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Politische Turbulenzen vor dem richtungsweisenden Wahljahr
Was bleibt in Erinnerung vom Jahr 2010? Ein Jahresrückblick, der vor allem die politischen Ereignisse im AK-Land noch einmal in den Blick nimmt.
Kreis Altenkirchen/Region. Der Begriff des Wutbürgers ist zum Jahresende hin noch einmal in aller Munde. Ein Wort, das auf die politischen Ereignisse im Jahre 2010 so treffend verweist wie wohl kaum ein anderes. Aufgebrachte Bürger protestierten gegen die Laufzeitverlängerung für deutsche Atomkraftwerke und die Energiepolitik der schwarz-gelben Bundesregierung. Auch in Betzdorf oder Hachenburg brachten Bürger ihren Unmut über die Energiepolitik mit "Montagsspaziergängen" zum Ausdruck. So wurde am 8. November in der Betzdorfer Innenstadt gegen die Laufzeitverlängerung demonstriert, ein breites Aktionsbündnis aus Grünen, SPD, DGB und BUND hatte im Vorfeld dazu aufgerufen.
Bereits im Frühjahr gab es für viele Bürger Anlass, auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren: die Notarztversorgung im Kreis. Etwa 600 Menschen folgten am 6. März dem Aufruf von CDU und FWG und sprachen sich mit ihrer Beteiligung an der Demonstration für den Notarztstandort Wissen aus. Durch die Schließung der Inneren Abteilung und der Intensivstation am Wissener Krankenhaus zum 1. April, waren erhebliche Zweifel an der weiteren Notarztversorgung im Großraum Wissen aufgekommen.
Im Sommer sorgte der desolate Zustand der Landesstraße L 278 von Wissen in Richtung Morsbach nicht nur bei den Verantwortlichen der CDU für reichlich Gesprächsstoff. Die Geschwindigkeit auf dem maroden Teilstück war zeitweise auf 20 Stundenkilometer beschränkt worden, die Sanierung der Strecke ließ auf sich warten. Der CDU-Gemeindeverband Wissen und der Landtagsabgeordnete Dr. Peter Enders appellierten mit Nachdruck an Verkehrsminister Hendrik Hering (SPD), im Sinne der Verkehrssicherheit eine schnelle Lösung für die frustrierten Pendler zu finden. Hering gab schließlich Ende August bekannt, dass die L 278 in einem Stufenplan komplett saniert werde.
Auch die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz im März 2011 warfen bereits ihre Schatten voraus. Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) und seine Herausforderin Julia Klöckner, Spitzenkandidatin der rheinlandpfälzischen CDU, besuchten den Kreis Altenkirchen und machten bereits ihre Standpunkte deutlich. Im November sprach Beck auf dem rheinland-pfälzischen Landkreistag, der nach 22 Jahren seine Hauptversammlung wieder einmal im Kreis Altenkirchen abhielt. Es ging um die Entwicklung der kommunalen Haushalte vor dem Hintergrund von Finanzkrise und Schuldenbremse. Angesichts der Verschuldung der öffentlichen Haushalte sprach sich Beck deutlich gegen weitere Steuersenkungen aus. Klöckner, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, eröffnete unter anderem den 41. Jahrmarkt in Wissen und verwies dabei nicht zuletzt auf die verbesserungswürdige Infrastruktur im Landkreis.
Was war sonst noch los im Kreis? Im Oktober erhitzte der so genannte „Schnitzelkrieg“ die Gemüter. Eine Lehrerin der Christophorus-Grundschule in Betzdorf-Bruche hatte im Februar diesen Jahres Schweine- mit Putenschnitzeln verwechselt und damit für kurzweilige Empörung bei muslimischen Mitbürgern gesorgt, die schnell vergessen war. Doch vor dem Hintergrund der durch Thilo Sarrazin losgetretenen Integrationsdebatte, griff der Privatsender RTL den Fall wieder auf. Schulleiter Alexander Waschow sah sich dem Vorwurf der Hetze ausgesetzt und wandte sich mit einem Brief an die Öffentlichkeit. Alles in allem eine durchaus hässliche Kampagne, die allen Integrationsbemühungen einen Strich durch die Rechnung machte.
Mit Frauenpower gehen die Grünen im Kreis in den bevorstehenden Landtagswahlkampf. Elisabeth Emmert und Anne Neuhof führen seit Mai als Sprecherinnen des Vorstandes die Bündnisgrünen im Kreis an. Horst Vetter, der lang an der Spitze der Grünen stand, hatte nicht mehr kandidiert und wurde zum Beisitzer gewählt. Zudem wurde Neuhof auf einer Kreismitgliederversammlung neben Anne Dahl, Gerd Dittmann und Marion Pfeiffer als Direktkandidatin für die kommende Landtagswahl gewählt. Bei den Sozialdemokraten sorgte hingegen die Wahl zum Kreisvorsitzenden für Furore. Auf der Versammlung in Eichelhardt wurde Andreas Hundhausen (25) mit einer überwältigenden Mehrheit zum jüngsten SPD-Kreisvorsitzenden aller Zeiten gewählt und trat damit die Nachfolge von Dr. Matthias Krell an.
Am Ende eines ereignisreichen Jahres stehen zwei Dinge jedenfalls fest. Unzählige Menschen haben wieder einmal durch ihr großes Engagement in Vereinen und Institutionen das Leben im AK-Land bereichert und liebenswert gemacht. Und das Jahr hört auf, wie es angefangen hat: mit viel Schnee, Glatteis und nur mäßig geräumten Straßen. Politik und Bürger stehen zum Jahreswechsel vor alten und neuen Herausforderungen. Es bleibt viel zu tun, nicht nur im AK-Land. (Thorben Burbach)