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Nachricht vom 14.06.2021    

Künftige Geldanlagen des AWB nach Greensill-Bank-Pleite: Entscheidungskompetenz noch nicht geklärt

„Aus Fehlern wird man klug“: Das Sprichwort kann eins zu eins auf den Abfallwirtschaftsbetrieb des Kreises Altenkirchen übertragen werden. Die Insolvenz der Bremer Greensill Bank mit der Folge, dass der heimische AWB womöglich 3,6 Millionen Euro in den Wind schreiben kann, wird eine erste wichtige Konsequenz zur Folge haben.

Die 3,6 Millionen Euro, die der AWB bei der Greensill Bank AG angelegt hatte, waren/sind für die Oberflächenabdeckung der Deponie in Nauroth bestimmt. (Foto: Archiv vh)

Kreis Altenkirchen. Sind sie nun futsch oder nicht? Ob der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) des Kreises Altenkirchen jemals die 3,6 Millionen Euro (oder auch nur einen Teil davon) wiedersieht, die er bei der in Insolvenz gegangenen Greensill Bank (Bremen) angelegt hat, wissen nur die Götter. Eine erste Konsequenz wird - so das Ergebnis einer gemeinsamen Sitzung des Kreis- und des Werkausschusses am späten Montagnachmittag (14. Juni) im Wissener Kulturwerk - die Änderung der „Dienstanweisung über das Kassen- und Rechnungswesen des Eigenbetriebs Abfallwirtschaftsbetrieb Landkreis Altenkirchen“ sein, dessen ursprüngliche Fassung auf den 20. Dezember 2006 zurückgeht. Vorab aber möchten die im Kreistag vertretenen Fraktionen auf Anregung von Dr. Josef Rosenbauer (CDU) noch intensiver die beiden unterschiedlich formulierten Änderungen (im Zentrum: Entscheidungskompetenz über eine neuerliche Geldanlage entweder beim vierköpfigen Kreisvorstand oder beim Werkausschuss) jeweils intern beraten. In Paragraf 13 wird zudem dezidiert erläutert, wie, wo und unter welchen Maßgaben der AWB Geld aus der Werkkasse, die nicht mit der Kreiskasse verbunden ist (Trennungsbeschluss nach Vorschlag eines Wirtschaftsprüfers im Jahr 2006), anlegen darf. Bislang hatte der stellvertretende Werkleiter ein solches Geschäft nach Vorschlag eines Finanzdienstleiters vorbereitet, ehe der Werkleiter den Deal mit seiner Unterschrift perfekt machte. Von der Anlage bei Greensill hatte beispielsweise Gerd Dittmann, (dritter) Kreisbeigeordneter und für den AWB zuständig, erst am 11. März erfahren. Für die Umformulierung der wichtigen Passagen hatten die Kreistagsfraktionen von FDP, SPD und CDU inhaltliche Wünsche kundgetan.

„Schutzwürdiger Bereich“
Dittmann sprach von „schutzwürdigen Bereichen“, aus denen Informationen nicht für die Allgemeinheit bestimmt seien, und begründete mit dieser Aussage, dass der Sachstandsbericht zum Insolvenzverfahren nur im nicht-öffentlichen Teil der Zusammenkunft erläutert werden durfte. Er nannte als Beispiel das Bankengeheimnis. Für ihn sei es darüber hinaus ein sehr ungewöhnlicher Vorgang gewesen, dass die Wirtschaftsprüfer der Kanzlei Ebner Stolz das Testat des Bilanzchecks der Greensill Bank für das Jahr 2019 zurückgegeben hätten, weil ihnen Unterlagen vorenthalten worden seien. Dittmann kündigte zudem an, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Sicherungssysteme für Banken umbauen werde. Udo Piske (FDP) erwähnte, dass der AWB nicht zwingend Geld anlegen müsse, sondern dass es in den Kreishaushalt eingegliedert werden könne. Auf Nachfrage von Heijo Höfer (SPD) erklärte der stellvertretende Werkleiter Sebastian Blumberg, dass Angebote für eine Geldanlage, die der Finanzdienstleister vorlege, „tagesaktuell“ seien, „sie nach zwei bis drei Tagen neu erfragt werden müssen“. Der Zeitfaktor sei entscheidend, weil „Konditionen drohen, sich zu verändern“, pflichtete Dittmann bei.

„Wasserdichte Dienstanweisung“
Vor dem Hintergrund der angedeuteten Änderungen der BaFin meinte Anna Neuhof (Bündnisgrüne), dass eine Institutsgarantie eine ganz wichtige Rolle spiele. „Wir dürfen nicht in so eine Situation kommen, in der wir unangenehm überrascht werden“, legte sie Wert auf die genaue Analyse der alsbald neu zu fassenden Präzisierung, „wir müssen eine wasserdichte Dienstanweisung machen.“ Auch Dittmann will die Frage „Hat sich an der Rechtslage was geändert?“ nie unbeantwortet lassen. „Gründlichkeit ist besser als Schnelligkeit“ soll künftig die Devise lauten, wie es bereits in den beiden Entwürfen zur Entscheidungskompetenz beschrieben ist: „Eine Überprüfung des Einlagenschutzes ist vor jeder Anlage durch die Leiterin/den Leiter des Geschäftsbereiches vorzunehmen.“ Piske forderte die handelnden Personen auf, „bitte mit mehr Respekt an solche Geschäfte zu gehen und nicht Millionen rauszuwerfen“. Bernd Becker (SPD) sah es als nahe liegendste Lösung an, Geld grundsätzlich in der Kreiskasse zu belassen. Diese Variante soll ebenfalls geprüft und dann geschaut werden, „ob das in unser Geschäftsmodell passt“, so Dittmann. Becker untermauerte sein Anliegen mit der Polizeistiftung in Rheinland-Pfalz, die ihr Geld nämlich auch im Landeshaushalt deponieren würde.



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Zweimal wurde Termingeld angelegt
Der AWB hatte sich als Anlageform jeweils für Termingeld (einmal 2 Millionen Euro und einmal 1,6 Millionen Euro) mit einem Zinssatz von jeweils 0,5 Prozent und mit einer Laufzeit von jeweils zwei Jahren bei Greensill entschieden. Die Forderungsanmeldung über die Summe plus Zinsen in Höhe von 6147,22 Euro (ein Zinsanspruch besteht bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens) erfolgte am 29. April bei der Kanzlei des Insolvenzverwalters CMS Hasche Sigle (Hamburg). Der Deal des AWB war über einen Finanzmakler abgewickelt worden, mit dem seit rund 20 Jahren geschäftliche Kontakte gepflegt werden. Das Geld hätte im Dezember 2021 und im September 2022 wieder zur Verfügung gestanden und gehörte der Rücklage an. Mit Greensill befand sich der AWB seit dem Jahr 2015 in sporadischen Geschäftsbeziehungen. Die in Rede stehenden 3,6 Millionen Euro sind/waren für die Nachbehandlung der Deponie in Nauroth mit dem Schwerpunkt Oberflächenabdichtung vorgesehen. Aktuell hat der AWB noch 5 Millionen Euro als Termingeld bei der Mercedes-Bank bis zum Oktober nächsten Jahres angelegt (Rating A-). Eine vorzeitige Kündigung/Auflösung des Vertrages lehnte das Kreditinstitut bereits ab. 11 Millionen Euro befinden sich auf dem AWB-Girokonto. 5 Millionen Euro benötigt er jährlich für die Abwicklung des operativen Geschäfts. Die Maßnahmen am Müllendlager werden in den nächsten drei bis vier Jahren rund 10 Millionen Euro kosten.

Am 3. März begann der Schlamassel
Die BaFin hatte am 3. März ein so genanntes Moratorium über die Greensill Bank angeordnet - mit der Folge, dass weder Zahlungen entgegengenommen noch getätigt werden durften. Gleichzeitig wurde ein Sonderbeauftragter der BaFin bei der Bank eingesetzt. Es wird wegen Bilanzbetrugs ermittelt, und entsprechende Strafanträge wurden von der BaFin gestellt. Am 16. März wurde auf Antrag der BaFin durch das Amtsgericht Bremen über das Vermögen der Greensill Bank AG das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kanzlei Rechtsanwälte Dr. Caspers, Mock und Partner übertrug der AWB das Mandat zur Wahrung seiner Interessen. Vor nicht einmal einer Woche (8. Juni) fand eine Gläubigerversammlung statt. Die Wirtschaftszeitung Capital veröffentlichte eine Rangliste deutscher Städte, die Greensill deutlich mehr Geld anvertraut hatten als der heimische AWB (Angaben in Millionen Euro): Monheim (Rhein) 38, Eschborn 35 und Wiesbaden 20 lagen ganz vorne.

Zweckverband: Geld zurück plus Zinsen
Mehrere Städte werfen der Finanzaufsicht vor, zu spät über die Probleme bei Greensill informiert zu haben. Der BaFin zufolge seien die Stadtkämmerer in der Fachpresse mehrfach darauf hingewiesen worden, dass das Geld von Kommunen nicht mehr geschützt sei, es keine Einlagensicherung bei Privatbanken seit dem 1. Oktober 2017 gebe. Der Zweckverband Siegerland-Flughafen hingegen war am 30. März erfreut gewesen. Er hatte seine Geldanlage plus Zinsen in Höhe von 5,5 Millionen Euro, ebenfalls Greensill überlassen, dank Einlagensicherungsfonds zurückerhalten. (vh)


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