Kirchener Tobias Lautwein schockt die US-Boys
Der ehemalige erfolgreiche Radsportler des RSC Betzdorf, Tobias Lautwein, wurde bei den „World Championships of Fitness“ in Leipzig überraschend Weltmeister. Er, der reine Amateur, der Grundschullehrer im Hauptberuf, hatte die Elite aus Europa und auch die Profis aus den USA hinter sich gelassen.
Leipzig/Region. Tobias Lautwein ist im Oberkreis Altenkirchen wahrlich kein Unbekannter. Der mittlerweile 35-jährige gebürtige Herkersdorfer hat schon viele Siege gefeiert. Als Radsportler, als Duathlet, als Extrem-Hindernisläufer, oder als Langstreckenläufer. Die Zielankunft in der Messehalle Leipzig toppte jedoch alles, was der Multisportler jemals in seinem langen Sportlerleben erlebt hat. Unter dem großen Jubel etlicher Zuschauer, die nur nach strikter Überprüfung der „3-G-Regel" Zutritt erhielten, überquerte Tobias Lautwein als Erster die Ziellinie bei der Hyrox-Weltmeisterschaft, riss überwältigt von dem Erfolg die Arme hoch und ließ sich feiern.
Lautwein hatte das geschafft, was er nicht mal zu träumen gewagt hatte: Er, der reine Amateur, der Grundschullehrer im Hauptberuf, hatte die Elite aus Europa und auch die Profis aus den USA hinter sich gelassen und sich völlig überraschend den Titel „Worldchampion of Fitness" sowie das Preisgeld in Höhe von 10.000 US-Dollar erkämpft. „Das ist der Wahnsinn, einfach unglaublich. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet", war Lautwein überwältigt von seiner Leistung.
Der Multisportler Lautwein hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten schon viele sportliche Herausforderungen bestanden: In Kindertagen als Leichtathlet und dann als Fußballer beim VfL Kirchen, anschließend 15 Jahre lang als erfolgreicher Radfahrer des RSC Betzdorf (davon sieben Jahre als A-Klasse-Fahrer), danach als Duathlet im Team des TVE Netphen (2016 und 2017 Deutscher Amateur-Meister) sowie als Langstreckenläufer der SG Wenden und auch als erfolgreicher Extrem-Hindernisläufer im „Obstacle Course Racing" (OCR).
Ob als Fußballer, Radfahrer, Läufer – immer wieder konnte er sich auf seine „Pferdelunge" verlassen. Radsport, Duathlon, Extrem-Hindernis-Rennen, all das ist kein Kindergarten, aber diese Hyrox Worldchampionships, die haben den zweifachen Familienvater und Grundschullehrer, der seinen Ausdauersport im „Nebenberuf" betreibt, aber immer wieder gegen Profis bestehen muss, an seine körperlichen Grenzen gebracht. Hockey-Olympiasieger Moritz Fürste, sportlicher Berater bei Hyrox in Deutschland, der sich vor zweieinhalb Jahren der Fitness-Challenge stellte, wird mit den Worten zitiert: „Im Vergleich zu Hyrox ist alles andere Pussy-Sport." Für Tobias Lautwein, der seit einigen Jahren mit Familie in Wenden-Altenhof lebt, steht fest: „Hyrox hat mich total in seinen Bann gezogen. Das ist genau meine Sportart."
Monatelang hatte er sich im B1 Sports Gym in Wenden und im Benefit Sports Club in Siegen mit gezielten Kraftübungen, dazu mit Dauerläufen und Intervalltraining auf diese sportliche Herausforderung vorbereitet. „Es geht nicht nur um Kraft und Ausdauer. Das richtige Körpergefühl ist entscheidend," so sein Erfolgsgeheimnis. Lautwein hatte einen Platz in den Top-Ten fest eingeplant, auf einen Platz unter den besten Sechs spekuliert und insgeheim – sollte er einen Sahnetag erwischen und die Konkurrenz straucheln – auch ein wenig mit dem Podium geliebäugelt. Auch wenn er als Weltranglistenzweiter nach Leipzig angereist war, der Titel des „Worldchampion of Fitness“ lag für ihn und die ganze Hyrox-Community außerhalb jeder Vorstellungskraft. „Alle hatten auf den starken Hunter gesetzt, ich auch", erklärte Lautwein.
Der 32-jährige Amerikaner Hunter McIntyre, amtierender Weltmeister, Weltrekordhalter in der noch jungen Kraft-Ausdauer-Sportart, Sport-Model, Lebenskünstler, vom US-Magazin „Sports Illustrated“ unter die 50 fittesten Sportler gewählt, ist in den USA ein großer Star und galt bei der WM in Leipzig als unschlagbarer Titelfavorit. Der blonde Hüne, hatte lange überlegt, ob er zu den World Championships Germany überhaupt anreisen sollte, war dem Muskelpaket aus Malibu der Sport doch zuletzt nach seinen vielen Siegen etwas langweilig geworden. Doch für den Hyrox-Vollprofi sollte der Wettkampf in Leipzig eine besondere Überraschung werden.
Am Vortag der WM hatte Tobias Lautwein schon gespürt, dass er in Topform ist. „Ich bin zur Vorbelastung 30 Minuten bei Gluthitze durch die Straßen von Leipzig gerannt. Da fühlte ich mich schon mega und die Beine waren top." Kurz vor dem Start am Samstag schoss dann doch die Nervosität und eine Menge Adrenalin in seine Knochen, „aber das muss so sein vor einem großen Wettkampf", weiß der langjährige Leistungssportler. Ein Dämpfer kam für ihn dann aber schon nach 300 Metern. „Da hat mich die erste Frau überholt. Da hab ich kurz gedacht, Scheiße, das fängt ja hier gut an."
Doch danach lief für den 35-Jährigen alles genau nach Plan: 1.000 Meter Laufen, dann der Ski-Ergometer, danach wieder die 1.000 Meter, dann das Schlittenschieben mit 205 Kilo Gewicht. Zu diesem Zeitpunkt lag der US-Boy Hunter noch in Führung. Das änderte sich dann nach der dritten Disziplin, jetzt kam das Rennen in die heiße Phase. Für die Zuschauer wurde der Wettkampf besonders spannend, denn Tobias Lautwein und Hunter McIntyre absolvierten ihre fünf Workouts auf den Bahnen direkt nebeneinander, es war ein hautnaher Direktvergleich. „Nach dem Schlittenziehen bin ich dann zusammen mit Hunter raus. Auf den nächsten 1.000 Meter Laufen hab ich mich dann mal umgedreht und mich gewundert, wo er bleibt."
Lautwein hatte überraschend die Führung übernommen und beim sechsten von insgesamt acht Workouts, kommentierte der Moderator im Youtube-Livestream: „Tobias is in the first and he looks very fresh" – „Lautwein ist immer noch in Führung und er sieht sehr frisch aus". Als Lautwein dann bei den „Wall Balls", bei dem ein 9-Kilo-Ball an ein Kontaktbrett geworfen werden muss – hier hatte ihm Hunter McIntyre im letzten Wettkampf über eine Minute abgenommen –, fünf Mal nicht getroffen hatte, musste er nochmal kurz um den Sieg zittern. Doch der Hunter hatte die Jagd längst aufgegeben und wurde nur WM-Vierter – Tobias Lautwein stürmte aber als gefeierter Sieger ins Ziel. Tobias Lautwein, der vergleichsweise schmalbrüstige Sportler, der Junge aus Herkersdorf, hatte den Muskelmann Hunter McIntyre, den Jäger, den schier Übermächtigen, überraschend vom Thron gestoßen.
Was folgte war eine lange Siegerparty in Leipzig mit der ganzen „HYROX-Familie" bis weit nach Mitternacht. Die Drei-Liter-Pulle Bier vom Sponsor die schenkte Lautwein („...ich trinke ja gar keinen Alkohol") Hunter McIntyre, der immer noch sein großes Vorbild ist. Der Amerikaner, der immer schon von Lautweins „Pferdelunge" begeistert war, revanchierte sich mit einer Einladung in sein Haus nach Malibu und einer kleinen Pferdefigur von Schleich mit den Worten: „I love you! You are the fastest Horse in the world!" (Frank Steinseifer)
Blick in die Siegerliste:
Elite Männer: 1. Tobias Lautwein (Deutschland/Wenden-Altenhof) 1:00:00 Std.; 2. Alexander Roncevic (Österreich) 1:01:04; 3. Tiago Lousa (Polen) 1:01:28.
Elite Frauen: ...11. Petra Henkel (Deutschland/Niederschelden) 1:18:43.
Frauen AK W35-39: ...2. Daniela Esch (Deutschland/Siegen) 1:14:03.
HYROX-Challenge: Acht harte Workouts – dazwischen 1000 Meter Laufen
HYROX ist eine Kraft-Ausdauer-Fitness-Challenge, die als wettkampforientierte Event- und Fitness-Sportart 2017 in Hamburg „erfunden" wurde. Hyrox ist ein Indoor-Wettbewerb, der in Deutschland, Österreich und den USA in großen Hallen ausgetragen wird.
Erfinder und Initiatoren der neuen Fitness-Sportart sind der Hamburger Unternehmer Christian Toetzke, der auch das Radsportevent Cyclassics Hamburg und den Hamburg Triathlon ins Leben gerufen hat, sowie als Berater der zweifache Olympia-Goldmedaillengewinner im Hockey, Moritz Fürste.
Acht harte Workouts gehören zu dem Wettkampf, der ein funktionelles Krafttraining, hochintensives Intervalltraining und den klassischen Ausdauersport miteinander kombiniert. Die Teilnehmer müssen insgesamt acht Mal 1000 Meter laufen, nach jedem Laufabschnitt folgt ein hartes Workout in folgender Reihenfolge:
„Ski Erg" – Ziehen am Ski-Ergometer mit einer Distanz von 1000 Metern.
„Sled Push" – Schlitten-Schieben mit Gewicht über 4 x 12,5 Meter – in der Eliteklasse beträgt das Gesamtgewicht 205 kg.
„Sled Pull" – Schlitten-Ziehen mit einem Tau mit Gewicht über 4 x 12,5 Meter – in der Eliteklasse beträgt das Gesamtgewicht 155 kg.
„Burpee Broad Jump" – Liegestützsprung mit anschließendem Weitsprung über eine Strecke von 80 Metern.
„Rowing" – Rudern am Ergometer über eine Strecke von 1000 Metern.
„Farmer's Carry" – zwei Gewichte (Kettlebells) mit je 32 kg müssen 200 Meter weit getragen werden.
„Sandbag-Lunges" – Ausfallschritte mit einem 30 kg schweren Sandsack auf der Schulter über eine Distanz von 100 Metern.
„Wall Balls" – ein 9 Kilogramm schwerer Ball muss 100 Mal an ein Kontaktschild in drei Metern Höhe geworfen werden.
Freizeit- und Profisportler können an den immer gleichen Disziplinen teilnehmen und dank eines standardisierten Wettkampfs sind ihre Leistungen messbar und weltweit vergleichbar.
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