Buchtipp: „Der achte Rabe“ von Marion Henneberg
Von Helmi Tischler-Venter
Der erste Kriminalroman der Autorin ist packend, voller Dramatik und Überraschungen. Eine scheinbar heile Familie zerbricht, weil zu Vieles unerträglich ungesagt blieb. Das ist die eigentliche Schuld der Protagonistin, die von ihren Schuldgefühlen offensichtlich niedergedrückt wird.
Dierdorf/Karlsruhe. Der Prolog begleitet einen jungen Mann beim Sterben. Es ist ein gewaltsamer Tod. Hauptkommissar Körschner und seine Kollegin Beate Friesing müssen die Identität des Mannes feststellen, der an einem Sonntagmorgen in einem Waldstück erschlagen aufgefunden wurde. Statt Ausweis und Handy trägt der Tote nur einen Zettel mit einer Zeichnung in der Tasche. Sie zeigt einen großen schwarzen Raben, der auf einen deutlich kleineren Mann wartet.
Ein Kollege des Drogendezernats erkennt den Toten, Falko Thalinger, als Sohn eines Staatsanwalts. Die Mutter Alexandra, die immer nur von „meinem Sohn“ spricht, erleidet bei der Todesnachricht einen schweren Schock. Seit fünf Jahren ist ihr geliebter Falko verschwunden, ohne Kontakt zu den Eltern und Schwester Carolin. Seine letzte Nachricht lautete: „Sucht nicht nach mir!“ Die Mutter wollte trotzdem nach ihm suchen, daher beauftragte ihr Mann einen Privatdetektiv. Ohne Erfolg. Zur Leiche sagt die Mutter: „Verzeih mir bitte!“
Falkos Lieblingsmärchen war „Die sieben Raben“. Dieses Buch taucht in der gemeinsamen Wohnung von Falko und Mirko Steiner auf. Und ein Foto von einer hübschen jungen Frau, die Falko als die Liebe seines Lebens bezeichnet hatte, als sie bereits tot war. Steiner erinnert sich an den Namen Katharina. Mit diesen wenigen Angaben recherchieren die Kommissare im Umfeld des Toten. Klar ist, dass die Schwester ihren Bruder nicht leiden konnte und Vater und Sohn immerzu Streit hatten, aber die Familienmitglieder haben allesamt Alibis für die Tatzeit.
Halt und Hilfe findet die erschütterte Mutter bei ihrer Freundin und Arbeitgeberin Judith Felsmann. Mit ihrer Hilfe will sie gegen den Willen ihres Mannes Falkos letzte Jahre rekonstruieren. Sie lernt, dass ihr Sohn noch ein ganzes Jahr lang in ihrer Nähe gelebt hatte, bevor er nach Berlin zog zu Mirko. Falko hatte seinem Mitbewohner, bevor er in seine Heimatstadt Stuttgart fuhr, einen dicken Brief übergeben mit der Maßgabe, diesen abzuschicken, sollte ihm etwas zustoßen, mit den Worten: „Ich muss eine alte Sache in Ordnung zu bringen. Sonst werde ich nie meinen Frieden finden.“ Auch Falkos Tagebuch befindet sich in Mirkos Besitz. Beides übergibt Mirko der Mutter statt der Polizei.
Diese sucht nach unzufriedenen Kunden des Künstlers und anderen Menschen, die Groll gegen ihn gehabt haben könnten. Und nach Falkos Unterkunft in Stuttgart. Dabei tauchen immer mehr Kontaktpersonen auf, jedoch keine konkrete Spur zum Mörder. Beate Friesing verfolgt das Gefühl, etwas übersehen zu haben.
Bei ihrer eigenen Suche nach dem Mörder ihres geliebten Sohnes muss Alexandra feststellen, dass entweder ihr Mann oder ihre Tochter sie beklaut hat. Eine wichtige Seite ihrer Unterlagen ist verschwunden. Ihre Recherche-Erkenntnisse sind erschütternd. Sie weiß nicht, wem sie noch vertrauen kann.
Die Wirkung des Ungesagten in der Familie weitet sich aus wie ein gasgefüllter Ballon, bis ihn der Überdruck zu einer gewaltigen Explosion bringt.
Der spannende Stuttgart-Krimi ist als Taschenbuch erschienen im Lauinger-Verlag, ISBN 9-783765-088148. (htv)
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