Altenkirchen: Nur hauchdünne Mehrheit für neuen Doppelhaushalt
Die Vorberatungen des Doppelhaushaltes 2022/2023 im Hauptausschuss hatten sehr zur Überraschung keine einheitliche Meinung der Mitglieder des Gremiums ergeben. Die unterschiedlichen Auffassungen der Fraktionen über das Zahlenwerk blieben bei der finalen Abstimmung im Stadtrat Altenkirchen bestehen.
Altenkirchen. Es ist gelebte Demokratie, dass in einem politischen Gremium unterschiedliche Auffassungen über einen Sachverhalt zu Abstimmungsergebnissen führen, die weit von einer Einstimmigkeit entfernt liegen. Entgegen der jahrelang einstudierten Praxis, als „Altenkirchener Modell“ bekannt (weitgehend Voten ohne Widerspruch/Enthaltung), verließ der Stadtrat in seiner Sitzung am späten Mittwochnachmittag (15. Dezember) just bei der finalen Beratung des Doppelhaushaltes für die Jahre 2022/2023 diesen Weg. Mit 12 Ja- und 10 Nein-Stimmen nahm das Zahlenwerk mit Ach und Krach die letzte Hürde. Somit kann es am 1. Januar des neuen Jahres in Kraft treten. Knackpunkt war das Umfeld der Realsteuersätze gewesen - verbunden mit vorgeschlagenen Erhöhungen vom Jahr 2023 (und nicht bereits ab 2022) an, wie als Kompromiss ausgehandelt worden war. Während die Grundsteuer A mit 330 v.H. unangetastet bleibt, klettert die Grundsteuer B von 430 auf 450 und die Gewerbesteuer von 420 auf 450 v.H.. In Zahlen: Ein Plus von zehn Prozentpunkten bei der Gewerbesteuer verschafft der Stadt eine Mehreinnahme von 100.000 Euro (also 300.000 Euro insgesamt), zehn Prozentpunkte bei der Grundsteuer B bringen 30.000 Euro (also 60.000 Euro) zusätzlich. Den vorerst letzten Anstieg in diesem Segment hatte es 2017 gegeben. Neben der SPD inklusive Stadtbürgermeister Matthias Gibhardt (sieben Stimmen) entschieden sich die Bündnisgrünen (drei Stimmen) sowie Jürgen Kugelmeier und Volker John von der FWG zugunsten des Etats. Die CDU (sechs Stimmen/ein Mitglied fehlte), die FDP (zwei Stimmen) und Andrea Ackermann als auch Walter Wentzien von der FWG, die den Fraktionszwang aufgehoben hatte, verzichteten jeweils auf ein Okay.
Verzicht auf Kreditaufnahme
Zum Haushalt selbst: In beiden Jahren wird auf eine Kreditaufnahme verzichtet, die Tilgung bestehender Darlehen wird mit rund 480.000 Euro pro Jahr fortgesetzt. Die Verbindlichkeiten sinken laut Finanzplan für die nächsten vier Jahre von 4,756 Millionen Euro (Stand 31. Dezember 2021) auf 2,882 Millionen Euro (31. Dezember 2025). Aus Gewerbesteuereinnahmen erwartet die Stadt 4,5 Millionen Euro (2022) und 4,8 Millionen Euro (2023). Dieser Prognose liegt eine eher defensiv ausgerichtete „Taktik“ zugrunde. Die Sätze für die Hundesteuer und die Straßenreinigung bleiben unverändert. Die liquiden Mittel verringern sich von 1,586 Millionen Euro (31. Dezember 2021) auf 143.000 Euro (31. Dezember 2025). 8,731 Millionen Euro (2022) und hochgerechnete 8,049 Millionen Euro (2023) zahlt die Stadt als Umlagen an Verbandsgemeinde und Kreis, wobei die Berechnungssätze für 2023 erhöht angesetzt wurden (Kreis von 44,5 auf 45,0 und VG von 44,5 auf 46 Prozent), ohne dass es bereits Beschlüsse diesen Inhalts gibt. Investiert wird vor allem in den Ausbau von Stadtstraßen („Auf dem Steinchen“), der rund 3,6 Millionen Euro kostet, in Spielplätze und in die Neugestaltung des Dammweges mit Buswendeplatz (Fachmarktzentrum). Der Ausbau der Kölner Straße wird wohl erst nach dem Jahr 2023 in drei Abschnitten über die Bühne gehen, wobei die Stadt nur für die Nebenanlagen verantwortlich ist, da es sich um eine Bundesstraße handelt.
Investitionen in Zukunftsprojekte
Gibhardt hatte noch einmal auf das Zustandekommen des Haushalts mit dem Start im September mit zahlreichen und intensiven Gesprächen, auch mit Kämmerin Annette Stinner, zurückgeschaut und davon gesprochen, dass „ein Haushalt aus den unterschiedlichsten Perspektiven keine einfache Sache ist“. Schließlich habe ihn die konträre Diskussion im Hauptausschuss „überrascht und kalt erwischt“. Der Etat verkörpere „Investitionen in Zukunftsprojekte, die wir erarbeitet haben“, und Gibhardt nannte als Beispiele die Entwicklung des Baugebietes „Auf dem Eichelchen“, die der „Nachbarschaftsetage“ im ehemaligen Postgebäude, die Investitionen in Spielplätze oder den weichen Faktor, die Einstellung eines City-Managers. Zudem sei er stolz, einen ausgeglichen Haushalt vorlegen zu können.
„Wir wollen viel bewegen“
Ralf Lindenpütz (CDU) sah keine Notwendigkeit, die Realsteuersätze anzuheben, allein bei der Gewerbesteuerschätzung sei ein Puffer von 500.000 Euro enthalten, da der Ansatz mit 4,5 Millionen Euro gegenüber dem Ist-Ergebnis von 5,0 Millionen Euro doch sehr niedrig ausgefallen sei. „Ich kann die Nöte und Sorgen der Bürger und der Gewerbebetriebe verstehen“, fügte er an, eine höhere Gewerbesteuer bedinge, dass die Marge für Investitionsmöglichkeiten sinken würde. Zudem lägen die Sätze für diese Abgabe rund um Altenkirchen teils deutlich niedriger. Die Preise und Kosten für die Stadt seien ständig gestiegen und würden weiter steigen, führte Daniela Hillmer-Spahr (SPD) als Gründe für den Zuschlag an. Auch diejenigen, die Gewerbesteuer zahlten, „profitieren von der Infrastruktur, die wir bieten. Wir müssen diese Steuern erhöhen, weil wir viel bewegen wollen“. Wenn ein Haushalt „auf Kante“ genäht sei, „müssen wir bei diversen Dingen sagen, es geht nicht“.
„In die richtige Richtung“
„Der Haushalt stellt die Weichen in die richtige Richtung“, meinte Kugelmeier, Sprecher der FWG, der lediglich seine eigene Meinung darlegte, da die Freien Wähler nichts von Fraktionszwang wissen wollten. „Wir sind nicht zu einem Ergebnis gekommen“, lautete seine Botschaft. Alle Argumente für und gegen den Etat seien nachvollziehbar. Über allem stand für ihn: „Es geht um die Zukunft unserer Stadt.“ Für die missliche finanzielle Situationen in den Kommunen machte Kugelmeier Bund und vor allem das Land verantwortlich. Die Regierung in Mainz handele nicht verfassungsgemäß. Wentzien sprach in einer persönlichen Erklärung davon, dass er nicht erkennen könne, „dass im vorliegenden Plan gespart werden soll“.
Altenkirchen voran bringen
„Einverstanden“ erklärte sich Peter Müller (Bündnis90/Die Grünen) mit dem Haushalt der Stadt Altenkirchen, „wir müssen mögliche Möglichkeiten schaffen, um Altenkirchen voran zu bringen - für Menschen, Unternehmen und Gäste.“ Es gelte, Geld zurück in die Bevölkerung zu geben, „damit wir gemeinsam davon partizipieren können“. Thomas Roos (FDP) sah keine zwingende Begründung für die Steuererhöhungen, gerade nicht für die „Jedermann-Steuer“ (Grundsteuer B). Auch er stellte, wie Lindenpütz, den möglichen Puffer bei den Gewerbesteuereinnahmen heraus. "Sind die 60.000 Euro mehr für 2023 gut begründet?“, fragte Roos in die Runde. „Viele ,Kleinviecher‘ machen auch einen großen Mist und drücken auf die Menschen“, rückte er das Plus in den Kontext zu den Preissteigerungen, die so gut wie allerorten greifen.
Stadt übernimmt Grabstätte von Pfarrer Maas
Die Stadt übernimmt, so die einstimmige Meinung der Zusammenkunft, die Grabstätte der Familie Pfarrer Theodor Maas auf dem Waldfriedhof aus „geschichtlichen Gründen und aus öffentlichem Interesse“, wie Gibhardt erklärte. Der sehr beliebte evangelische Theologe, ein ausgemachter Gegner der Nationalsozialisten, war am 2. März 1943 bei einem Verkehrsunfall mit einem Lastwagen an der Ecke Kump-/Kölner Straße, den SA-Mitglieder inszeniert haben sollen, so schwer verletzt worden, dass er einen Tag später verstarb. Der evangelische Schulpfarrer Martin Autschbach, Experte dieses Teils der lokalen Geschichte, hatte in gebotener Kürze die Entwicklung von der geplanten Räumung des Grabes vor rund 35 Jahren bis zu dem Punkt dargelegt, an dem der Erhalt der Ruhestätte sich immer mehr als gangbarer Weg abgezeichnet hatte. Die Verwaltung wird laut einstimmigem Auftrag des Rates beim Bund (Straßenbaulastträger) prüfen lassen, ob auf der Fahrbahn der Frankfurter Straße mit dem Bahnübergang im Rücken am linken Fahrbahnrand und am rechten bis zum Grundstück 44 (und danach nur noch eine Piktogrammkette, um das Parken zu ermöglichen) jeweils ein Fahrradschutzstreifen angelegt werden kann. Gleichfalls wird sie die Kosten für die Markierungsarbeiten eruieren.
Fahrrad frei in der Fußgängerzone
Gibhardt wurde bei zwei Gegenstimmen beauftragt, den Antrag auf Öffnung der Fußgängerzone für den Fahrradverkehr bei der Verbandsgemeindeverwaltung Altenkirchen-Flammersfeld zu stellen. Um die Sicherheit der Fußgänger zu erhöhen, solle auf die Einhaltung des Schritttempos der Pedaleure an zahlreichen Stellen per Beschilderung hingewiesen werden. Künftig müssen Autofahrer, die ihre Pkws auf städtischen Abstellflächen dauernd parken, tiefer in die Tasche greifen. Grundsätzlich fallen je nach Standort Entgelte in unterschiedlicher Höhe an. Allen gemein ist, dass sie um 10 Euro (brutto) im Monat steigen, wie einstimmig bei einer Enthaltung beschieden wurde. Die Einkünfte der Stadt klettern pro Jahr von 51.632 auf 71.188 Euro (netto).
Auslagerung in die Siegener Straße
Das Büro Stadt-Land-plus aus Boppard begibt sich an die Änderungsplanung des Bebauungsplans Nr. 24 Siegener Straße und stellt dafür 14.492 Euro (plus sechs Prozent Nebenkosten) in Rechnung. Ein ortsansässiger Sportbekleidungs- und Fahrradhändler möchte auf dem Areal, das in städtischem Besitz ist (Nähe zu Toom-Baumarkt & Co.), sein innenstädtisches Geschäft in ein größeres Gebäude verlagern und hat diesen Standort auserkoren. Derzeit ist ein großflächiger Einzelhandel (über 799 Quadratmeter) an dieser Stelle nicht zulässig. Um die Garten- und Landschaftsbauarbeiten für die Neugestaltung des Spielplatzes „Auf dem Eichelchen“ (Nähe Leuzbacher Weg) kümmert sich die Firma Börgerding Landschaftsbau GmbH aus Altenkirchen und darf 116.744,95 Euro als Schlussbetrag ausweisen, wogegen kein Ratsmitglied Einwände erhob. Die Kostenschätzung hatte 109.480 Euro betragen. (vh)
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