulöffnungen vor den Ferien steht.
Mehrere Leser haken beim Thema Maßnahmen zum Gesundheitsschutz in den Schulen nach. Eine Frage lautet beispielsweise: „Warum gibt es (wie andernorts bereits praktiziert) keine regelmäßigen Schnelltests in Schulen, warum keine Luftfilteranlagen?“
Landrat Enders:
Die Entscheidung zur Öffnung der Grundschulen für den Wechselunterricht fiel, wie bereits verschiedentlich erläutert, auf Initiative der Landesregierung beziehungsweise der Schulbehörde. Gleiches gilt für die Rückkehr der Kindertagesstätten in den Normalbetrieb, die bereits zuvor durch das Land in der Corona-Bekämpfungsverordnung geregelt wurde.
Der Unterricht ist wie an allen Grundschulen in Rheinland-Pfalz im Wechselbetrieb organisiert und es gelten strenge Hygieneauflagen, insbesondere die Abstandsregelung und die Maskenpflicht. Bei allen Entscheidungen wird das Land immer von den Expertinnen und Experten der Universitäts-Medizin beraten.
Insbesondere war das Argument pro Öffnung, das man Kindern das soziale Miteinander wieder ermöglichen wolle, auch wenn das nur für wenige Tage der Fall sein würde angesichts der bevorstehenden Ferien. Natürlich hat sich vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens Widerstand geregt. Das ist verständlich. Und viele Eltern haben ja auch offensichtlich Wege – nennen wir es einfach Umwege – gefunden, ihre Kinder nicht zur Schule zu schicken. Aber es gab auch Zustimmung von vielen Eltern, die eine andere Auffassung vertreten oder die einfach froh sind, den häuslichen Druck abbauen zu können in diesen Zeiten. In der Pandemie müssen eben sowohl Gesundheitsschutz als auch Bildungs- und Teilhabeanspruch bei allen Herausforderungen berücksichtigt werden.
Unsere Erfahrung der letzten Zeit ist, dass man bei allen Maßnahmen mindestens dreierlei Ansichten hat: Die einen wollen weniger Beschränkung, die anderen finden die Maßnahmen genau richtig, ein weiter Teil will härtere Maßnahmen. Wer Entscheidungen trifft, muss genau damit leben.
Ich persönlich bin der Meinung, dass wir in der Tat wegkommen müssen vom starren Blick auf die Sieben-Tage-Inzidenz. Wir denken und handeln seit Monaten in Warteschleifen statt in Lösungen. Deshalb sitzen wir dem Land im Nacken, damit nach den Osterferien – die Ministerpräsidentin hat es ja angekündigt – ausreichend Testmaterial für Schulen und Kindertagessstätten zur Verfügung steht und dieses auch angewendet werden kann. Denn besonders jüngere Schülerinnen und Schüler benötigen bei solchen Tests zweifellos Hilfe. Hierzu sollen in den nächsten Tagen verbindliche Informationen vom Land kommen.
Thema Luftfilteranlagen: Wie so oft, spielt das Land hier eine wesentliche Rolle, nämlich bei der Förderung dieser Geräte. Gefördert wird nur für solche Räume, die für den regelmäßigen Unterrichtsbetrieb benötigt werden und keine einfachere und wirtschaftlichere Möglichkeit besteht, die Aerosolkonzentration auf das notwendigste Maß abzusenken. Im Klartext: Wo ordentlich gelüftet werden kann, wird kein Luftfilter gefördert. Und eben die regelmäßige Lüftung wird von Experten als wichtiger angesehen als eine Luftfilteranlage.
Die Fragen stellte Daniel Pirker zusammen.
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