Friedens-Radtour führte Steinebacher auch zum Deutschen Eck
Hermann Reeh, mittlerweile über 80 Jahre alt, tritt seit letztem Dezember wieder in das Pedal für seine neue Friedens-Radtour. Die dritte Etappe führte ihn unter anderem nach Koblenz zum Deutschen Eck zum Kaiser-Wilhelm-Denkmal. Das Statement des Friedensaktivisten Reeh hierzu ließ an eine kontroverse Diskussion aus dem vergangenen Jahr erinnern.
Region. In verschiedenen Etappen steuert der nimmermüde Aktivist Hermann Reeh seit letztem Dezember mit dem Fahrrad Stationen an, die aus seiner Sicht Frieden stiften – oder Krieg fördern. Nun beendete er die dritte Etappe seiner Friedens-Radtour unter dem Motto „Der Frieden braucht einen Schutzschirm“. Eine Station und Reehs Statement dazu ließen Erinnerungen an eine im letzten Jahr kontrovers geführte Debatte aufkommen. Im Zentrum der Auseinandersetzungen waren Statuen, Denkmäler und Straßennamen rund um historische Persönlichkeiten gestanden.
Befeuert von der „Black Lives Matter-Bewegung“ wurden manche von Aktivisten in den USA und Europa beschmutzt, teils sogar abgerissen – waren zumindest oft Anlass für Demonstrationen. Was diese Auseinandersetzungen mit der dritten Etappe von Reehs Friedenstour gemein haben – und was sie davon unterscheidet? Das wird in einer Pressemitteilung des Steinebachers deutlich. Aber von Anfang an:
Gestartet war Reeh am 7. Dezember 2020, am Tag, als sich Willy Brandts „Kniefall von Warschau“ zum 50. Mal jährte. Das Ziel der ersten Etappe war Bonn, wo der ehemalige Bundeskanzler eine Friedenspolitik gestaltete. Die zweite Etappe ging von Kaisersesch in Eifel, über den Fliegerhorst Büchel nach Cochem, weiter durch das Tal der Mosel bis Koblenz. Die dritte Etappe führte nun von Koblenz über Neuwied nach Bonn.
Morgens war Reeh mit dem Zug nach Koblenz gefahren. Erstes Ziel in Koblenz war das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung. Als Reeh die Größe der Baulichkeiten sah und wieviel Menschen dort arbeiten, habe er an eine Aussage des ehemaligen US-Generals und Präsident der Vereinigen Staaten Eisenhower gedacht: „Jede Kanone, die gebaut wird, jedes Kriegsschiff, das vom Stapel gelassen wird, jede abgefeuerte Rakete bedeutet letztlich einen Diebstahl an denen, die hungern und nichts zu essen bekommen, denen die frieren und keine Kleidung haben. Eine Welt unter Waffen verpulvert nicht nur Geld allein. Sie verpulvert auch den Schweiß ihrer Arbeiter, den Geist ihrer Wissenschaftler und die Hoffnung ihrer Kinder.“
Vom Bundesamt sind es nur wenige Kilometer bis zum Deutschen Eck, wo das Kaiser-Wilhelm-Denkmal steht. Reeh rückt die kriegerischen Aktivitäten von Wilhelm des I. in den Vordergrund: „Wilhelm I. führte während seiner Regentschaft drei Kriege(1864, 1866, 1871) schlug die Demokratiebewegung in Baden nieder, beobachtete von einem Hügel die Schlacht bei Sedan September 1870 mit mehreren tausend Toten. Mehr als 80 000 französische Soldaten gerieten in Gefangenschaft, auch Kaiser Napoleon III. ‚Welch eine Wendung durch Gottes Führung‘, hieß es in der deutschen Propaganda nach der entscheidenden Schlacht von Sedan am 1./2. September 1870.“ In Deutschland wurde der Sedantag (Nationalfeiertag) bis 1919 gefeiert. In vielen Schulen wurde die Schlacht von Sedan nachgespielt. „Militärisch und psychologisch sollte der Konflikt zum Laboratorium des Ersten Weltkriegs werden“, schreibt Reeh – und weiter:
„Nach ihrem Sieg bei Sedan schlossen die deutschen Truppen am 19. September 1870 die französische Hauptstadt Paris ein. Die französische Hauptstadt sollte durch Hunger zur Kapitulation gezwungen werden. Im Durchschnitt sind pro Woche etwa 800 bis 1000 Tote zu beklagen. Bis in die zweite Januarhälfte hinein erhöht sich deren Zahl auf 5000. Ende Januar ist dann die Widerstandskraft der Pariser erlahmt. Der Feind dagegen lebte wie Gott in Frankreich. In seinem Versailler Hauptquartier. Dort wurde Wilhelm I. bis dahin König von Preußen am 18. Januar 1871 in Versailles zum Deutschen Kaiser gekrönt. Französische Bitterkeit und deutscher Siegesstolz bereiteten den Weg in den 1. Weltkrieg.“
Vor diesem Hintergrund will Reeh das Denkmal nicht etwa abreißen. Sein Vorschlag sind gut sichtbare Informationstafeln Gut sichtbare Informationstafeln zur Biografie und den „Untaten“ des ersten deutschen Kaisers, „damit alle Besucher des Denkmals die drohende Figur Wilhelms I. entsprechend einordnen können.“ Ein Beispiel für den aus Sicht von Reeh richtigen historischen Umgang scheint nicht weit entfernt vom Kaiser-Denkmal: „Am Moselufer direkt neben dem Denkmal finden sich Teile der Berliner Mauer, ihre Bedeutung, und das Unrechtssystem der ehemaligen DDR werden dort ausführlich beschrieben. Entsprechendes, gut sichtbar, sollte auch zu Wilhelm I. dort stehen, nicht versteckt und kaum zu finden, wie es jetzt der Fall ist.“ Das Deutsche Eck war nicht die letzte Station der Friedens-Radtour.
Reeh fuhr weiter am Rhein entlang über die Urmitzer Brücke nach Neuwied zur Geschäftsstelle des internationalen Friedensdienstes „EIRENE“, einem ökumenischer, internationaler Friedensdienst. Mit seinem dortigen Besuch wollte der Friedensaktivist zeigen, wie wichtig aus seiner Sicht die zivile Konfliktbearbeitung auf dem Weg zu einem nachhaltigen Frieden ist. „EIRENE“-Friedensfachkräfte engagieren sich laut dem Pressetext von Reeh bei Partnerorganisationen in Afrika und Lateinamerika, um friedensfördernde Strukturen aufzubauen und dadurch zu einer langfristigen Friedenssicherung beizutragen. Von Neuwied fuhr Reeh weiter am Rhein entlang bis Bad Honnef. Dort stieg er in den Zug, weil die Batterieladung seines E-Bikes zu Neige ging, Reeh musste ja noch von Wissen nach Steinebach fahren. 94 Kilometer hatte er zurückgelegt als er zu Hause ankam. (PM/Red.)
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