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Nachricht vom 14.08.2021    

Hass gegen Bürgermeister in Region?

Von K. Behner & D.-D. Pirker

Beschimpfungen, Bedrohungen und teils körperliche Angriffe scheinen für viele Bürgermeister keine Ausnahme zu sein. Das ergaben jüngste Studien. Die Kuriere holten Einschätzungen von Amtsträgern aus der Region ein, die dies bestätigten – aber auch ein differenziertes Bild zeichneten.

Ist der Ton gegenüber Bürgermeistern rauer geworden? Dazu holte die Kuriere Einschätzungen von folgenden Amtsträgern ein (im Uhrzeigersinn): Peter Klöckner (Bürgermeister VG Hachenburg), Berno Neuhoff (Bürgermeister Stadt und VG Wissen), Harald Dohm (Bürgermeister Scheuerfeld) und Jürgen Giehl (Bürgermeister Gebhardshain). (Fotos: SPD Westerwald, privat, Archiv, privat)

Region. Der Vorfall, der sich Anfang 2018 im Hachenburger Verwaltungsgebäude ereignet hatte, ließ aufhorchen. Ein 43-jähriger Mann randalierte und schubste den Hachenburger Verbandsgemeinde-Bürgermeister Peter Klöckner aggressiv gegen die Wand bedrohte ihn. Sicherlich ein drastisches Beispiel, das allerdings einen Trend aufzeigt. Bürgermeister, ob ehrenamtlich oder hauptberuflich, brauchen ein dickes Fell. Erst im Frühling machte eine Studie der Universität Gießen Schlagzeilen.

Die Wissenschaftler hatten Oberhäupter von Städten und Gemeinden in Hessen befragt zum Thema Hass und Gewalt. Die Ergebnisse lassen aufhorchen: Nur etwa jeder fünfte Befragte wurde noch nie beleidigt. Die Beleidigten mussten entsprechende Angriffe mehrfach erfahren. Ein ähnliches Bild ergab im letzten Jahr die größte Umfrage innerhalb Deutschlands zum Thema „Gewalt gegen Kommunalpolitiker“. 64 Prozent der von dem Fachmagazin Kommunal im Auftrag des Magazins Report aus München Befragten berichteten von Beschimpfungen, Beleidigungen, Bedrohungen und sogar von körperlichen Angriffen.

Berno Neuhoff: Immer wieder anonyme Briefe mit Bedrohungen

Auch der Bürgermeister der Stadt und Verbandsgemeinde Wissen, Berno Neuhoff, berichtet im Gespräch mit den Kurieren davon, dass er immer wieder anonyme Briefe mit versteckten und verdeckten Bedrohungen erhalte – denen er allerdings keine Beachtung schenke. „Aber das gab es schon immer“, so der 52-Jährige. Seine jüngste „Mega-Erfahrung“ dazu seien die Auseinandersetzungen rund um die Einführung von wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen gewesen. Dabei sei von manchem die Sachebene komplett verlassen worden, jedes Mittel plötzlich „erlaubt“ gewesen. Auch Anfeindungen und Drohungen gegenüber ehrenamtlichen Stadtratsmitgliedern und ihm seien auf der Tagesordnung gestanden, berichtet Neuhoff.

Für den Hachenburger Bürgermeister Klöckner war der Angriff Ende 2018 eine Ausnahmesituation, sagt er den Kurieren. In seinen 31 Dienstjahren habe noch nie so eine Erfahrung machen müssen. Grundsätzlich stellt Klöckner fest, dass die Gewalt gegen Amtsträger – vor allem mit rechtem Hintergrund – zugenommen habe. Zwar will der SPD-Kommunalpolitiker, der am 30. September seinen Ruhestand antritt, Abstand von Verallgemeinerungen nehmen. Doch muss er feststellen, dass Beschimpfungen und Drohungen zugenommen hätten, auch bei nichtigen Anlässen.

Grundsätzlich sei der gesellschaftliche Grundton rauer geworden und Hemmschwellen insgesamt niedriger, beobachtet Klöckners Amtskollege Neuhoff. Dies betreffe nicht nur das Verhalten gegenüber Politikern. Sein Eindruck: Die Menschen seien mittlerweile „dünnhäutiger“, manchmal ruppiger und aggressiver. „Begegnungen auf Augenhöhe werden dadurch schwieriger“, bedauert Neuhoff.

Erwartungshaltung der Bürger hat zugenommen

Auch schon vor der Corona-Pandemie habe es „Gewalt in der Diskussion“ gegeben, ist der Wissener Bürgermeister überzeugt. „Sie wirkt aus meiner Sicht im Hinblick auf ‚verbalen Hass und Hetze‘ gegenüber dem Staat und seinen Repräsentanten manchmal wie ein Brandbeschleuniger“, so Neuhoffs Analyse. Sorge bereitet ihm, dass auch vor Ort das „Denunziantentum“ zunehme – sei es per Brief oder Anzeige, teilweise auch anonym, an die Verwaltung. Die Erwartungshaltung der Bürger habe zugenommen. Zum Beispiel soll das Ordnungsamt auch zunehmend Konflikte im privaten Bereich klären. Damit gehe auch eine sinkende private Konfliktfähigkeit einher.

In dem Zusammenhang sieht Neuhoff auch die „sozialen Netzwerke“ wie Facebook kritisch. Beleidigungen seien dort schneller ausgesprochen als im persönlichen Gespräch. Auch der Hachenburger Bürgermeister sieht grundsätzlich ein Problem in einer Veränderung des Medienkonsumverhaltens: „Die Leute werden mit Infos überfüttert.“ Oft würden nur Überschriften gelesen, was zu vorschnellen und oberflächlichen Urteilen verleite. Die Folge für die Verwaltung: „Wir müssen deutlich mehr in der Breite und Tiefe informieren als vor zehn Jahren, weil wir mit Informationen nicht mehr durchdringen.“

Lage in Gebhardshain und Scheuerfeld offenbar entspannter



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Der Ortsbürgermeister von Gebhardshain, Jürgen Giehl, verfolgt die Aktivitäten auf Facebook erst gar nicht. Allerdings höre er immer wieder mal von dort getätigten Äußerungen. Da er auf Facebook erst gar nicht angemeldet ist, schenkt der 66-Jährige, der seit 2014 im Amt ist, dem dort Geschriebenen wenig Bedeutung. Was die Ergebnisse der Studien angeht, kann Giehl dies für seine Person so nicht bestätigen. Zwar hat der Gebhardshainer auch schon anonyme Drohbriefe erhalten – dem schenke er allerdings wenig Aufmerksamkeit. Ähnlich wie Neuhoff musste Giehl feststellen, dass die Gemeinde und der Ortsbürgermeister heutzutage verstärkt von Bürgern in die Verantwortung gezogen werde für Anliegen, die eigentlich nicht in den Zuständigkeitsbereich fallen. In der Regel verweist er dann an die für das jeweilige Thema zuständigen Ansprechpartner oder Behörden. Und: „Aus persönlichen Streitigkeiten, wie zum Beispiel Nachbarschaftsstreitigkeiten halte ich mich raus, da kann man nur verlieren.“

Für den vergangenen Zeitraum kann der Gebhardshainer keine Verschärfung der Tonlage oder Aggressivität feststellen. „Was ich in Diskussionen und Gesprächen erlebe, will ich mal als ‚normale Entgleisungen‘ bezeichnen“, so Giehl. Ein eher positives Bild zeichnet der Ortsbürgermeister von Scheuerfeld. „Mit den Scheuerfeldern funktioniert es zum großen Teil gut“, so Harald Dohm, der das Amt seit sieben Jahren innehat.

Scheuerfelder Bürgermeister: „Einige Leute hatten Narrenfreiheit“

Manche Bürger seien schon mal ungehalten gewesen, wenn es um Straßenausbaubeiträge ging. Zu Beginn seiner Amtszeit sei Dohm von dem ein oder anderen „eingefleischten Alt-Scheuerfelder“ Gegenwind entgegengeweht. Offenbar war dies aber auch auf einen neuen Stil zurückzuführen, den Dohm etabliert hat. Für den ein oder anderen, der vorher gewisse Freiheiten genossen hätte, seien neue Vorgänge ungewohnt gewesen. Auch heute noch mache Dohm entsprechende Erfahrungen – mit denen er aber umzugehen wisse. „Einige Leute hatten Narrenfreiheit. Da wirst du auch mal als Arschloch auf der Straße betitelt“, erzählt der Ortsbürgermeister von Scheuerfeld. Solche ungehobelten Frechheiten kann er in der Breite allerdings nur noch sporadisch feststellen.

Sogar Positives kann Dohm über das Verhalten während der Corona-Pandemie berichten. Die Bürger hätten Verständnis für die Regeln und Einschränkungen, die beispielsweise auch Einfluss auf Bürgersprechstunden haben, an den Tag gelegt. Ähnliche Erfahrungen machte auch der Hachenburger Verbandsgemeinde-Bürgermeister. So hat die Verwaltung von Klöckner eingeführt, dass Termine online oder telefonisch vergeben werden, was man beibehalten habe. Jetzt erreiche ihn dafür Lob von Bürgerseite. In Einzelfällen sorgten belegte Leitungen zwar für Verärgerung – grundsätzlich zeigten die Bürger aber Verständnis. Mit Anerkennung sieht Klöckner die zahlreichen ehrenamtlichen Initiativen, die sich während der Pandemie gebildet haben.

Peter Klöckner: „Klare Kante zeigen“

Die von den Kurieren befragten Bürgermeister können also auch Positives berichten. Was die Befragten eint, ist die Erkenntnis, dass sie für die Ausübung ihres Amts tatsächlich ein „dickes Fell“ brauchen. So findet es der Gebhardshainer Giehl „völlig normal“, dass man oft unterschiedlicher Meinung ist in der Politik. Gerade die freie Meinungsäußerung und Diskussion sei ja gewünscht. Berno Neuhoff hat die Erfahrung gemacht, dass man als Kommunalpolitiker keine Angst haben dürfe und „mit einem klaren Kurs und konsequentem Handeln immer am weitesten kommt“. Bei Grenzüberschreitungen sei es wichtig, dem Gegenüber deutlich die „rote Karte“ zu zeigen. Von den verschiedenen Verfassungsorganen fordert er Rückhalt. Denn: „Der direkte Kontakt mit den Bürgern ist bei uns unmittelbar und am stärksten.“ Und Peter Klöckner betont, dass er bei entsprechender Bedrohungslage nie kapitulieren würde: „Wenn ich mich für die Politik entscheide, muss ich klare Kante zeigen.“ (KathaBe/ddp)

Dieser Artikel wurde am 1. Juli 2021 zum ersten Mal veröffentlicht.



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