Stadtbürgermeister von Wissen fordert Corona-Staatshilfen von Bund und Land ein
Die Kommunen sollten nicht bei den staatlichen Hilfen auf der Strecke bleiben, findet Wissens Bürgermeister. Er fordert nun die Bundes- und Landesregierung auf, für eine angemessene kommunale Finanzausstattung zu sorgen und somit eine verlässliche Haushaltsplanung zu ermöglichen. Der Stadtrat soll seiner Resolution in seiner nächsten Sitzung zustimmen.
Resolution des Stadtbürgermeisters zum Stadthaushalt 2021 zu Tagesordnungspunkt 2 der Stadtratssitzung am 21. April im Wortlaut:
„Corona-Finanzhilfen des Bundes und des Landes Rheinland-Pfalz zur Entlastung der Stadt Wissen
Wie bereits in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 24.03.2021 angekündigt, hat der Bürgermeister einen Resolutionsentwurf erarbeitet, um Staatshilfen von Bund und Land zum Ausgleich des Stadthaushaltes zu erhalten. Wir legen diesen erst heute vor, da wir noch aufgrund der Berichterstattung in der Presse (vgl. Rhein-Zeitung vom 08.04.2021) darauf gehofft hatten, dass Bund und Land noch Förderprogramme für die Kommunen auflegen. Dies ist bis 20.04.2021 jedoch nicht geschehen.
Sachverhalt:
Zum Schutz der Bevölkerung vor einer Ausbreitung der Lungenkrankheit COVID-19 (Corona-Virus) hat das Land Rheinland-Pfalz in Abstimmung mit dem Bund mehrere Landesverordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus erlassen. Mit diesen Verordnungen wurde und wird das öffentliche Leben weitgehend eingeschränkt (Lockdown). Von diesen Maßnahmen sind auch die Unternehmen der freien und öffentlichen Wirtschaft in Form von massiven Umsatz- und Gewinneinbußen betroffen. Dies hat auch unmittelbare Folgen für den Haushalt der Stadt Wissen. Das Minus beträgt rd. 2,5 Mio. Euro (2021) gegenüber dem Vorjahr (rd. 155.000 Euro). Unmittelbar sind zunächst die Einnahmen der Stadt Wissen aus der Gewerbesteuer stark rückläufig. Gleiches gilt auch aufgrund des Anstiegs der Kurzarbeitsverhältnisse für den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer. Insgesamt ist die Perspektive für den Haushalt der Stadt Wissen für das Jahr 2021 und die Folgejahre als „düster“ einzustufen. Summiert man beide Steuerarten beträgt der Rückgang rd. 3,0 Mio. Euro. Die Corona-Krise, dies lässt sich heute bereits feststellen, stellt eine Zäsur dar, die zur stärksten Rezession der bundesdeutschen Geschichte werden könnte. Jedenfalls trifft sie Kommunen wie die Stadt Wissen heute schon unmittelbar und führt zu massiven Einnahmeausfällen, die ohne Staatshilfen nicht ausgeglichen werden können. Die Politik in Bund und Ländern hat schnell und in bis dato ungekannten Größenordnungen reagiert, um Unternehmen und Beschäftigte zu stützen. Die Kommunen haben lediglich 2020 Kompensationszahlungen bei der Gewerbesteuer erhalten. Für die Jahre 2021 und 2022 sind bisher keine Finanzhilfen vorgesehen.
Die Bewältigung der Pandemie fordert die Stadt Wissen in außergewöhnlichem Maße. Sie trägt die örtliche Infrastruktur und finanziert wichtige Einrichtungen wie Schwimmbad und kulturWERK. Die nächsten beiden Jahre sind Kommunen wie die Stadt Wissen auf staatliche Finanzhilfen angewiesen, um die Daseinsvorsorge aufrecht zu erhalten. Die Kommunen sind erster Ansprechpartner der Bürgerinnen und Bürger und besonders in der wirtschaftlichen Krisenzeit müssen die Kommunen verlässliche Dienstleister und Partner für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die mittelständische Wirtschaft sein. Die Gemeinden tragen eine Fülle von Aufgaben bei der Bekämpfung der Pandemie und ihrer wirtschaftlich-sozialen Folgen. Gesundheitsschutz, Durchsetzung der Kontaktsperren, Unterstützung der lokalen Wirtschaft oder Sicherung der Daseinsvorsorge sind nur einige der unmittelbaren Aufgaben. Diese krisenbedingten Aufgaben verursachen zwangsläufig nicht geplante Ausgaben. Hinzu kommen dann noch die Ausfälle bei den Steuereinnahmen. Letztlich drückt die Stadt Wissen die Altschulden und die Zinslasten. Die Corona-Pandemie trifft den Haushalt der Stadt Wissen daher aus verschiedenen Richtungen hart und dies bereits kurzfristig. Uns Gemeinden fehlt die „Luft zum Atmen“. Daher ist die Stadt Wissen auf laufende, zweckfreie Finanzhilfen des Bundes und des Landes Rheinland-Pfalz angewiesen, um ihre Aufgaben wahrzunehmen.
Forderung:
1. Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz und die Bundesregierung werden aufgefordert, die Steuermindereinnahmen der Städte, die ohnehin viele Aufgaben zu tragen haben, für die Dauer von zwei Jahren auszugleichen.
2. Es muss sofort ein Schutzschirm für die Kommunalfinanzen in Rheinland-Pfalz aufgebaut werden.
3. Auf Bundes- und Landesebene ist ein dauerhaftes Konzept zu beschließen, das die Finanzierung der Aufgaben der Kommunen ohne immer neue Schulden sichert. Dazu gehört auch eine starke Gewerbesteuer und ein Konzept zur Überschuldung besonders hoch verschuldeter Kommunen wie der Stadt Wissen.
Wir fordern deshalb die Bundes- und Landesregierung auf, für eine angemessene kommunale Finanzausstattung (u.a. einen Ausgleich für die Ausfälle der Gewerbesteuer) zu sorgen und somit eine verlässliche Haushaltsplanung zu ermöglichen. Dazu zählt auch eine Entschuldungsregelung des Landes für besonders hoch verschuldete Kommunen wie die Stadt Wissen.
Begründung:
I. Lage
Die Stadt Wissen (8.400 Einwohner), Kreis Altenkirchen, liegt im Norden von Rheinland-Pfalz. Das laufende Defizit beträgt rd. 2,4 Mio. Euro. Die Verschuldung liegt bei rd. 19,0 Mio. Euro (31.12.). Sie ist Mittelzentrum, Schulstandort mit sechs auch weiterführenden Schulen, einem Frei- und Hallenbad (Siegtalbad) und dem kulturWERKwissen, eine alte Halle im Stil der Industriekultur (ehemaliges Walzwerk). Wissen ist ein alter Montanstandort mit einem über dem Landesdurchschnitt liegenden Migrationsanteil und unterdurchschnittlichem verfügbarem Einkommen.
II. Ziel
Das Ziel des kommunalen Schutzschirms muss es sein, alle kommunalen Gebietskörperschaften handlungsfähig zu halten. Wir können unsere eigenen Aufgaben kaum noch erfüllen. Während Bund und Länder die grundgesetzlich verankerte Ausnahmeregelung der Schuldenbremse nutzen können, um Ausgaben kreditfinanziert zu tätigen bzw. Einnahmeausfälle zu kompensieren, sind die Kommunen haushaltsrechtlich deutlich stärker beschränkt. Die Möglichkeit einer unbegrenzten Kreditfinanzierung in Notfällen ist den Gemeinden nicht gewährt. Um die Einnahmeausfälle zu kompensieren, müssten wir als Kommune die Steuern erhöhen und/oder Ausgaben kürzen. Steuererhöhungen sind derzeit kontraproduktiv. Von den Forderungen nach höheren Realsteuer- und Umlagesätzen müsste die Kommunalaufsicht, aber auch der Rechnungshof, nicht nur wie in den Jahren 2020 und 2021 absehen, sondern auch in den Folgejahren, bis die wirtschaftlichen Schäden der Pandemie überwunden seien. Wie beispielsweise der Rechnungshof nach einer Erhöhung der Grundsteuer B zu rufen, obwohl viele Eigentümerinnen und Eigentümer sich in Kurzarbeit wiederfinden, nimmt die Menschen gegen den Staat ein und stellt die Frage nach Realitätsverlust. Gefragt ist vielmehr Solidarität auf allen Ebenen. Der kommunale Handlungsspielraum ist aber auch für die Zukunft sicherzustellen, wozu das Aufspannen eines kommunalen Schutzschirms absolut notwendig ist. Daher sind zusätzliche finanzielle Mittel zwingend und dringend erforderlich. Diese Mittel müssen den Kommunen zeitnah zur Verfügung gestellt werden. Es versteht sich von selbst und ergibt sich aus dem kommunalen Haushaltsrecht, dass bei künftig zu erwartenden, flächendeckend defizitären Haushalten die kommunalen Gebietskörperschaften ohnehin überprüfen werden, auf welchem Weg Einsparungen umgesetzt werden können.
Gleichwohl besitzen die Kommunen auch in Zukunft die Aufgabe, für ihre Bürgerinnen und Bürger, aber auch mit Blick auf die mittelständische Wirtschaft, in die öffentliche Infrastruktur zu investieren. Die Kürzung von Investitionen ist problematisch, da diese bleibende Schäden an der Infrastruktur (z. B. Straßenbau, Kanalsystem usw.) verursacht, die Zukunftsfähigkeit belastet und das Investitionsniveau der Kommunen häufig ohnehin zu gering ist. Gerade in dieser wirtschaftlichen Krisenzeit sind die Kommunen mit ihren Ausgaben (z. B. im Bau- und Planungsbereich) eine wesentliche Stütze für eine positive konjunkturelle Entwicklung. Die Stadt Wissen ist im Rahmen der für die Bewältigung der Wirtschaftskrise kommenden Jahre nur dann in der Lage zu investieren und die Wirtschaft anzukurbeln, wenn der Bund und/oder das Land zusätzliche Mittel zuführt. Deshalb benötigt die Stadt Wissen rasche Zusagen für Unterstützungen. Würden wir 2021 und 2022 komplett alleingelassen, müssten wir am Ende doch die Investitionen herunterfahren. Das wäre katastrophal für den Klimaschutz, die Beschäftigungssituation und die Konjunktur vor Ort sowie die hohen Folgekosten, wenn die Infrastruktur nicht saniert wird. Gerade der stationäre Einzelhandel und die Kultur als zentrale Elemente sind in der Pandemie im Mittelzentrum der Stadt Wissen besonders betroffen. Neben kommunalen Hilfsprogrammen brauchen wir hierfür auch langfristige Unterstützung vom Bund und/oder Land.
Das Augenmerk muss darauf gerichtet sein, die Unternehmen der freien und öffentlichen Wirtschaft, das Handwerk, Industrie und Handel zu stabilisieren und Perspektiven für einen durchgreifenden Wirtschaftsaufschwung zu eröffnen. Dazu gehört auch, den privaten Konsum zunächst zu stabilisieren und langfristig wieder an das Vorkrisenniveau heranzuführen. Daher würden Steuer- und Umlageerhöhungen sowie Ausgabenkürzungen diese Ziele konterkarieren und einem konjunkturellen Aufschwung einen empfindlichen Dämpfer versetzen.
Aus diesem Grund braucht Deutschland auch starke Kommunen, um die Krise zu bewältigen. Die Kommunen sollten nicht nach dem Motto „Den Letzten beißen die Hunde“ bei den staatlichen Hilfen auf der Strecke bleiben. Auch finanziell schwache Kommunen schaffen es öffentliche Dienstleistungen aufrechtzuerhalten. Gut aufgestellte kommunale Verwaltungen sind ein Garant dafür, dass unsere Gesellschaft resilient, krisenbewährt ist. Dafür müssen die Kommunen aber auch dauerhaft finanziell angemessen ausstattet sein. Die Verwaltung hat bewiesen, dass sie da ist, wenn es darauf ankommt. Dafür müssen Kommunen wie die Stadt Wissen aber auch leistungsfähig bleiben können.
Beschlussvorschlag:
Der Stadtrat stimmt dem Resolutionsentwurf und den Forderungen zu den Ziffern 1 bis 3 zu und legt diesen der Bundes- und Landesregierung vor.
Wissen, 20.04.2021
Berno Neuhoff
Stadtbürgermeister“
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