Landtagskandidaten auf den Zahn gefühlt
In einer Fragerunde bei der "Neuen Arbeit" in Altenkirchen stellten sich die Landtagskandidaten der einzelnen Parteien den vielen Fragen, die die Jugendlichen zu den unterschiedlichsten Politikfeldern äußerten. Geschäftsführer Bernd Schuscheng moderierte die Diskussion und machte deutlich, wo die Politik bei der Berufsintegration junger Arbeitsloser helfen kann.
Altenkirchen. Die Landtagskandidaten von der Linken, den Grünen, SPD, CDU und der FDP wurden bei der "Neuen Arbeit" in Altenkirchen mit einer Reihe von Fragen konfrontiert, die von der Arbeits- und Sozialpolitik bis hin zum Straßenbau im Kreis Altenkirchen reichte. Es war eine vielseitige Diskussion, bei der sich die etwa 60 Teilnehmer nicht scheuten, aktuelle Probleme der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik zur Sprache zu bringen und den Politikern ihre persönlichen Probleme zu schildern. Bernd Schuscheng, Geschäftsführer der "Neuen Arbeit", moderierte die Diskussionsrunde. Er hatte mit den Teilnehmern im Vorfeld Fragebögen erarbeitet, die an die Kandidaten übergeben wurden. Die Fragerunde, die erstmals in dieser Form durchgeführt wurde, sehe er als Möglichkeit der politischen Bildung, sagte Schuscheng, der einleitend noch einmal auf das hohe Gut der Demokratie verwies. In den Nachrichten könne man derzeit verfolgen, dass anderorts dafür gekämpft werden müsse, überhaupt wählen zu können.
In der Fragerunde standen die Landtagskandidaten Aaron Bläser (Die Linke), Gerd Dittmann (Bündnis 90/Die Grünen), Thorsten Wehner (SPD), Dr. Peter Enders (CDU) und Dr. Axel Bittersohl (FDP) den Teilnehmern Rede und Antwort. Im Vordergrund der Diskussion sollten vor allem Fragen und Probleme von jungen Arbeitslosen und alleinerziehenden Frauen stehen, die von der "Neuen Arbeit" in Qualifizierungsmaßnahmen betreut werden. Bereits seit 1989 setzt sich der Verein für die berufliche und soziale Integration benachteiligter Jugendlicher und Erwachsener ein. Derzeit werden die Qualifizierungsmaßnahmen von etwa 250 Personen besucht. Der Verein ist auf Fördergelder angewiesen und so sieht es Schuscheng mit Sorgen, dass Kurse zur Absolvierung eines Hauptschulabschlusses bald nicht mehr angeboten werden könnten. Denn von einem Hauptschulabschluss hänge es maßgeblich ab, ob Jugendliche einen Arbeitsplatz erhalten oder nicht, so Schuscheng. Auch ein fehlender Führerschein erschwere den Einstieg ins Berufsleben. Schuscheng sieht hier die Jobcenter als auch die Arbeitgeber in der Pflicht. So richtete der Geschäftsführer der "Neuen Arbeit" einen unverkennbaren Appell an die politischen Vertreter, die sich in Altenkirchen der Diskussion stellten.
Im Folgenden hat der AK-Kurier die wesentlichen Themen der Fragerunde zusammengefasst:
Hartz IV und soziale Gerechtigkeit
Eine erste Frage lautete, warum Arbeitnehmer oft weniger Geld in der Tasche haben als jene, die Arbeitslosengeld vom Staat erhalten. Dass hier ein Fehler im Sozialsystem liege, darin waren sich die Kandidaten schnell einig. "Da muss Abhilfe geschaffen werden", forderte Gerd Dittmann, der seit 1984 die Grünen im Kreistag vertritt. "Die meisten Hartz IV Empfänger wollen Arbeit haben", stellte SPD-Landtagskandidat Thorsten Wehner klar, denn Arbeit sei schließlich auch eine Frage des Selbstwertgefühls. Wehner sprach sich für einen Mindestlohn aus, der sich vom Arbeitslosengeld 2 deutlich abheben müsse, dafür setze sich die SPD seit Jahren ein. Denn es könne nicht sein, dass jemand, der arbeitet, am Ende des Monats wegen zusätzlicher Leistungen das Jobcenter aufsuche, so der Landtagsabgeordnete. "Wer arbeitet, der muss mehr haben", brachte es auch Dr. Peter Enders, seit 12 Jahren für die CDU im Landtag, auf den Punkt. Da es die Tarifparteien nicht schaffen, müssten die Parteien einen Weg finden, einen Mindestlohn zu definieren. Dr. Axel Bittersohl von der FDP merkte an, dass man mit Hartz IV lediglich die "größten Versorgungsengpässe" beseitige. Es müsste "zusätzliche Möglichkeiten" geben, um das Budget aufzustocken.
Kinderbetreuung
Die Doppelbelastung von alleinerziehenden Müttern durch Erziehung und Beruf sei den politischen Parteien bewusst, betonte Bittersohl. Ziel sei es, dass alleinerziehende Mütter ein selbstbestimmtes Leben führen können. Es müsse jedoch ein Konsens zwischen dem geschaffen werden, was sich die Mütter wünschen und jenem, was der Staat bezahlen könne. Wehner betonte, dass man die Kinderbetreuung weiter ausbauen müsse, damit die Vereinbarkeit von Erziehung und Beruf gewährleistet werden könne. Er verschwieg nicht, dass Alleinerziehende einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt seien. In dieser Hinsicht wollen vor allem die Grünen für mehr Transparenz sorgen. Bereits 1997 habe man einen Antrag zur Armutsberichterstattung gestellt, dem man nicht nachgekommen sei, sagte Dittmann. Er forderte mehr Einsatz für eine "konkrete Armutsbekämpfung".
Des Weiteren wurde die Attraktivität der Kinderspielplätze im Kreis angesprochen. Der Landtagsabgeordnete Enders verwies auf das grundlegende Problem, dass die Unterhaltung der Spielplätze durch Verunreinigungen und Alkoholgelage erschwert werde und aus diesem Grund gar schon Spielplätze geschlossen werden mussten. Dittmann merkte an, man müsse die "Vorschriften lebensnäher gestalten" und die Planung nicht "älteren Herren" überlassen, dann könne man auch die Attraktivität der Spielplätze steigern.
Währenddessen sprach sich Enders für die Ausgabe von Bildungsgutscheinen aus und widersprach Bedenken, Kinder könnten so leicht diskriminiert werden. Wehner hingegen unterbreitete den Vorschlag, anstatt Bildungsgutscheinen die Leistungen über die jeweiligen Institutionen zu regeln und gesonderte Tarife für einkommensschwache Familien anzubieten.
Medizinische Versorgung
Seitens der Diskussionsteilnehmer wurden Bedenken gegenüber der medizinischen Versorgung im Kreis geäußert und kritisiert, dass nicht in jedem Krankenhaus eine Kinderstation vorzufinden sei. Dies sei nicht mehr finanzierbar, sagte Enders, der selbst als Notarzt tätig ist. Er argumentierte, dass eine ausreichende Versorgung durch Kinderkliniken in Kirchen oder Neuwied gewährleistet sei. Zudem gab Wehner zu bedenken, dass die gleiche Qualität in kleineren Häusern nicht gewährleistet werden könne. Währenddessen zieht es immer weniger Ärzte in ländliche Regionen. Der Trend geht hin zu medizinischen Versorgungszentren, wie Dr. Axel Bittersohl, Facharzt für Kardiologie mit einer Praxis in Betzdorf, berichtete. "Die Zahl der Ärzte wird sich leider absenken", prognostizierte Bittersohl, denn es würden zu wenige Ärzte ausgebildet. So forderte Bläser von der Linken, dass Ärzte nach der Ausbildung erst einmal ihren Dienst in Deutschland verrichten müssten. Dazu könnte man sie aufgrund der teuren Ausbildung verpflichten.
Verkehrsinfrastruktur
Im Jahr werden 500 Million für den Straßenbau bereitgestellt, die jedoch schnell verbraucht seien, sagte Wehner, der für "kostengünstige Lösungen" im Straßenbau plädierte. Es sei nicht immer gleich eine Komplettsanierung notwendig und vor dem Hintergrund fehlender Finanzmittel zu überlegen, ob man nicht den Standard zurückfahren könne. Aaron Bläser, Landtagskandidat der Linken und Masterstudent der Vergleichenden Sozialwissenschaften an der Universität Siegen, sprach sich hingegen dafür aus, die Straßen umfassend zu sanieren und "keine Flickschusterei" zu betreiben. Dadurch könnte der Kreis letztlich Geld sparen. Dittmann und Enders nahmen auch den Bund in die Pflicht. "Die Politik muss nachsteuern", sagte Dittmann. Nach dem "Aufbau Ost" sei nun dringender Handlungsbedarf in den westlichen Bundesländern. "Die Straßen in Rheinland-Pfalz sind die schlechtesten in ganz Deutschland", meinte Bittersohl, dem die finanzielle Lage der Kommunen Sorgen bereitete. Wenn die Kommunen nicht mehr ihre Aufgaben erledigen können, stimme etwas mit der Finanzierung nicht, so der FDP-Kandidat. (Thorben Burbach)
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