Online-Stadtführungen in Altenkirchen: Resonanz stellt sehr zufrieden
Erst war es nur ein Versuch, inzwischen werden die Alternativen gerne genommen. In einem vorläufigen Fazit über die neuen Online-Stadtführungen durch Altenkirchen zeigen sich die Kreisvolkshochschule und Tourguide Stephan Fürst sehr zufrieden mit Resonanz und Umsetzung.
Altenkirchen. Stephan Fürst bringt es auf den Punkt, in dem er zwei Aspekte miteinander verbindet: „Altenkirchen im Wandel“ lautet zum einen das Thema seiner Tour am frühen Abend durch die Stadt. „Wir sind auch im Wandel“, schlägt der Tourguide zu Beginn seiner Besichtigungsrunde zum anderen die Brücke zu Veränderungen, die unausweichlich waren, „die digitale Version ist der Zeit geschuldet.“
Die Suche nach Alternativen, um „dank“ der Corona-Pandemie die verbotenen Präsenztouren dennoch als anders gestricktes Angebot aufrecht erhalten zu können, ist von Erfolg gekrönt. Schon fünf Streifzüge via Jitsi-Plattform stehen zu Buche. Die Resonanz ist „überraschend gut“, wie Bernd Kohnen als pädagogischer Leiter der Kreisvolkshochschule (KVHS) Altenkirchen, über die die Spaziergänge eines einzelnen via weltweiter Datenautobahn organisiert werden, erklärt. Bis zu 20 Teilnehmer sind live zugeschaltet, wenn es in ein bis anderthalb Stunden Geschichtliches und Aktuelles über das Tor zum Westerwald gibt.
Die Rückmeldungen seien positiv, hin und wieder gebe es Hinweise auf technische Probleme. „So erreichen wir auch Menschen, die wir sonst nicht erreichen würden“, fügt er an und hegt keine Zweifel, dass dieses Format durchaus Zukunft haben könnte: „Weitere sind in der Pipeline.“ Ganz ohne eine Kursteilnahme vorm heimischen PC nach Beendigung der Covid-19-Regentschaft werde die KVHS wohl nicht mehr auskommen. „Wir werden sehr wahrscheinlich online präsent bleiben“, blickt Kohnen voraus.
Hohe Dichte an Informationen
Fürst, der sich intensiv mit der Verwirklichung der neuen Wissensvermittlung über die Historie von Altenkirchen beschäftigt, erläutert exklusiv gegenüber dem AK-Kurier: „Diese Art der Online-Führungen gibt Menschen die Gelegenheit, von zu Hause Eindrücke über eine Stadt, ein Museum oder eine Landschaft zu erhalten, ja in gleicher Zeit eine höhere Dichte an Informationen zu erlangen, da während der Wechsel der Standorte in einer Führung mit Publikum keine Informationen gegeben werden.“
Inzwischen hat sich für ihn ein solcher Rundgang schon eingespielt. „Klar, bei der erster Führung, wie wohl immer bei einer Premiere, ist die Anspannung hoch, das Lampenfieber deutlich zu spüren. Trotz der Tests der Technik, des Einübens des Ablaufs bleibt die Frage im Raum: Klappt alles?“, schaut er zurück auf den Start am 11. April. Inzwischen beginne er, sich mehr zu wagen. Die Bandbreite der Perspektiven wachse an, „wie zum Beispiel der Blick vom Boden aus auf den Viertelmeilenstein in der Frankfurter Straße. Und das Bedienen der Funktionen wie Kamerawechsel oder Freigabe des Bildschirms ist nun so automatisiert wie das Schalten der Gänge beim Autofahren“.
Anfrage aus Neuseeland
Wie Kohnen sieht auch Fürst nicht das Ende des Formats mit der Rückkehr zur Normalität, also ohne Corona-Vorgaben, gekommen - gerade ältere und wenig mobile Menschen bleiben potenzielle Teilnehmer. „Hier können Männer und Frauen mitgenommen werden in und an Orte, die sie sonst nicht erreichen können, und dabei ihre Fragen stellen, mit dem Stadtführer interagieren. Und mit ,nicht erreichen können‘ meine ich die unterschiedlichsten Gründe: der Ort ist zu weit weg, kann aufgrund eingeschränkter Mobilität nicht erreicht werden, ist für eine Gruppe nicht zugänglich. Mittels der Kamera können auch kleinste Objekte groß gezeigt werden“, nennt er Vorteile.
Der Besuch eines Bergwerkstollens oder die Besteigung eines Turmes sei für manche Menschen ein unüberwindliches Hindernis, mit einer Online-Führung könnten sie in ihrer eigenen, gewohnten, sicheren Umgebung dennoch „mal dort gewesen sein“. Zu solchen Erlebnissen seien bereits Planungen im Gange. „Menschen aus Altenkirchen, die mittlerweile ihren Lebensmittelpunkt woanders haben - beispielsweise Hamburg oder Essen -, nehmen jetzt schon an den Online-Stadtführungen teil. Und ich habe schon eine Anfrage aus Neuseeland erhalten“, fügt Fürst an.
Außerschulischer Lernort
Weitere Ansätze, das Online-Projekt nicht sterben zu lassen, fallen Fürst prompt ein. Ebenso sei ein Gruppenerlebnis in einem Seniorenheim denkbar, wobei eine Mitarbeiterin die Fragen der Zuschauer an den Stadtführer übermitteln könnte. Schulen könnten dieses Format als außerschulischen Lernort nutzen. Ein anderes Feld sei die Verknüpfung mit anderen Orten, bei der Tour „Bahnsteig 2" ist es Paris, bei „Altenkirchen im Wandel" München. „Mit einer Münchener Kollegin bin ich im Dialog, quasi eine Führung in der Stadtführung auszuprobieren. Sozusagen eine 'Live-Schalte' nach München mit entsprechenden Inhalten zum König Ludwig dem Bayer, der Altenkirchen die Stadtrechte verlieh; ebenso natürlich auch umgekehrt. Und die Technik bietet noch weitere Möglichkeiten, sei es die 360-Grad-Kamera oder die Audio-Übertragung in Stereo. Das nur, um Beispiele zu nennen. Die Liste der Ideen geht weiter und wird wöchentlich länger.“
Ein klarer Favorit
Trotz des guten Zuspruchs und des großen Lobs steht für Fürst fest, welche Version er bevorzugt: „Ganz ehrlich, trotz der vielen Möglichkeiten der Online-Führung, bleibt die Live-in-3D-mit-Publikum-Führung mein Favorit. Der Mensch nimmt mit seinen Augen und Ohren Eindrücke auf, beide werden in der Online-Führung bedient, jedoch auch nur zum Teil.
Der Blick beim Gang durch die Stadt oder Landschaft ist ein deutlich weiterer und größerer als am Bildschirm. Es sind mehr Geräusche zu hören“, vergleicht er. Darüber hinaus seien da die verschiedensten Gerüche, das knirschende Gefühl beim Gehen über einen Kiesweg, den Wind ins Gesicht gepustet zu bekommen, die Sonne auf der Haut zu fühlen: „Das sind Eindrücke, die Menschen nur live in 3D geboten werden können. Gemeinsam unterwegs zu sein, ein Getränk oder einen Snack zu sich zu nehmen, sind weitere Pluspunkte.“
Und nun komme das i-Tüpfelchen: „Der Kontakt mit den Menschen und untereinander, Blickkontakte, das Erstaunen, die Freude auf den Gesichtern zu lesen, das Knistern innerhalb der Gruppe zu spüren und nicht zuletzt der Applaus, der Glanz in den Augen zum Ende einer Führung, das gibt es nur live in 3D mit Publikum!“. Deutlicher kann Fürst seine Vorliebe nicht definieren. (vh)
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