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Nachricht vom 16.11.2021    

Lesung der Tibet-Freunde Westerwald in Betzdorf gab China-Kritiker eine Stimme

Die Tibet-Freunde Westerwald hatten diesen Termin nicht zufällig gewählt. Für eine Lesung hatten sie anlässlich des „Writers in Prison Day“ eingeladen. Die Besucher wurden in den Bann gezogen von den Beschreibungen aus „Für Freiheit bereue ich nichts“ von Shokjang. Dabei handelt es sich nicht um ein gewöhnliches Buch.

Sabine Bätzing-Lichenthäler sprang als Leserin ein. Unter den Gästen war auch der Beigeordnete der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain, Christian Greb. Zugeschaltet aus Berlin war die Geschäftsführerin der Tibet-Initiative Deutschland, Tenzyn Zöchbauer. (Fotos: ma)

Betzdorf. Er ist die authentische Stimme Tibets, der 1986 geborene Schriftsteller und Blogger Shokjang, Sohn einer einfachen Nomadenfamilie. Auf Einladung der 2008 gegründeten Vereinigung der Tibet-Freunde Westerwald, die mit einer Delegation ebenfalls bei dieser Lesung anwesend waren, war geplant, dass die Schriftstellerin Sonja Roos („Der Windhof“) aus dem Buch von Shokjang im Ratssaal der Verbandsgemeinde Betzdorf vorlesen solle. Da machte die Bahn allerdings einen Strich durch die Rechnung. Der Zug, mit dem Roos ankommen sollte, hatte eine zweistündige Verspätung. Die Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Sabine Bätzing-Lichtenthäler sprang ein und übernahm den Part von Sonja Roos.

Der Beigeordnete der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain, Christian Greb, begrüßte ebenfalls die leider nur wenigen Anwesenden, darunter den ehemaligen Bürgermeister von Hachenburg, Peter Klöckner, im Herzstück des Rathauses: „Das ist ein schöner Rahmen für die Freiheit der Wörter und wir sind gerne bereit der Veranstaltung einen Rahmen zu geben.“ Viele Menschen hätten Anfang des Jahres gemerkt, was Einschränkung der Freiheit bedeutet.

Die Veranstaltung fand anlässlich des „Writers in Prison Day“ statt, dem internationalen Gedenktag, der auf die Situation inhaftierter und verfolgter Autoren aufmerksam macht. Das Buch „Für Freiheit bereue ich nichts“ ist kein gewöhnliches Buch, sondern ein Ausrufezeichen an die Welt, ein mutiges Bekenntnis zu Demokratie und Freiheit. Trotz der staatlichen Repressionen äußert Shokjang seine Gedanken unzensiert. Die Texte beschreiben die Unterdrückung und den Alltag in Tibet unter der chinesischen Besatzung. Das Buch enthält sowohl Essays, Blogposts als auch Gedichte, die von den Tibet-Freunden Deutschland zusammengetragen und publiziert worden sind. „Mit diesem Buch liegt uns ein Schatz vor, weil darin über die Realität in Tibet berichtet wir, damit ist es gelungen, Shokjang eine Stimme zu geben“, so Sabine Bätzing-Lichenthäler.

Zugeschaltet aus Berlin war in einer Videokonferenz die Geschäftsführerin der Tibet-Initiative Deutschland, Tenzyn Zöchbauer, die ebenfalls kurz über das Land und dessen politische Misere berichtete. Shokjang sei ein mutiger Künstler, der es gewagt habe, sich zu wehren und einen wichtigen Beitrag für die Identität Tibets geleistet habe.

Kurz vor den olympischen Spielen 2008 in Peking seien viele Menschen an sie herangetreten: „Kann das denn sein, thematisiert denn niemand die Verletzung der Menschenrechte in Tibet?“, so Bätzing-Lichtenthäler. Die Vergabe des IOC stünde doch in keiner Weise mit dem olympischen Gedanken in Zusammenhang, was sich dann daran zeigte, dass während der Spiele Nichtregierungsorganisationen über neue Menschenrechtsverletzungen durch die chinesischen Behörden berichteten. Am 10. März 2008 hatten tibetische Mönche mit einem friedlichen Protestzug in Lhasa an einen Aufstand der Tibeter gegen die chinesischen Besatzer vor 49 Jahren erinnert. Der Aufstand wurde damals blutig niedergeschlagen, der Dalai Lama musste nach Indien flüchten. Es kam zu Aufständen in umliegenden Provinzen. Über die genaue Anzahl der Opfer herrscht bislang Unklarheit. Nach offiziellen chinesischen Angaben kamen bisher zehn Menschen ums Leben. Tibetischen Angaben zufolge soll es hingegen mehr als 80 Tote gegeben haben.

Tibet erscheint in der öffentlichen Wahrnehmung zumeist im Zusammenhang mit der tiefen Spiritualität seiner Menschen oder als politisches Thema in Verbindung mit der seit 1950 bestehenden, chinesischen Herrschaft über diese Region auf dem „Dach der Welt“. Wenig wird hingegen über das Berufsleben und die Bildung und Ausbildung der Menschen berichtet. So war auch die Berufsbildung in Tibet bisher kaum ein Thema. Bis heute gibt es zum Beispiel in ganz Tibet noch keine Einrichtung zur systematischen Ausbildung von Lehrern an beruflichen Bildungseinrichtungen. Die Zukunftsgestaltung der beruflichen Bildung in Tibet vollzieht sich vor dem Hintergrund schwieriger Rahmenbedingungen und politischer Machtinteressen. Ganz besonders fürchtet sich die chinesische Regierung vor Schriftstellern und Intellektuellen, die gegen die Zensur anschreiben. „Langfristig gesehen ist die Macht des Stiftes um ein Vielfaches stärker als Gewalt und Willkürherrschaft“, sagt Golog Jigme, selbst ehemaliger politischer Gefangener und Freund von Shokjang, der heute in der Schweiz lebt.



Shokjang schaffte es allen Widrigkeiten zum Trotz die Universität zu besuchen, in der er tibetische Literatur studierte. „Das Schreiben ist das Karma, das mir die Götter oder wer weiß ich auferlegt haben, und wenn es um mein geliebtes Leben ginge, ich würde es nicht aufgeben!" In seinen Schriften macht er sich auf die Suche nach Selbstbestimmung und Freiheit und verkörpert damit das Manifest einer neuen Generation, die seit den historischen Aufständen in Tibet 2008 versucht sich über das autoritäre Regime zu erheben. In den letzten Jahren ist es lediglich fünf Tibetern gelungen, aus dem Land zu flüchten. 150 Tibeterinnen und Tibeter haben sich selbst verbrannt. Es gibt keine Religionsfreiheit. Kulturelle und soziale Freiheit sind beschnitten. Viele Menschen verschwinden und tauchen nie mehr auf.

Der Schriftsteller und Blogger, dessen Künstlername „Shokjang“ Morgengrün bedeutet, heißt normalerweise Druklo. Seit 2010 wurde er mehrfach für seine kritische Auseinandersetzung an der chinesischen Tibet-Politik inhaftiert, durfte anschließend sein Studium nicht beenden. Immer wieder machte er in seinen Schriften und auf Social-Media-Kanälen auf die Menschenrechtsverletzungen in Tibet aufmerksam, hat den Mut, seine Gedanken zu äußern und versucht gemeinsam mit der neuen Generation von Tibetern, das Land in eine selbstbestimmte Zukunft zu führen. Gemeinsam mit einem Freund gründete er ein Café, in dem Intellektuelle zusammenkommen.

Sabine Bätzing-Lichtenthäler las abschließend „Notizen zur Freiheit“, in denen der Schriftsteller schreibt: „Es gibt eine bedingte und eine bedingungslose Freiheit. Je stärker die Hoffnung, desto größer die Enttäuschung. Die Meinungsfreiheit ist Anfang und Ende aller Freiheit. Unter einem autoritären Regime ist sie nichts weiter als ein toter Begriff und der Kampf um die Meinungsfreiheit betrifft nicht nur die Regierung, sondern unsere Gesellschaft.“

2015 wurde er drei Jahre lang wegen „Anstiftung zum Separatismus“ inhaftiert. Im April 2018 wurde er aus der Haft entlassen, bis heute ist keine weitere Nachricht von oder über ihn an die Öffentlichkeit gekommen. In Tibet werden politische Gefangene verfolgt und stehen unter strenger polizeilicher Beobachtung. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden auch seine Frau und sein Sohn unter Druck gesetzt und bedroht.
2022 gibt es wieder die olympischen Spiele, wieder in Peking. (ma)

Nächste Zusammenkunft:
Die Tibet Freunde treffen sich in Präsenz am 27. November im Café Hehl in Altenkirchen und freuen sich über weitere Teilnehmer, die mit ihnen das Ziel verfolgen, auf die Situation in Tibet aufmerksam zu machen.


Mehr dazu:   Veranstaltungsrückblicke  
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