Jugendhilfeausschuss: Neues Gesetz krempelt viele Aspekte in Kitas um
Die Tage sind gezählt, sein Ende ist nah: Das rheinland-pfälzische Kindertagesstättengesetz hat wahrlich Staub angesetzt. So gut wie in der Mitte des Jahres hat es nach 30-jähriger Gültigkeit ausgedient, ein neues tritt am 1. Juli in Kraft. Die Vorarbeit hat auch im Kreis Altenkirchen eine Menge Tatkraft verlangt.
Kreis Altenkirchen. Von Hause und damit kraft Gesetzes hält der Kreis Altenkirchen seine Hände über die Bedarfsplanung für die Kindertagesstätten in seinem Beritt, während die kommunalen oder freien Träger für die Infrastruktur verantwortlich sind. Das Inkrafttreten des neues Kindertagesstättengesetzes zum 1. Juli (beschlossen im September 2019) ändert nichts an der bisher praktizierten Teilung der grundlegenden Dinge. Vielmehr wird der Inhalt in weiten Teilen auf andere Füße gestellt, so dass im Vorfeld im Kreishaus viel Zeit und Arbeit erforderlich waren, die Voraussetzungen für einen reibungslosen Übergang zu schaffen, wie der Jugendhilfeausschuss des Kreistages in seiner Online-Sitzung am späten Dienstagnachmittag (13. April) erfuhr.
Die wichtigsten Änderungen
Die wichtigsten Änderungen: Das bisher praktizierte Gruppensystem mit im Umfang unterschiedlich festgelegtem Personalschlüssel hat ausgedient. An die Stelle tritt eine platzbezogene Variante, in die künftig die bislang als Zusatzkräfte bezeichneten Bediensteten integriert sind. Es erfolgt nur noch eine Unterscheidung der Kinder in "Alterskohorten" von über zwei Jahren (bis zum Schuleintritt) und von unter zwei Jahren. Jedem Kind wird eine mindestens siebenstündige Betreuung (am Stück!) mit Mittagessen angeboten. Als Maximum der Betreuung gilt die grundsätzliche Öffnungszeit einer Kita (bis zu zehn Stunden/Montag bis Freitag). Freistellungen für die Leitungen werden im neuen Gesetz erstmals geregelt. "Wir sehen eine Vereinheitlichung im gesamten Land", sagte Klaus Schneider als Kreisbeigeordneter, in dessen Geschäftsbereich die Abteilung 5 "Jugend und Familie" fällt, "der Bürokratismus wird abgebaut. Die bislang unfassbare Anzahl an möglichen Anträgen reduziert sich deutlich. Alles wird komplett vereinheitlicht." Vor Ort müssten dennoch die Arbeitsverträge angepasst werden. Nach aktuellem Stand sieht Schneider als Folge der Umkrempelung so gut wie keine Reduzierung der Kopfzahl der Erzieher*innen, weil das AK-Land schon immer gut mit Woman(man)-power versorgt gewesen sei. Und die pädagogische Arbeit orientiere sich, "wie bereits heute auch schon", an der Maßgabe, die Kita-Leitung und Träger definierten und die die Betriebserlaubnis gestatte.
Bedarfsplanung für 2021/2022 genehmigt
Die Bedarfsplanung für das Kindergartenjahr 2021/2022, die das Gremium einstimmig verabschiedete und in der dem Wesen nach immer (viel) Bewegung ist, sieht laut Referatsleiter Stephan Wagener insgesamt 5174 Plätze (über 2 Jahre: 5020; unter 2 Jahre: 133; Hort: 21; ganztags: 2704; Teilzeit: 2449) in insgesamt 79 Einrichtungen (47 kommunale, 19 katholische, 9 evangelische, 4 sonstige) vor. Die Bedarfe weisen rechnerisch Unterdeckungen auf (über 2 Jahre 229; unter 2 Jahre 83). Gelebte Praxis bleibt wie bisher, die Personalkosten auf verschiedenen Schultern zu verteilen. Bislang hat lediglich das Land seinen Anteil festgelegt. Es steuert bei freier Trägerschaft 47,2, bei kommunaler 44,7 Prozent bei. Die Aufteilung des Restes (Kreis/Träger) müssen noch die kommunalen Spitzenverbände (Deutscher Städte- und Gemeindebund etc.) mit den Landeskirchen und den freien Wohlfahrtsverbänden aushandeln. "Sehr enttäuschend" bewertete Schneider den aktuellen Stand der Dinge, da bislang kaum Bewegung in die Gespräche gekommen sei. "Uns sind die Hände gebunden", meinte er und blickte voraus: Es sei gut möglich, dass im Juli ob fehlender Einigung zunächst mit Abschlagszahlungen begonnen werden müsste. Je nachdem, wie eine Einigung nach dieser Hängepartie aussehe, habe diese auch Auswirkungen auf den Kreishaushalt, so dass sich sogar der Kreistag womöglich noch mit diesem Thema befassen müsse. Für 2018 gab Schneider diese Personalkostenaufteilung an: Träger 9,86 Prozent, Land 41,37, Eltern (für die unter Zweijährigen/ab dem zweiten Lebensjahr Gebührenfreiheit) 0,36, Sitzgemeinde 3,99 und Kreis 44,4.
Jede Kita braucht neue Betriebserlaubnis
Das Okay zu der auf 151 Seiten dargelegten Analyse hat zur Folge, dass die Träger der Kitas nunmehr jeweils eine neue Betriebserlaubnis beim Landesjugend (Heimaufsicht) für jede einzelne Einrichtung beantragen können und auch müssen. Deswegen wurden alle "abgeklappert": zunächst von einer Delegation (Vertreter der Heimaufsicht, des Trägers, der Kreisverwaltung und Kita-Leitung) und, als die Corona-Pandemie Besuche dieser Art nicht mehr zuließ, per Online-Stippvisite. Einhergehen mit den neuen Genehmigungen werden unter Umständen Forderungen nach baulichen Änderungen (größere Küche oder Essbereich, Umgestaltung der Ruheräume, etc). Das muss jedoch nicht im Handumdrehen erfolgen, weil der Gesetzgeber eine Frist bis zum 1. Januar 2028 für die Verwirklichung setzt, ehe er im Anschluss eine Evaluation (Bewertung) der veränderten Verhältnisse vornehmen wird.
Novum: Sozialraumorientierte Arbeit
Große Hoffnungen setzte die Zusammenkunft in die sozialraumorientierte Arbeit, die sie ohne Widerspruch akzeptierte und die am 1. Juli das Licht der Welt erblickt. Aus dem Budget von rund 2,3 Millionen Euro (Land 1,382 Millionen Euro/Kreis 922.000 Euro) sollen 1,452 Millionen Euro in die Netzwerk- und 414.779 Euro in die Kitasozialarbeit (analog Schulsozialarbeit) fließen, während 460.000 Euro für "betriebserlaubnisrelevantes Zusatzpersonal" (Beispiel: erhöhter Aufsichtsbedarf an Treppen in mehrgeschossigen Kitas) ausgegeben werden sollen. Für die Kitasozialarbeit werden 5,8 Stellen geschaffen, die an Kitas in Altenkirchen, Betzdorf, Kirchen, Wissen und Hamm angedockt werden, also in "belasteten" Sozialräumen. Sozialarbeiter oder -pädagogen sollen die Positionen besetzen und Familien auf die unterschiedlichste Art und Weise unterstützen, während Netzwerkerinnen für eine deutlich engere Verzahnung von Eltern, Familien und Kitateam (auch in den die Kita umgebenden Sozialraum) sorgen sollen. Für diese Aufgaben sind pädagogische Fachkräfte vorgesehen. Das von Sachbearbeiterin Franziska Sauer vorgetragene Konzept, das schon überregional großes Lob eingeheimst hatte, nannte Schneider einen "wichtigen Baustein, um qualitativ gute Arbeit zu leisten". Das Aufgabenfeld einer Kitasozialarbeitern verdeutlichte ergänzend Sabrina Sakowsky, die in Hamm dank des Programms "Kita plus" aktuell mit 19,5 Wochenstunden tätig ist.
Warum überhaupt ein neues Kita-Gesetz?
"Einer der wesentlichen Gründe ist der sehr unterschiedliche Personalschlüssel der einzelnen Kitas in Rheinland-Pfalz", heißt es auf der Homepage des Landesministeriums für Bildung. Zwar habe das Land insgesamt betrachtet im Durchschnitt bereits einen guten Personalschlüssel, jedoch sei die Kita-Landschaft sehr heterogen, "das heißt, es bestehen große Unterschiede in der Personalausstattung zwischen den Kommunen". Das neue Gesetz solle die bereits guten Standards sichern, sie verbessern und sie gleichmäßig etablieren, damit es landesweit eine transparente und vergleichbare Personalbemessung sowie eine Personalausstattung auf einem einheitlichen Niveau gebe. Darüber hinaus hätten sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen seit 1991, als das derzeit gültige Kita-Gesetz für Rheinland-Pfalz erlassen wurde, wesentlich verändert. Mit dem Gesetz ist das Land damals schon vorweggegangen. So sei Rheinland-Pfalz das erste westdeutsche Bundesland gewesen, das den Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung für Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr verankert habe. Heute gebe es einen Rechtsanspruch für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr – das zeige, wie sich Gesellschaft und in der Folge die Anforderungen an die Kindertagesbetreuung wandelten. Fazit: "So wie die Kinder in den Kitas heran- und irgendwann daraus herauswachsen, ist auch die Kita-Landschaft aus dem aktuellen Gesetz ,herausgewachsen'. Das Gesetz stellt sie auf ein neues, festes und modernes Fundament." (vh)
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