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Nachricht vom 01.04.2021    

Pleite der Greensill-Bank: Kreis-Abfallwirtschaftsbetrieb will Geld zurück

Die Reihe der Kommunen, die von der Insolvenz der Bremer Greensill Bank AG betroffen sind, formiert sich, um zu retten was zu retten ist: Rund 500 Millionen Euro an Einlagen stehen auf dem Spiel. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die öffentliche Hand jemals etwas von dem, den Hansestädtern übereigneten Geld wiedersehen wird.

Die Greensill-Bank hat mit ihrer Pleite einige Kommunen in Bedrängnis gebracht. Darunter auch den Kreis Altenkirchen. (Foto: ndr)

Kreis Altenkirchen. Die Pleite der Bremer Greensill Bank AK mit einer Bilanzsumme von 4,5 Milliarden Euro zum Jahresende 2020 (zum Vergleich: Westerwald Bank 3,42 Milliarden Euro) trifft Anleger ungleichmäßig hart: Während Privatiers dank verschiedener Sicherungssysteme durchaus komplett entschädigt werden (könnten), müssen sich Kommunen, die dem Institut Geld in Höhe von rund 500 Millionen Euro ebenfalls anvertrauten, mit dem Fakt anfreunden, dass es – im schlimmsten Fall –, weil keine schützenden Mechanismen greifen, auf Nimmerwiedersehen verschwunden ist.

So weit gehen die Gedanken beim Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) des Kreises Altenkirchen, der zwei Tranchen mit insgesamt 3,6 Millionen Euro Greensill mit der Hoffnung auf einen kleinen Zinsertrag übertrug, noch nicht. „Wir sind Opfer und nicht Täter“, stellte Kreisbeigeordneter Gerd Dittmann, in dessen Geschäftsbereich die Belange des AWB fallen, im Beisein von AWB-Werkleiter Werner Schumacher und dessen Stellvertreter Sebastian Blumberg bei einer Zusammenkunft am Donnerstagvormittag (1. April) fest. „Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und sehen keine Anzeichen für Verstöße gegen kommunal- und dienstrechtliche Vorschriften.“

Zweimal wurde Termingeld angelegt

Der AWB hatte sich als Anlageform jeweils für Termingeld (einmal 2 Millionen Euro und einmal 1,6 Millionen Euro) mit einem Zinssatz von jeweils 0,5 Prozent und mit einer Laufzeit von jeweils zwei Jahren entschieden. Der Deal war über einen Finanzmakler abgewickelt worden, mit dem seit rund 20 Jahren geschäftliche Kontakte gepflegt werden. „Alles verlief störungs- und fehlerfrei. Die letzte Zinszahlung erfolgte termingerecht am 20. Dezember 2020“, ergänzte Dittmann. Das Geld hätte im Dezember 2021 und im September 2022 wieder zur Verfügung gestanden. Den Namen des Vermittlers als auch den der Rating-Agentur, die das Risiko einer Anlage bei Greensill mit A- definiert hatte, wollte Dittmann wegen der alsbaldigen Durchleuchtung zahlreicher Aspekte rund um die Pleite nicht nennen. Die Einstufung nannte er „im normalen Marktumfeld unbedenklich“. Die 3,6 Millionen Euro gehörten der AWB-Rücklage an.

Sporadische Geschäfte seit 2015

Mit Greensill befand sich der AWB seit dem Jahr 2015 in sporadischen Geschäftsbeziehungen. Vor sechs Jahren war zum ersten Mal Termingeld dem Bankhaus überlassen worden. Darüber hinaus hat der Eigenbetrieb des Kreises aktuell weiteres bei anderen Instituten „geparkt“. Das alles habe nichts mit Zocken zu tun, „wir haben den deutschen Raum nie verlassen, da hört man immer mehr“, stellte Dittmann klar, „wenn wir Geld anlegen, müssen Zinslauf und Fälligkeit immer zu unseren Vorhaben passen.“ Die in Rede stehenden 3,6 Millionen Euro sind/waren für die Nachbehandlung der Deponie in Nauroth mit dem Schwerpunkt Oberflächenabdichtung angesetzt und haben keine Bedeutung für das operative Geschäft. Zum Prozedere: Wenn der AWB, der als rechtlich unselbstständig gilt, Geld anlegen will, lässt er sich von dem Finanzmakler eine Liste mit Investitionsmöglichkeiten erstellen, anhand derer die Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Anlage fällt. Er zahlt dafür keine Provision.



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An vielen Stellen Hebel ansetzen

In den nächsten Monaten möchte der AWB an möglichst vielen Stellen die Hebel ansetzen, um Licht ins Dunkel zu bringen. Auf diesem Weg steht ihm die Koblenzer Kanzlei Rechtsanwälte Dr. Caspers, Mock und Partner beiseite. Viel Hoffnung setzt Dittmann zudem in den bestellten Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt Dr. Michael Frege, der sich schon mit zahlreichen und Schlagzeilen produzierenden Insolvenzen beschäftigt hat. Dass sich die Angelegenheit von heute auf morgen klären lässt, erwartet er nicht: „Fünf bis zehn Jahre sind für ein Insolvenzverfahren denkbar.“

Einen ersten Fingerzeig könne es bei der Gläubigerversammlung am 8. Juni geben. Parallel möchte Dittmann möglichst viele Aspekte der Pleite auf den Prüfstand gestellt wissen. Sie beginnen bei der Frage, ob ein Bilanzbetrug vorliegen könnte, erstrecken sich über die Rolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), sollen darlegen, ob ein Klumpenrisiko (kumulative Häufung von Ausfallrisiken in einem Kreditportfolio) existiert haben könnte und untersuchen, inwieweit Vorstand und Aufsichtsrat der Bank Fehlverhalten nachgewiesen werden kann, also den Personen, die als Organe gehandelt haben und haftbar gemacht werden können. Kurzum: „Alle Akteure, die mit im Boot waren, müssen geprüft werden. Es existieren so viele Facetten“, erläuterte Dittmann. Schließlich sei zu checken, ob gegebenenfalls Schadenersatzansprüche geltend zu machen sind. Dittmann weiß: „Nicht alle rechtlichen Fragen können hier im Haus geklärt werden.“ Somit kommen Klagegemeinschaften ins Spiel, angesagt ist zudem ein „enger Austausch mit anderen Kommunen“, die ebenfalls Kunden von der Greensill Bank waren, die in den zurückliegenden Jahren Fachleuten durch einen enormen Anstieg der Bilanzsumme aufgefallen war: von 666 Millionen Euro im Jahr 2018 auf eben diese 4,5 Milliarden Euro Ende 2020 bei 80 Mitarbeitern. Hätte ein leichtes Rumoren über die finanzielle Lage der Bank, das schon im Jahr 2019 zu hören gewesen sein soll, sich bis ins Kreishaus ausgebreitet, hätte noch rechtzeitig die Notbremse gezogen werden können: Ausstieg mit dem einen Anteil und keine weitere Neuanlage.

Keine „gebührenrechtlichen“ Folgen

Logisch, dass Dittmann den Verlust möglichst gering halten möchte, er sagte aber klipp und klar: „Ein Schaden ist wahrscheinlich eingetreten.“ Es gehe um „unser Geld, um das Geld unserer Bürger“. Trotz der Ungewissheit über den Verbleib der 3,6 Millionen Euro werde der Schlamassel definitiv „keine gebührenrechtlichen Folgen für 2022 nach sich ziehen“, stellte er unumstößlich fest. Die Arbeitsplätze beim AWB sind nicht Gefahr. „Das ist den 23 Mitarbeitern bereits dargelegt worden“, ergänzte Schumacher. Der ungewisse Ausgang indes könnte den Kreis in eine weitere Ausgleichsverpflichtung bringen. Wie die Musikschule, die ebenfalls ein Eigenbetrieb ist und deren Haushalt von übergeordneter Stelle pari gestellt werden muss, könnte sich dieses Szenario auch für den AWB ergeben. Aber das ist derzeit noch allerfernste Zukunftsmusik. (vh)



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