Finanzielle Lage der Kommunen bereitet Sorgen
Nach langer Abstinenz absolvierte der rheinland-pfälzische Landkreistag seine 65. Hauptversammlung wieder einmal im Kreis Altenkirchen. Es ging um die Entwicklung der kommunalen Haushalte vor dem Hintergrund von Finanzkrise und Schuldenbremse. Zahlreiche Ehrengäste fanden den Weg nach Altenkirchen, auch Ministerpräsident Kurt Beck, der den Festvortrag hielt.
Altenkirchen. Zur öffentlichen Hauptversammlung des rheinland-pfälzischen Landkreistages hatten sich am Donnerstag zahlreiche Ehrengäste um Ministerpräsident Kurt Beck in der Altenkirchener Stadthalle eingefunden. Schließlich ging es um die Zukunft von Rheinland-Pfalz und die Entwicklung der kommunalen Haushalte vor dem Hintergrund von Wirtschaftskrise und Schuldenbremse. Die 65. Hauptversammlung, die nach 22 Jahren wieder einmal im Kreis Altenkirchen stattfand, sollte jene brisante politische und wirtschaftliche Lage aufzeigen, die nicht zuletzt nachhaltige Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte mit sich bringt. Sie bildete den Auftakt einer zweitägigen Tagung, zu der sich bis Freitag 117 Delegierte aus allen 24 Landkreisen von Rheinland-Pfalz in der Kreisstadt eingefunden haben.
Ministerpräsident Kurt Beck betonte in seine Rede nachdrücklich, dass es darauf ankomme, dass sich die Landes- und Kommunalpolitik auf die entscheidenden Zukunftsfragen konzentriere. Der Ausbau der Ganztagsschulen, die Bindung von hochqualifizierten Fachkräften oder die bessere Integration von Bürgern mit Migrationshintergrund waren hier nur einige politische Eckpfeiler, die Beck nannte. Allein 745 000 Migranten leben in Rheinland-Pfalz, sagte der Ministerpräsident, sie dürfe man nicht unter Generalverdacht verstellen, auch wenn sich eine kleine Minderheit der Integration verweigere. Stattdessen müsse man die Aufgabe, diese Bevölkerungsgruppe ausreichend zu integrieren, sehr ernst nehmen und als wichtigen Zukunftsfaktor für Rheinland-Pfalz betrachten. Auch für den Ausbau der Ganztagsschulen machte sich Beck stark, deren Zahl weiter erhöht werden solle. In der Bildung sei man im Vergleich sehr gut aufgestellt. Hier gelte es, jegliche Begabungen zu fördern und auch schwächere Schüler zu einer Berufsqualifikation zu führen. Daneben sei es von Bedeutung, Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt zu integrieren und Anreize für hochqualifizierte Fachkräfte zu setzen, was nicht zuletzt durch entsprechende Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelinge.
Schuldenbremse darf nicht zur Handlungsunfähigkeit führen
Vor dem Hintergrund der Verschuldung der öffentlichen Haushalte sprach sich Beck gegen weitere Steuersenkungen aus. Die Steuerquote sei niedriger als noch vor fünf Jahren, so dass derzeit 580 Million Euro pro Jahr fehlen, die man hätte mehr einnehmen können, kritisierte Beck. In Anbetracht der beschlossenen Schuldenbremse verwies er auf die Problematik, wo denn das Land überhaupt sparen könne. Die Entschuldung werde ohne Zweifel eine "harte Anstrengung“, sagte Beck, der eine Überarbeitung des kommunalen Finanzausgleichs anregte. Bei den Sozialleistungen müsse auch der Bund einen Beitrag leisten und die Kommunen entlasten, forderte der Ministerpräsident weiter.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch Professor Dr. Joachim Wieland von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, der zum Thema "Perspektiven für die kommunalen Haushalte im Spannungsfeld von Wirtschaftskrise und Schuldenbremse" referierte. Wieland resümierte, dass die kommunalen Haushalte auch nach der Wirtschaftskrise dringend auf Entlastung bei den Sozialabgaben angewiesen seien. So dürften die Länder die Finanzierung der Kommunen nicht aufgrund der Schuldenbremse beschneiden, so der Wissenschaftler. Auch Landrat Dr. Winfried Hirschberger, Vorsitzender des Landkreistages, betonte, dass die Kommunen trotz aller finanziellen Schwierigkeiten handlungsfähig bleiben müssen. In seiner Ansprache richtete er wie Wieland sein Augenmerk noch einmal auf die Finanzkrise, die einen Anstieg der Staatsverschuldung auf 1,71 Billionen Euro hervorgerufen hatte. Dies habe letztlich auch Auswirkungen auf die finanzielle Lage der Kommunen gehabt, fasste Wieland zusammen: die Einnahmen sanken, die Sozialausgaben stiegen an.
Landkreis Altenkirchen kann Haushalt ausgleichen
Landrat Michael Lieber begrüßte die zahlreichen Gäste im nördlichsten Kreis des Landes und durfte zugleich eine frohe Botschaft verkünden. Als einer von zwei Landkreisen in Rheinland-Pfalz kann der Kreis Altenkirchen nach Angaben des aktuellen Kreisfinanzberichts seinen Haushalt ausgleichen. Lieber warnte jedoch davor, die Kommunen durch den Entschuldungsfonds unnötig zu belasten und unterstützte die Forderung nach einer Erhöhung der Finanzausgleichsmasse.
In seiner Rede brachte er den Delegierten zunächst die Geschichte des Landkreises näher. Der Kreis Altenkirchen sei wohl jener Kreis in Rheinland-Pfalz, der seit seiner Gründung im Jahre 1816 am meisten durch Bergbau und Metallindustrie geprägt worden sei, sagte Lieber. So verwies er auf den wirtschaftlichen Niedergang seit Ende der 1970er Jahre, als der Kreis noch drittgrößter Industriekreis in Rheinland-Pfalz war, während man zuletzt einen Platz im unteren Mittelfeld einnehmen musste. Es sei jedoch gelungen, den wirtschaftlichen Wandel wieder in gute Bahnen zu lenken, wovon nicht nur die vielen mittelständischen Unternehmen, die Vernetzung mit Bildungsträgern sowie die Einrichtung von Initiativen wie die Brancheninitiative Metall zeugen, sondern vor allem die im Kreis lebenden Menschen, die das „größte Kapital“ für die Region darstellen, betonte der Landrat. Daneben verwies Lieber auf die enge Zusammenarbeit der drei Westerwälder Landkreise und nannte beispielhaft das Innovationscluster Metall-Keramik-Kunststoff, den Westerwaldsteig oder den Westerwälder Bläsersommer. Doch auch die Probleme in Sachen Verkehrsinfrastruktur verschwieg er nicht und drängte darauf, den Ausbau der B 414 und der B8 als Querverbindung schnellstmöglich umzusetzen.
Die Delegierten lud Lieber schließlich zu einem kulturell hochkarätigen Ausklang des ersten Sitzungstages ins Kulturwerk nach Wissen ein. Dort sollten die Kreismusikschule und "MusicalKultur Daaden" für ein ansprechendes Rahmenprogramm sorgen. Zum Abschluss des Landkreistages absolvieren die Vertreter der einzelnen Landkreise am Freitag eine interne Hauptversammlung in der Kreisstadt. (Thorben Burbach)
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