AWB und Greensill: Kreistag trifft sich zu Sondersitzung am 14. Februar
Die Insolvenz der Greensill-Bank, bei der der Abfallwirtschaftsbetrieb des Kreises Altenkirchen 3,6 Millionen Euro angelegt hatte und die womöglich auf Nimmerwiedersehen abgeschrieben werden müssen, hat bislang keine personellen Konsequenzen im Kreishaus nach sich gezogen.
Altenkirchen/Bürdenbach. Die Aufarbeitung des derzeitigen Verlustes von 3,6 Millionen Euro, die der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) des Kreises Altenkirchen bei der in die Insolvenz gegangenen Bremer Greensill-Bank angelegt hatte und die nicht gegen einen Verlust geschützt waren, bleibt ein hoch brisantes politisches Thema. In einer Sondersitzung wird der Kreistag am Montag, 14. Februar (Valentinstag), das Thema weiter erörtern, nachdem er in der Zusammenkunft am späten Montagnachmittag (20. Dezember) im Westerwald-Treff-Hotel in Bürdenbach zunächst einstimmig beschloss, gegen die GVV-Kommunalversicherung VVaG Klage auf Leistung aus den Versicherungsverträgen der Vermögenseigenschaden- und Vermögenshaftpflichtversicherung zu erheben, derzeit aber davon absieht, eine Regressforderung gegen die AWB-Werkleitung zu erheben. Zudem wurde die Verwaltung ermächtigt, eine juristische Zweitmeinung vor Klageerhebung bei einer darauf spezialisierten Kanzlei einzuholen. So blieben personelle Konsequenzen, wer auch immer sie hätte ziehen wollen, vorerst aus.
Dienstanweisungen nicht bekannt
„Die Dienstanweisungen waren mir nicht bekannt“, erklärte der (dritte) und damit für den AWB verantwortliche Kreisbeigeordnete Gerd Dittmann (Bündnisgrüne), nachdem Vorgaben rund um das Platzieren von Anlagen in den zurückliegenden Jahren dreimal von Werkleiter Werner Schumacher geändert wurden, bei der dritten Umformulierung das so entscheidende Wort „mündelsicher“ (das eingesetzte Kapital darf sich nicht verringern) gestrichen worden war. Ja, es gebe eine umfassende Unterrichtspflicht der Werkleitung, „ja, ich habe nach wie vor Vertrauen in die Werkleitung. Wir sind es gewöhnt, stark, ordentlich und ehrlich zu arbeiten. Ich möchte mich entschuldigen“, fügte er an und betonte, immer angeboten zu haben, über den Sachverhalt zu informieren, „wir wollen das vertrauensvoll kommunizieren“. Wie er mit der vom Gremium mehrheitlich nicht erteilten Entlastung fürs Jahr 2020, was den AWB betraf, umgehe, ließ er offen. Darüber müsse er sich erst seine eigenen Gedanken machen, erst werde er sie mit dem Landrat und dann mit den Gremien besprechen. „Ich klebe nicht an diesem Job“, untermauerte Dittmann, der die Stelle des Kreisbeigeordneten im Ehrenamt ausübt. Er habe immer Fragen nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet. Und er habe auch nie abgestritten, dass der Verlust auf lange Sicht Auswirkungen habe, zudem sei die Informationslage zum Zeitpunkt der Insolvenz sehr dünn gewesen. „Ich entschuldige mich in aller Form für die Umstände mit Greensill“, erklärte Schumacher, nunmehr müsse versucht werden, die Folgen von Greensill in den nächsten Jahren zu minimieren. Dass Anlagen bei Greensill mit dem Wegfall des Einlagensicherungsfonds im Oktober 2017 nicht mehr „mündelsicher“ waren, „ist mir durchgegangen“, gab er zu Protokoll. Er habe es versäumt, Dittmann zu unterrichten und sich dafür bereits bei ihm entschuldigt.
Jeder im Kreis mit 27,70 Euro belastet
Für die CDU ging Fraktionssprecher Dr. Josef Rosenbauer vor allem mit Dittmann hart ins Gericht, während er die Verantwortung Schumacher zuschob, der solche Anlagen per alleiniger Unterschrift auf den Weg gebracht hatte. „Niemand von uns weiß, was sie zu welchem Zeitpunkt wussten“, wandte sich Rosenbauer wieder Dittmann zu. Es habe klare Feststellungen und Regeln gegeben, die das verhindert hätten. „Wäre nach der Dienstanweisung verfahren worden, wäre der Schaden nicht entstanden“, folgerte er und rechnete vor, dass jeder im Kreis mit 27,70 Euro belastet werde. Der Gebührenzahler habe die 3,6 Millionen Euro bezahlt. Rosenbauer kritisierte erneut den langen Zeitraum, ehe Landrat Dr. Peter Enders überhaupt von einem möglichen Verlust der beiden Anlagen infolge der Zahlungsunfähigkeit des Bankhauses unterrichtet worden sei. „Warum hat man nicht von Anfang gesagt, ja, wir haben gegen unsere eigenen Bestimmungen verstoßen“, wollte Rosenbauer ob des nunmehr über neun Monate währenden Prozesses der Aufklärung und Aufarbeitung vor Ort wissen. Und er nahm Schumacher nicht ab, dass er nicht wisse, was in einer Dienstanweisung formuliert sei, die von Schumacher selbst dreimal geändert worden sei. „Ich erwarte, dass mit offenen Karten gespielt wird“, meinte Rosenbauer, „wir beanstanden, wie mit uns umgegangen worden ist.“ Jeder mache Fehler, auch mal grobe.
„Sicherheit vor Ertrag“
Auch Bernd Becker als Fraktionssprecher der SPD stieß ins gleiche Horn. „Es hätte viel früher gehandelt werden müssen, Haushaltsgrundsätze wie ,Sicherheit vor Ertrag‘ sind nicht eingehalten worden“, äußerte er und sprang noch einmal ins Jahr 2017 zurück, als nach dem Wegfall des Einlagensicherungsfonds für kommunale Anlagen eine „grundlegende Dienstanweisung“, wie solche Geldgeschäfte künftig zu tätigen seien, hätte erarbeitet werden müssen. „Die umfassenden immer wieder wiederholten Unschuldsbeteuerungen und die gegenüber dem Kreistag und der Presse dargestellte Opferolle waren unangemessen und entsprachen nicht den aufgeführten Fakten. Und ja, der Prozess insgesamt wirkt sich nicht positiv auf das Vertrauensverhältnis zwischen Kreistag und Ausschuss auf der einen und Werkleitung und Beigeordnetem auf der anderen Seite aus“, rekapitulierte Becker.
In dieser Form noch nicht erlebt
„Entsetzt“ war Fraktionssprecherin Anna Neuhof (Bündnisgrüne) über die nicht erteilte Entlastung Dittmanns, die „ich in dieser Form noch nicht erlebt habe“. Das Teil mit der kriminellen Energie bleibe die Greensill-Bank. Nun müsse dieser gesamte Komplex aufgearbeitet werden. „Wir wissen, dass Menschen Fehler machen, eine öffentliche Diskreditierung dient nicht der Sache“, nahm sie Dittmann in Schutz. Die Werkleitung habe eine Informationspflicht gegenüber dem Beigeordneten, die sei laut Gutachten nicht geschehen. Diese inhäusige Ausarbeitung hatte Enders in Auftrag gegeben, um einen lückenlosen Sachstand zu erhalten. Sie war Ende November den im Kreistag präsenten Fraktionen zugeleitet worden. Neuhof sprach weiter von einer „Pflichtverletzung, aber nicht von einem Organisationsversagen“. Während Udo Piske (Fraktionssprecher FDP) an das eher mäßige Rating der Anlage (A -) bei Greensill erinnerte und die noch laufende über 5 Millionen Euro bei der Mercedes-Bank (wohl auch A -) eher kritisch erwähnte, war für Fraktionssprecher Hubert Wagner (FWG) klar, dass „ein Fehler gemacht wurde“. Für Michael Wäschenbach (CDU) ist die Aufarbeitung vor Ort ein Punkt, der Menschen weiter staatsverdrossen mache. Keiner wolle Verantwortung übernehmen. „Wir haben keine Transparenz seit Mitte April bekommen“, beschied er die Handlungsweise von Schumacher und Dittmann, dem er noch mit auf den Weg gab: „Ich glaube nicht, dass sie so naiv waren und sich nicht die Dienstanweisungen haben vorlegen lassen.“
Einstimmiges Ja zum Forderungspapier
Ohne Widerspruch stimmte der Kreistag dem Forderungspapier der Interessengemeinschaft der kommunalen Gläubiger der Greensill-Bank zu, die federführend durch die Stadt Monheim (Rhein), die Stadt Garbsen und die Stadt Osnabrück geleitet wird. So soll die Wiederaufnahme der Kommunen als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften in den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken und die gesetzliche Einlagensicherung erreicht werden.
Erste Rückzahlung am 20. Dezember...
Der AWB hatte sich als Anlageform jeweils für Termingeld (einmal 2 Millionen Euro und einmal 1,6 Millionen Euro) mit einem Zinssatz von jeweils 0,5 Prozent und mit einer Laufzeit von jeweils zwei Jahren bei Greensill entschieden. Der Deal war über einen Finanzmakler abgewickelt worden, mit dem seit rund 20 Jahren geschäftliche Kontakte gepflegt werden/wurden. Das Geld hätte im Dezember 2021 (nämlich am Montag, 20. Dezember) und im September 2022 wieder zur Verfügung gestanden und gehörte der Rücklage an. Mit Greensill befand sich der AWB seit dem Jahr 2015 in sporadischen Geschäftsbeziehungen. Vor sechs Jahren war zum ersten Mal Termingeld dem Bankhaus überlassen worden. Die in Rede stehenden 3,6 Millionen Euro sind/waren für die Nachbehandlung der Deponie mit dem Schwerpunkt Oberflächenabdichtung vorgesehen. Zum Anlagenprozedere: Wenn der AWB, der als rechtlich unselbstständig gilt, Geld anlegen will, ließ er sich bisher von dem Finanzmakler eine Liste mit Investitionsmöglichkeiten erstellen, anhand derer die Entscheidung zugunsten der einen oder anderen Anlage fiel (bislang immer der Werkleiter allein). Inzwischen ist als Konsequenz aus dem Desaster der Kreisvorstand in das Prozedere auch eingebunden.(vh)
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