Stadt Altenkirchen wird Grabstätte der Familie von Pfarrer Maas übernehmen
Er war lange Zeit in Vergessenheit geraten, dieser Teil der Altenkirchener Stadtgeschichte. Vor allem durch die intensive Recherche von Schulpfarrer Martin Autschbach rückte die Lebens- und Leidensgeschichte des evangelischen Seelsorgers Theodor Maas wieder vermehrt ins öffentliche Bewusstsein.
Altenkirchen. Diese Grabstätte auf dem Altenkirchener Waldfriedhof ist eher unscheinbar. Abseits des Hauptweges und nur wenige Schritte von Butschbachs Engel entfernt, erinnert sie an den evangelischen Pfarrer Theodor Maas und dessen Familie, der von 1921 bis 1943 in der Kreisstadt wirkte. Die Umstände seines Todes - möglicherweise als Folge eines von Nationalsozialisten inszenierten Unfalls mit einem Lastwagen - blieben viele Jahre nach Kriegsende im Unklaren, ehe die Recherche von Pfarrer Martin Autschbach, Schulreferent in den evangelischen Kirchenkreisen Altenkirchen und Wied, immer mehr Licht in die Vorgänge um das Ableben von Maas brachte und die Nachforschung eindrucksvoll untermauerte, dass der beliebte Seelsorger ein kategorischer Gegner des NS-Regimes war. Vor diesem Hintergrund wird die Stadt Altenkirchen die Ruhestätte von Maas in ihr Eigentum übernehmen, wie der Umwelt- und Bauausschuss in seiner Sitzung am späten Donnerstagnachmittag (11. November) einstimmig befürwortete. Final muss der Stadtrat in seiner Zusammenkunft kurz vor Weihnachten noch seinen Segen zu diesem Schritt geben. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass die Erinnerung an den unerschrockenen Geistlichen und seine Familie auf einer noch breiteren Basis verankert wird, wie es bereits mit einer Gedenktafel an der Christuskirche, der Umbenennung des Altenkirchener evangelischen Gemeindezentrums in Theodor-Maas-Haus als auch mit der Auslobung des Pfarrer-Theodor-Maas-Preises für herausragende Leistungen von heimischen Schülern im Fach evangelische Religion begonnen wurde.
Baustein des Gedenkens
„Das Thema bewegt die Stadt schon lange: Wie gehen wir mit der jüdischen Vergangenheit um?“, sagte Stadtbürgermeister Matthias Gibhardt. Die Übernahme der Grabstelle sei ein Baustein des Gedenkens und der Beschäftigung mit der Familie Maas. Der Enkel von Theodor Maas, ebenfalls mit Namen Theodor Maas, der für die Grabstätte noch zahle, habe der Stadt mitgeteilt, dass im Jahr 2023 die Bindung auslaufe, und gleichzeitig angefragt, ob die Stadt die Ruhestätte übernehmen wolle. „So bleibt ein Ort des Gedenkens und des Bekennens erhalten“, ergänzte Gibhardt. „Der Familie ist großes Unrecht zugefügt worden“, erklärte Daniela Hillmer-Spahr (SPD), es sei kein Problem für die Stadt, die Grabstätte als Ehrengrabstelle zu widmen. Kristianna Becker (CDU) meinte, dass Theodor Maas dem Grauen der NS-Zeit eine Gesicht gebe. Den Vorschlag von Hillmer-Spahr, dass Schulklassen die Pflege des kleinen Areals mit den Maßen von drei mal drei Meter übernehmen könnten, begrüßte sie wie auch Doris John (CDU), die zudem anmerkte, dass „Zeitzeugen aussterben. Alles was man sieht, das ist was“ fügte sie an. „Die Arbeit Autschbachs hat unwahrscheinlich viel Material ergeben. Dazu kommen noch O-Töne ehemaliger Konfirmanden“, berichtete Claudia Leibrock (Bündnisgrüne). Dass nach wie vor ein Informationsbedarf existiere, verdeutlichte Achim Gelhaar (FWG): „Wir haben in unserer Schulzeit nichts über das Thema gehört.“
In Breslau geboren
Maas, am 19. August 1882 in Breslau geboren, war als sogenannter „Halbjude“ zahlreichen Angriffen in der NS-Zeit ausgesetzt. Seine Pfarrtätigkeit begann er laut Wikipedia nach Abschluss des Studiums der evangelischen Theologie 1909 in Hünxe, ehe er nach Grevenbroich wechselte. Während dieser Zeit heiratete er Babette Kolb aus Viersen. Das Paar hatte zwei Söhne: Theodor (geboren 1912) und Hans (geboren 1913). Im Jahr 1921 wählte die evangelische Kirchengemeinde Altenkirchen ihn zum Seelsorger für ihren Westbezirk. Die Pfarrersfamilie war beliebt; Maas absolvierte viele Hausbesuche in der Stadt und den umliegenden Dörfern, die er zu Fuß erledigte. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 brach für den Theologen und dessen allernächste Verwandtschaft eine immer schwerer werdende Leidenszeit an. Maas durchschaute frühzeitig das Wesen des Nationalsozialismus und bezog öffentlich dagegen Stellung.
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Systematisch schikaniert
Als „Mischling ersten Grades“ wurde Maas zunehmend und schließlich systematisch von den örtlichen Instanzen der NSDAP als auch von den Verwaltungsorganen der Stadt schikaniert, wie es Wikipedia beschreibt. Nachstellungen, Demütigungen und Verfolgungen aus „rassischen“ Gründen nahmen nach den Novemberpogromen 1938 noch zu. Babette Maas wurde nahegelegt, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen. Nachts wurde er angerufen und zu einem Sterbenden in ein Dorf beordert, als er zu Fuß dort ankam, stellte es sich heraus, dass es wieder einmal Schikane war. Auf seinen Wegen durch die Gemeinde wurde er mit Steinen beworfen und beschimpft. Im Pfarrhaus wurden Fenster eingeworfen, einmal sogar ein Brand gelegt, der sein Arbeitszimmer verwüstete.
Unfall mit Lkw am Abend
Auf dem Rückweg von einem abendlichen Hausbesuch, für den es keinen Grund gab, wie sich später herausstellte, wurde Maas am 2. März 1943 an der Kreuzung Kump-/Kölner Straße von einem Lastwagen (hatten SA-Leute am Steuer gesessen?) angefahren und so schwer verletzt, dass er am folgenden Morgen im Pfarrhaus starb. Er war nicht ins nahe gelegene Krankenhaus gebracht worden. Die wahren Umstände wurden verschleiert; als Todesursache attestierte die „offizielle“ Seite „Schlaganfälle“. Dass diese wohl Folgen eines Schädelbasisbruchs waren, blieb, so Wikipedia, unerwähnt. Maas wurde am 7. März 1943 mit einem für Altenkirchen beispiellos großen Geleit zu Grabe getragen. Die Trauerfeier fand in der überfüllten Kirche statt, in der Maas nach seinem Tod aufgebahrt worden war. Sie wurde durch Einwerfen der Fensterscheiben gestört, und die Menschen im Trauerzug wurden mit Steinen traktiert. Viele Gemeindeglieder waren über den plötzlichen Tod ihres Pfarrers tief erschüttert und erwiesen ihm durch die große Beteiligung bei der Beerdigung – allen Drohungen des NS-Regimes zum Trotz – die letzte Ehre. Auch viele katholische Christen hatten sich dem Trauerzug angeschlossen. So richtig ins Bewusstsein gerückt war die Lebensgeschichte von Maas wieder Mitte der 1980er-Jahre, als die Grabstätte auf dem Waldfriedhof geräumt werden sollte, sie schließlich aus geschichtlichen Gründen und aus öffentlichem Interesse bestehen blieb. (vh)
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