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Nachricht vom 02.11.2021    

AWB berichtet: Aufarbeitung der Greensill-Bank-Pleite schleppt sich hin

Die Pleite der Greensill-Bank bleibt ein Dauerbrenner - sowohl bei denjenigen, die aufzuklären versuchen, warum die Insolvenz von heute auf morgen die Finanzwelt erschütterte als auch bei denjenigen, die ihr dem Geldhaus anvertrautes Geld möglicherweise nicht mehr wiedersehen werden - wie es auch dem Abfallwirtschaftsbetrieb des Kreises Altenkirchen widerfahren könnte.

Die Greensill-Bank hat mit ihrer Pleite in einigen Kommunen große Sorgen heraufbeschworen. Darunter befindet sich auch der AWB des Kreises Altenkirchen. (Foto: Archiv AK-Kurier)

Altenkirchen. Rund acht Monate nach der Insolvenz der Bremer Greensill-Bank AG ist weiterhin kein Licht am Ende des Tunnels, in dem sich die Aufklärung bewegt, erkennbar. „Auf einen Marathonlauf bezogen, sind rund drei Kilometer absolviert“, zitierte Gerd Dittmann, dritter Kreisbeigeordneter und für den Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) des Kreises Altenkirchen zuständig, Insolvenzverwalter Dr. Michael Frege zum aktuellen Stand des Prozesses, an dessen Ende die Gläubiger hoffen, ihr Geld, das sie bei Greensill angelegt hatten, wiederzusehen - auch wenn es nur Teilbeträge sein könnten. Im schlimmsten Fall ist gar alles futsch. Und bekanntlich beträgt die Streckenlänge eines Marathons 42,195 Kilometer... Der AWB gehe, so Dittmann in einem Gespräch am Dienstagnachmittag (2. November), bis zum Beweis des Gegenteils vom „worst case“, nämlich dem Totalverlust von 3,6 Millionen Euro, aus.

Kommunale Interessengemeinschaft
Unter der Führung der Stadt Monheim haben sich rund 20 Kommunen zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, um ihr Vorgehen zu koordinieren und ihren Ansprüchen mehr Macht zu verleihen. Allein Monheim hatte 38 Millionen Euro bei Greensill mit der Hoffnung deponiert, wenigstens einen geringen Zinserlös zu erzielen. Fakt ist: Das Verfahren gestalte sich kompliziert. So spiele, wie Dittmann herausstellte, auch ausländisches Recht wie englisches, australisches oder US-amerikanisches in die Aufarbeitung hinein, ergäben sich womöglich Regressansprüche gegen den Finanzvermittler, gegen den Prüfungsverband der Banken, gegen die Ratingagentur oder gegen Vorstände und Aufsichtsräte von Greensill. Auch das Verhalten des Prüfers des Abschlussberichtes der Bank für das Jahr 2019, der im Oktober 2020 offiziell und im August 2021 „einkassiert“ wurde, mache stutzig, erklärte Dittmann, „dass ein Testat zurückgezogen wurde, ist mir noch nie begegnet.“ Die Rolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) versah er gleichwohl mit einem Fragezeichen, aber eine rechtliche Prüfung sei vom Gesetz her ausgeschlossen. Dittmann berichtete, dass der Insolvenzverwalter mitgeteilt habe, dass teils immer noch Originalunterlagen fehlten.

„Opfer und Betrogene“
„Wir sind Opfer und Betrogene“; betonte Dittmann erneut, „wir können es aber nicht ungeschehen machen.“ Die Geldanlagen des AWB seien immer nach der hauseigenen Dienstanweisung, die im Jahr 2006 in Kraft trat, getätigt worden. Er räumte ein, dass nach der Änderung der Einlagensicherung im Jahr 2017 (Wegfall für kommunale Anlagen) „reagiert hätte werden können“. Derzeit fließen indes immer noch Zinserträge pünktlich zu Greensill zurück - aus Anlagen, die die Bremer getätigt hatten - im achtstelligen Bereich und das „das hoffentlich so bleibt“, wie Dittmann meinte. Ein wenig Hoffnung mache, dass viele Vermögenswerte rund um den Globus identifiziert worden seien. Waren zunächst rund 20 bis 30 Rechtsanwälte mit der Insolvenzarbeit befasst, seien es nunmehr 50 Teams auf mehreren Kontinenten. Dass der AWB in den vergangenen Jahrzehnten immer gut mit Geldanlagen gefahren sei, machte Dittmann parallel deutlich: „Zwischen 1997 und 2020 wurden mehr an Zinsen verbucht als der aktuelle Verlust beträgt.“

Kunden kommen nicht für Verlust auf
Zum wiederholten Mal stellte Dittmann klar, dass die Kunden des AWB nicht zur Kasse gebeten würden, um das Defizit auszugleichen. Vor solch einen Schritt sei ein gesetzlicher Riegel geschoben. Im Kreishaus sind inzwischen die ersten Weichen gestellt worden, um die Entscheidung, Geld anzulegen, auf breitere Füße zu stellen und nicht mehr allein die Werkleitung des AWB auf Anraten eines Finanzdienstleisters damit zu betrauen, wie in den zurückliegenden 15 Jahren geregelt war. Das finale Wort hat alsbald der Kreisvorstand (Landrat und die drei Beigeordneten), der mit dem Prozedere befasst sein wird. Der AWB hatte sich als Anlageform jeweils für Termingeld (einmal 2 Millionen Euro und einmal 1,6 Millionen Euro) mit einem Zinssatz von jeweils 0,5 Prozent und mit einer Laufzeit von jeweils zwei Jahren bei Greensill entschieden. Die Forderungsanmeldung über die Summe plus Zinsen in Höhe von 6147,22 Euro (ein Zinsanspruch besteht bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens) erfolgte am 29. April bei der Kanzlei des Insolvenzverwalters.



Sporadische Geschäftsbeziehungen
Der Deal des AWB war über einen Finanzmakler abgewickelt worden, mit dem seit rund 20 Jahren geschäftliche Kontakte gepflegt werden (worden waren). Das Geld hätte im Dezember 2021 und im September 2022 wieder zur Verfügung gestanden und gehörte der Rücklage an. Mit Greensill befand sich der AWB seit dem Jahr 2015 in sporadischen Geschäftsbeziehungen. Die in Rede stehenden 3,6 Millionen Euro sind/waren für die Nachbehandlung der Deponie in Nauroth mit dem Schwerpunkt Oberflächenabdichtung vorgesehen. Aktuell hat der AWB noch 5 Millionen Euro als Termingeld bei der Mercedes-Bank bis zum Oktober nächsten Jahres angelegt (Rating A-). Eine vorzeitige Kündigung/Auflösung des Vertrages lehnte das Kreditinstitut ab. 11 Millionen Euro befinden sich auf dem AWB-Girokonto. 5 Millionen Euro benötigt er jährlich für die Abwicklung des operativen Geschäfts. Die Maßnahmen am Müllendlager werden in den nächsten drei bis vier Jahren rund 10 Millionen Euro kosten.

Am 3. März begann der Schlamassel
Die BaFin hatte am 3. März ein so genanntes Moratorium über die Greensill Bank angeordnet - mit der Folge, dass weder Zahlungen entgegengenommen noch getätigt werden durften. Gleichzeitig wurde ein BaFin-Sonderbeauftragter bei der Bank eingesetzt. Am 16. März wurde auf Antrag der BaFin durch das Amtsgericht Bremen über das Vermögen der Greensill Bank AG das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Wirtschaftszeitung Capital veröffentlichte eine Rangliste deutscher Städte, die Greensill deutlich mehr Geld anvertraut hatten als der heimische AWB (Angaben in Millionen Euro): Monheim (Rhein) 38, Eschborn 35 und Wiesbaden 20 lagen ganz vorne.

Zweckverband: Geld zurück plus Zinsen
Mehrere Städte werfen der Finanzaufsicht vor, zu spät über die Probleme bei Greensill informiert zu haben. Der BaFin zufolge seien die Stadtkämmerer in der Fachpresse mehrfach darauf hingewiesen worden, dass das Geld von Kommunen nicht mehr geschützt sei, es keine Einlagensicherung bei Privatbanken seit dem 1. Oktober 2017 gebe. Der Zweckverband Siegerland-Flughafen hingegen war am 30. März erfreut gewesen. Er hatte seine Geldanlage plus Zinsen in Höhe von 5,5 Millionen Euro, ebenfalls Greensill überlassen, dank Einlagensicherungsfonds zurückerhalten. (vh)


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