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Nachricht vom 03.10.2007    

Prognos-Schock folgt Aufbruch

"Der wichtigste Standortfaktor ist das Wissen der Menschen", sagte Wirtschaftsminister Hendrik Hering am Dienstagabend auf dem Bildungsgipfel des Kreis Altenkirchen in Wissen. Das ist zwar eine Binsenweisheit, trifft aber den Kern der Sache, darüber waren sich die gut 200 Teilnehmer in der Brucherseifer- Halle einig. Die Erkenntnis beflügelt alle, nun muss sie auch umgesetzt werden. Und dazu gibt es schon einige Ideen. Das Prinzip Hoffnung lebt.

bildungsgipfel in wissen

Wissen/Kreis Altenkirchen. Wissenes Bürgermeister Michael Wagener begrüßte am Dienstagabend in einer der Hallen der Spedition Brucherseifer zum Bildungsgipfel des Kreises Altenkirchen eine illustre Gesellschaft. Vertreter aus Politik - von Minister Hendrik Hering über Landrat Michael Lieber, MdB Dr. Elke Hoff und Landtagsabgeordneten bis hin zu Bürgermeistern und Ratsmitgliedern -, Vertreter der Wirtschaft und der Verbände, Arbeitsagenturchef Karl-Ernst Starfeld, zahlreiche Lehrer und Vertreter von Weiterbildungseinrichtungen und Wissenschaftler, die theoretisch wie praktisch mit der Problematik vertraut sind, hatten sich eingefunden, um über die Frage zu referieren und zu diskutieren: Wie kann der Standort Kreis Altenkirchen interessant gemacht werden.
Nach dem Schock der Prognos-Studie steht das Signal im Kreis - und dafür war der Bildungsgipfel sichtbarer Ausdruck - jetzt auf "grün" - in Richtung Aufbruch. Und so machte der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Hendrik Hering denn auch Mut: Schließlich sei Rheinland-Pfalz das Bundesland mit der höchsten Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe. Dies liege auch an gut qualifizierten Mitarbeitern. Deshalb müsse man auch in Zukunft verstärkt in Aus- und Weiterbildung investieren. Was wichtig ist: Auch die mittelständischen Betriebe müssten verstärkt dafür sensibilisiert werden. Das war übrigens nicht nur Ministermeinung, auch von Wissenschaftsseite wurde eindringlich auf dieses Manko hingewiesen. Kleinen und Kleinstbetrieben mangelt es oft genug an dem notwendigen Antrieb, in Weiterqualifikation zu investieren, mangels Zeit, mangels Geld. Gerade hier wollte der Bildungsgipfel ansetzen.
Aber, so Hering, die mittelständische Struktur im nördlichen Rheinland-Pfalz sei eine auch Stärke der Region. Die müsste genutzt werden durch eine stärkere Vernetzung in Sachen Aus- und Fortbildung, aber auch für Innovationen. Hering sagte, vernetzte Unternehmen brächten das Dreifache an Innovationskraft zustande als "Einzelkämpfer". Deshalb müsse man vor Ort verstärkt Kooperationen fördern und ermöglichen, zumal der drohende und aktuelle Fachkräftemangel eine Herausforderung sei, auch wenn dieser noch nicht flächendeckend wirke. Allerdings stelle der drohende Fachkräftemangel eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen dar.
Hering sagte, der derzeitige wirtschaftliche Aufschwung bringe mehr Möglichkeiten, Arbeitslose durch passgenaue Qualifikation in den Arbeitsprozess zu integrieren. Zudem müsse mehr getan werden für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um mehr Frauen in Arbeit zu bringen. Hering sprach sich auch für den längeren Verbleib von älteren Menschen im Erwerbsleben aus und für die verstärkte Einstellung von Personen mit Migrationshintergrund sowie die Bindung von Fachkräften an die Unternehmen etwa durch Modelle von Mitarbeiterbeteiligungen.
Fachkräftebedarf sieht der Minister vor allem im Maschinenbau (Ingenieure und Techniker), in Metall- und Elektroberufen, im Baubereich und im Bereich Verkehr und Logistik.
Die Strategie der Unternehmen müsse sein, die Mitarbeiter zu "lebenslangem Lernen" zu bewegen und die entsprechenden Angebote vorzuhalten, sagte Hering. Auf diesem Gebiet müssten sich auch die Regionen verstärkt engagieren. Die Landesregierung sei dabei, für das nördliche Rheinland-Pfalz eine konkrete Konzeption im Dialog mit den Regionen zu erarbeiten. Hierzu sei als Zielvorgabe formuliert, dass alle Akteure - Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen - beteiligt werden. So soll das regionale "know-how" zusammengeführt werden. Dazu wird es drei Werkstätten in den Landkreisen Altenkirchen, Neuwied und Westerwald geben, kündigte Hering an. Die Gesamtkonzeption soll dann am 6. Dezember im Rahmen eines Branchengipfels in Altenkirchen vorgestellt werden. Die Region werde von Weiterbildung und Qualifikation profitieren, sagte Hering, wichtig sei aber, dass gerade kleine und mittlere Betriebe, die das Gros der unternmehmerischen Tätigkeit in der heimischen Region ausmachen, zielgerichtet eingebunden werden. Dabei dürfe man auch nicht vor Grenzen haltmachen, sagte Hering im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der Universität Siegen.
Landrat Michael Lieber hatte zuvor unter anderem Professorin Dr. Petra Moog von der Uni Siegen und Dr. Klaus Sauerborn vom TAURUS-Institut an der Uni Trier als weitere Hauptreferenten begrüßt. Auch aus den benachbarten Kreisen (Westerwaldkreis, Rhein-Sieg-Kreis, Oberbergischer Kreis und Kreis Siegen-Wittgenstein) waren Teilnehmer nach Wissen gekommen, darunter der Siegener Landrat Paul Breuer. Erschienen waren auch der Präsident der FH Koblenz, Professor Dr. Dieter Frings, der Gründunsgrektor der FH Bonn-Rhein-Sieg, Professor Dr. Peter Wulf Fischer, und von der Uni Siegen Prorektor Professor Dr. Hans-Jürgen Christ und Professor Dr. Horst Idelberger.
Lieber sagte in seiner Ansprache, der Kreis Altenkirchen habe es schwer, hochqualifizierte Arbeistkräfte zu halten beziehungsweise zu gewinnen. Für eine positive Wirtschaftsentwicklung sei es deshalb unabdingbar, dass gute und sinnvolle Bildungseinrichtungen vorgehalten werden. Tatsache sei, dass 95 Prozent der Menschen gerne in dieser Region leben und arbeiten. Lieber: "Das macht uns stolz". Aber es sei eine Tatsache, dass der Kreis einige Nachteile aufweise, nicht nur in der Verkehrs-, sondern auch in der Bildungsinfrastruktur. Ohne schlüssige Konzepte und zusätzliche finanzielle Hilfen von außen sei eine wirkungsvolle Abhilfe nicht zu schaffen. Aber man wolle sich im Kreis nicht nur auf andere verlassen, "sondern den richtigen Weg in die Zukunft selber definieren." Deshalb gehe es auch bei dem Bildungsgipfel darum, wie man das Vorhandene ausbauen, bündeln und besser vernetzen könne und welche Einrichtungen, Angebote und Strukturen man vor Ort brauche und welche Anforderungen die Unternehmen an den Kreis stellen. Lieber sagte, nicht nur die schulische Bildung, sondern auch die berufliche Aus- und Weiterbildung müsse für die zukünftige Entwicklung des Kreises Altenkirchen ein "Mega-Thema" sein. Hier müsse ein klarer Ziel- und Zeitplan gesetzt werden. Lieber kündigte ein sogenanntes "Bildungsmonitoring" an: Unternehmen sollen befragt werden, was gewünscht wird, welche Hindernisse bestehen in der beruflichen und akademischen Ausbildung. Lieber beklagte, dass im Kreis Altenkirchen nur 13,3 Prozent der Schulabgänger die Schule mit dem Abitur verlassen (Kreis Siegen-Wittgenstein: 26,3 Prozent). Der Landrat wies darauf hin, dass man im Kreis schon einiges getan habe, um die Region voranzubringen wie die Technologie-Tansfer-Agentur (TTA) mit der Uni Siegen und der VG Kirchen sowie der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises sowie das ANSIT als regionales Anwendungszentrum für Simulatonstechnik, das kleinere und mittlere Unternehmen bei der Produkt- und Prozessentwicklung unterstützt.
Seine Zukunftsvision stellte Lieber auf vier Säulen:
1. Das "Haus des Lernens", wo man neben dem regulären Schulbetrieb Jugendliche in ihrer Findungsphase, in Sachen Motivation, Führungs- und Mitarbeiterverantwortung unterstützen könne. Ein solches Haus, auch während der Schulferien, könnte die Arbeit der Schulen ergänzen.
2. Die Säule "Weiterbildung". Hier sei vorstellbar, den Weiterbildungsbeirat mit weiteren Partnern zu einem Qualifizierungsverbund auszubauen. Dem aufgesetzt werden sollte, so der Landrat, eine Servicestelle für Qualifizierungsfragen, wo die Kompetenz aller Weiterbildungsträger gebündelt werden könnte.
3. Die Säule "Erstausbildung": Bei der Erstausbildung wäre laut Lieber der Ausbau der Außenstelle einer Fachhochschule oder Universität, eine Berufsakademie, eventuell sogar in Kooperation mit einem anderen Bundesland wünschenswert und "strukturpolitisch von eminenter Bedeutung für die gesamte Westerwaldregion". Als Altenative sieht Lieber eine Einrichtung mit "durchlässigen Strukturen" der akademischen und beruflichen Ausbildung.
4. Und schließlich: "Wir brauchen eine Lernfabrik" ist das Credo Liebers. Die Lernfabrik als Teil eines Demonstrationszentrums für Metall und Engineering könnte ausgebaut werden zu einer offenen Ausbildungseinrichtung, in der Studenten, aber auch qualifizierte Facharbeiter aus der Industrie Praxisrelevantes erlernen können. Das Ziel sei die Schaffung durchlässiger Strukturen der beruflichen und akademischen Ausbildung. Dieses "offene Modell" orientiere sich dann am Bedarf einer Region. Zeiten in der Lernfabrik müssten offiziell anerkannt, also zertifiziert werden. Liebers Vision: "Für wirtschaftliches Wachstum in der Region wäre eine solche Lernfabrik ein strategisch wichtiger Faktor, der auf der Höhe der Zeit ist. Eine lernende Modellregion Kreis Altenkirchen mit einer Lernfabrik und einem Qualifizierungsverbund wäre ein reales Modell, das an den Bedürfnissen der Region orientiert ist und jungen Menschen eine Chance vor Ort eröffnet." (rs)
(Über die weiteren Referate und die Podiumsdiskussion folgt ein separater Bericht)
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Riesenzuspruch für den Bildungsgipfel am Dienstagabend in Wissen. In der 1. Reihe von links: Kreissparkassenvorstand Dr. Andreas Reingen, Bürgermeister Michael Wagener, Referentin Professor Dr. Petra Moog, Referent Dr. Klaus Sauerborn, Siegens Landrat Paul Breuer, Wirtschaftsminister Hendrik Hering und Moderatorin Lore Mertens (SWR). Foto: Reinhard Schmidt



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