Der VfB Wissen trauert um „Vereins-Ikone“
In der vergangenen Woche verstarb wenige Monate vor seinem 99. Geburtstag mit Eugen Anetsmann ein langjähriges Mitglied des VfB Wissen. Der Sportverein beschreibt den Verstorbenen als „Vereins-Ikone“ - ein passender Begriff mit Blick auf die Leistungen des gebürtigen Ingolstädters. Ein Nachruf.
Wissen. Mit Eugen Anetsmann ist ein leidenschaftlicher Ehrenamtler und Fußballer verstorben, der auch in den anderen Wissener Vereinen eine hohe Wertschätzung genoss. „Sein“ Verein, der VfB Wissen, würdigt mit großem Dank seine nachhaltigen Leistungen. Anetsmann sei immer freundlich gewesen und hätte jeden mit einem Lächeln im Gesicht für sich eingenommen. „Sein Verlust schmerzt“, schreiben die Verantwortlichen des VfB.
Als Eugen Anetsmann vor fast 100 Jahren das Licht der Welt erblickte, sei ihm nicht in die Wiege gelegt gewesen, später einmal ein Wissener Original zu werden. Denn geboren wurde er nicht an der Sieg, sondern an der Donau – und zwar im September 1922 in der Nähe von Ingolstadt. Im oberbayrischen Eichstätt im Altmühltal absolvierte er in den späten 30er Jahren eine Metzgerlehre im Betrieb von Ludwig Regnet.
Bevor er an die Sieg kam, gab es aber noch einige Umwege: Der erste führte Eugen Anetsmann unfreiwillig als Soldat der Deutschen Wehrmacht nach Jugoslawien und Griechenland. Als Gebirgsjäger kam er später sogar bis in die Berge des Kaukasus. Zwar entging er am Ende des Krieges, dass er am Alpenrand erlebte, einer längeren Kriegsgefangenschaft. Er hatte aber durch einen Granatsplitter auf einem Auge fast die komplette Sehkraft eingebüßt – was laut Verein seine späteren Erfolge in vielen verschiedenen Sportarten noch erstaunlicher macht.
In der zweiten Hälfte der 40er Jahre verschlug es Anetsmann ins Allgäu, wo er mit Mitte Zwanzig bereits als Spielertrainer für den SV Wertach aktiv war. Anfang der 50er Jahre zog es seinen ehemaligen Lehrherren Ludwig Regnet mit der Familie ins Siegerland, zunächst nach Niederfischbach. Eugen Anetsmann, inzwischen Metzgermeister, kam mit. Als dann Ludwig Regnet das Hotel Bürgergesellschaft in der Rathausstraße erwarb, war die Verbindung nach Wissen hergestellt. Anetsmann fand eine berufliche Heimat bei einer Großmetzgerei in Gießen und später als Ladenmeister bei der Firma Hermes in Hamm. Und auch das Engagement beim VfB Wissen lag nahe, denn schließlich war die Bürgergesellschaft damals das Vereinslokal.
Am 1. Januar 1955 trat Anetsmann dem VfB Wissen bei und blieb dessen treues Mitglied für über 66 Jahre. Sofort wurde er Stammspieler der ersten Mannschaft, die damals in der zweiten Amateurliga an den Start ging. „Mit seiner ausgeprägten Technik und seiner Schnelligkeit, aber auch als Vorbild und Integrationsfigur verstärkte er das Team erheblich“, schreibt der Verein in dem Nachruf auf Anetsmann.
In der Saison 1956 / 57 gelang nach zwei knapp verpassten Aufstiegen die Meisterschaft und die Rückkehr in die Rheinlandliga. Anetsmann nahm als Mannschaftskapitän nicht nur den Pokal in Empfang, sondern war im gesetzten Fußballalter von 34 in allen Saisonspielen dabei und mit 19 Treffern auch der erfolgreichste Torschütze. Danach war eigentlich der Wechsel in die zweite Mannschaft geplant, doch Trainer Stephan Langen wollte auch in der Rheinlandliga nicht auf Eugen verzichten, sodass er auch in den beiden Folgejahren noch auf zusammen fast 40 Einsätze und 20 Tore kam. An eine Verwarnung oder gar einen Platzverweis kann sich laut dem VfB niemand seiner damaligen Mannschaftkameraden erinnern, Anetsmann Fairness sei bei allem Ehrgeiz herausragend gewesen.
Als es dann endgültig als Spielertrainer zur Reserve ging, ließ auch hier der erste Titelgewinn nicht lange auf sich warten, denn 1959 stieg die „Elf“ in die A-Klasse auf. Parallel dazu ließ Anetsmann auch kaum ein Spiel der Alten Herren aus, für die er erst 1993 im Alter von knapp 72 Jahren sein letztes Spiel bestritt – natürlich als Mannschaftskapitän.
Über 4.000 Zuschauer kamen im Oktober 1978 zum Spiel gegen die Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft, die sich dank fünf Overath-Toren mit 10:1 durchsetzte. Seine sportlichen Aktivitäten beschränkten sich aber nicht nur auf den VfB Wissen und schon gar nicht auf den Fußball. Nach seiner Zeit als Spielertrainer der Sportfreunde Schönstein war Eugen Anetsmann auch im Tischtennis, als Schwimmer, als Leichtathlet, als Tennisspieler und über 50 Jahre lang bis ins zehnte Lebensjahrzehnt bei der Reha-Sportgemeinschaft als Faustballer aktiv. Seine Fitness schien sich allen biologischen Gesetzen zu entziehen, und auch mit 90 ging er locker als 70-Jähriger durch.
Dem VfB Wissen blieb er ohne jede Unterbrechung in guten wie in schlechten Zeiten stets verbunden. Ob als Jugendtrainer, genau 31 Jahre lang als Platzkassierer, als Grillmeister bei Vereinsfeiern oder als ehrenamtlicher Helfer bei vielen Anlässen – wenn eine helfende Hand gebraucht wurde, war Eugen ohne viel Aufhebens da. Erst in der jüngsten Vergangenheit forderte das Alter immer mehr Tribut und die Besuche im Stadion wurden seltener. Dennoch blieb er hellwach und am sportlichen Geschehen immer interessiert. Auch die „Hundert“ hätte er gerne vollendet. Es hat nicht sollen sein. (PM)
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