Mit dem Kauf der Altenkirchener Reitanlage geht ein Lebenstraum in Erfüllung
Die einen erklären eine Reise in die Südsee, die anderen den Besitz eines Ferrari oder - wie in diesem Fall - den Kauf einer Reitanlage zu ihrem jeweiligen Lebenstraum: Linda Nadrowitz wird sich ihren sehnlichsten Wunsch mit der Übernahme des Refugiums für große Vierbeiner in Altenkirchen zum 1. Juli erfüllen. Die Geschmäcker sind eben verschieden.
Altenkirchen. Die Reitanlage auf der Altenkirchener Glockenspitze gehört noch dem Zucht-, Reit- und Fahrverein (ZRFV), der in der Kreisstadt sein Zuhause hat. Noch! Aber am 1. Juli ändert sich das Besitzverhältnis. Diesen Luxus sich nicht mehr leisten könnend, wurde das Areal zum Kauf angeboten - und fand in Linda Nadrowitz (34) umgehend eine Interessentin, die „Ende November des vergangenen Jahres“ die Entscheidung zum Erwerb fällte und den Deal perfekt machte. Der AK-Kurier berichtete.
So spricht die neue Eigentümerin in spé „von einem Lebenstraum, den sie sich erfüllt hat“. Ihre Tätigkeit als Geschäftsstellenleiterin der Sparkassenversicherung in der Kreissparkasse Weilburg bedingt, so eine Vorgabe des Arbeitgebers, dass sie den Komplex an den gelernten Pferdewirt Tobias Vollmer (25) verpachten muss. Auch er kann den baldigen Stichtag kaum erwarten und sieht für sich selbst gleichfalls eine Herzensangelegenheit Wirklichkeit werden.
Lange Beziehung zur Anlage
Schon seit vielen Jahren ist Nadrowitz, in Elben geboren und in frühester Kindheit Stammgast bei den Pferden auf der Nistermühle (bei Hachenburg), eng mit dem ZRFV verbandelt. Zurzeit noch als Breitensportbeauftragte im Vorstand des 1921 gegründeten Vereins tätig, hat sie, nach einem studiumbedingten siebenjährigen Abstecher nach Köln, seit 2012 auch eigene Pferde „Auf dem Altdriesch“ eingestallt. „Viel in meinem Leben hat sich bereits um diesen Platz hier gedreht“, sagt sie, so dass sie praktisch jeden Winkel des großen Geländes mit den zwei dominierenden Hallen und den beiden Außenplätzen wie aus dem Effeff kennt. Als der Gedanke bei einer Fahrt gemeinsam mit Vollmer zu einem Turnier Richtung niederländischer Grenze aufkeimte, in die Position des Käufers zu schlüpfen, waren schnell die Weichen endgültig gestellt, „ehe noch ein Privatier von irgendwo her uns vor die Nase gesetzt wird und wir möglicherweise außen vor sind“.
Unternehmensberater konsultiert
Der nächste logische Schritt war ein Termin bei einem Unternehmensberater, „weil wir ein sehr hohes Risiko eingehen müssen und weil es sehr viel zu tun gibt“, beschreibt Nadrowitz. Zudem habe sie „sehr, sehr gute Gespräche mit der Stadt“ geführt, auf deren Grund und Boden das Noch-Domizil des ZRFV errichtet wurde. Per Erbbaupachtvertrag ist das Areal dem Verein für 99 Jahre überlassen. „Super gut“ habe alles geklappt, blickt Nadrowitz zurück, während die nächsten Schritte in den kommenden Monaten bereits geplant sind: „Bis Ende des Jahres werden wir richtig viel bewegen. Das werden wir gemeinsam anpacken.“ So müsse an vielen Ecken und Kanten renoviert und aktualisiert werden, denn „die Menschen sollen gerne hierher kommen“. Ganz oben auf der Dringlichkeitsliste steht der Austausch der beiden Hallenböden, die Erneuerung der Führanlage. Das Wohnhaus soll bis spätestens Ende September komplett saniert sein, „dafür stehen wir bereits mit Handwerkern in sehr intensiven Kontakten“. Das Reiterstübchen (ehemals Gaststätte) wird ebenfalls in neuem Gewand daherkommen, ohne dass eine ehemals öffentliche Gastronomie wiederbelebt wird. „Einen Kaffee oder ein Wasser wird es auch weiterhin geben“, erklärt Vollmer. Wie für ihn bedeutet auch für Nadrowitz die Umsetzung der Pläne: „Es gibt keinen Feierabend und immer was zu tun.“ Die Projekte sind zunächst mittelfristig angelegt - mit einer „sukzessiven Umsetzung mindestens in den nächsten fünf Jahren. Wir wollen in guten wie auch in schlechten Zeiten immer betriebsbereit sein“.
Händchen für schwierige Pferde
Lag die sportliche Ausrichtung unter Conrad Beck, dem Noch-Pächter und gleichzeitigem ZRFV-Vorsitzenden eher im Dressurbereich, wird sich der Schwerpunkt mehr auf das Springreiten verlagern, für das Vollmer, bei Turnieren bereits sehr erfolgreich, ein Faible hat. „Er kann so gut auch mit schwierigen Pferden umgehen. Für solche Tiere hat er ein Händchen“, stellt Nadrowitz eine vielen Insidern bekannte „Schokoladenseite“ ihres Geschäftspartners heraus, „sogar Pferdebesitzer, die weiter entfernt wohnen, überlassen ihm die Arbeit mit diesen Pferden.“ Darüber hinaus möchte sie „den gemeinnützigen Zweck des Reitens intensivieren“, also mehr Unterricht anbieten. „So wie früher“, bringt sie es auf den Punkt und hofft, dass Kinder auch einmal länger bleiben als fürs eigentliche Training, denn um Pferde herum gibt es viel mehr zu tun, sodass sich der Kreis zu ihrer Kinder- und Jugendzeit schließt, in der sie „morgens von der Mutter auf die Nistermühle gefahren und abends wieder abgeholt wurde“. Sie weiß also aus eigener Erfahrung: „Reitsport prägt. Menschen, die Kontakt mit Pferden haben, verfügen über eine höhere Sozialkompetenz. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Sie übernehmen mehr Verantwortung und packen kräftiger an, wenn jemand in Not ist“, erklärt Nadrowitz und ergänzt: „Natürlich sind uns auch Freizeitreiter immer willkommen.“ Die (drei) Turniere des ZRFV sollen natürlich fester Bestandteil des jährlichen Zyklus bleiben.
Gelände misst rund 14.000 Quadratmeter
Das Gelände „Auf dem Altdriesch“ misst rund 14.000 Quadratmeter. Dazu kommen noch knapp vier Hektar Weideland. Zur Infrastruktur zählen zwei Hallen und zwei Außenplätze. Der größere der beiden umfasst 4000 Quadratmeter und ist für Springen bis zur Klasse S oder einen Dressur-Grand-Prix geeignet. Eine Führanlage ist ebenfalls vorhanden. Die 40 Einstellboxen sind alle belegt. An eine Erweiterung der „Wohnmöglichkeiten“ für Hengst, Stute & Co. wird nicht gedacht. Die erste Halle wurde im Jahr 1965 eingeweiht. 1986 wurde der gesamte Stalltrakt bei einem Feuer, das sich im Heulager selbst entzündet hatte, zerstört. Bereits 1987 war der neue einsatzbereit. Der Schritt des ZRFV, sich von der Dr.-Günter-Pieritz-Reitanlage (in Erinnerung an einen viele Jahre tätigen Vorsitzenden des Clubs) zu trennen, ist laut Vollmer der Entwicklung geschuldet. Denn in weiterem Umkreis gebe es inzwischen keinen Verein mehr, der über eine eigene Infrastruktur verfüge. (vh)
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