Zahl der „Spaziergänger“ in Altenkirchen nimmt ab und liegt bei rund 90
Alle Montage wieder: Der nicht erlaubte „Spaziergang“ durch Altenkirchen aus Protest gegen Corona-Maßnahmen gehört beinahe schon zum normalen „Veranstaltungskalender“. Die Tendenz: Die Zahl der Teilnehmer beim vierten „Marsch“ war laut erster Schätzung niedriger als in den Wochen zuvor.
Altenkirchen. Die blauen Lichter erhellen punktuell den frühen Abend, zeichnen sich auf Häuserwänden ab und werden vielfach reflektiert: Polizeiwagen fahren zügig durch die Stadt, um Beamte in Windeseile von einem zu einem anderen Einsatzort zu befördern. Wie sich die Szenerie in Altenkirchen doch gleicht: Auch am vierten Montagabend in Folge mit einem „Spaziergang“ von Menschen, die in irgendeiner Weise mit der Corona-Pandemie und der daraus resultierenden Politik über Kreuz liegen, bleibt es beim fast, aber nur fast gewohnten Ablauf: Treffpunkt ist der Konrad-Adenauer-Platz, das Ziel der Demonstranten der Marktplatz und/oder die Verbandsgemeindeverwaltung, auf die in der Nacht zu Freitag (7. Januar) wohl ein Brandanschlag verübt worden ist. Eine kleine, aber feine Nuance fällt zu Wochenbeginn (10. Januar) auf: Diejenigen, die ihre Missbilligung gegenüber Impfungen, dem Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen oder dem Abstand halten kundtun, sind viel kleinteiliger in Grüppchen organisiert und hieven das Katz-und Maus-Spiel mit den Ordnungskräften auf ein neues Level. Aber die Zahl derer, die sich erneut aufgemacht hat, die Kreisstadt per pedes zu „erkunden“, ist geringer als in den Vorwochen, als das Wetter sogar schlechter war. Nach ersten Polizei-Schätzungen, die aufgrund der Zergliederung wahrlich schwer fallen, könnten bis zu 90 Menschen unterwegs gewesen sein. Bei der Premiere und den beiden „Anschlusstreffen“ sind es mit bis zu 300 noch deutlich mehr gewesen. „Aus polizeilicher Sicht verlief der Abend friedlich“, resümiert ein Sprecher des Polizeipräsidiums Koblenz.
Warum gerade Altenkirchen?
Warum ist gerade Altenkirchen - neben vielen anderen Kommunen in der gesamten Republik - zum Treffpunkt von Impfgegnern, Querdenkern und Co. geworden? Niemand kann sich so richtig einen Reim auf diese Entwicklung machen. Ist es der Titel „Kreisstadt“, der Hilfestellung leistet, oder die klare Positionierung von Landrat und Bürgermeister fürs Impfen? Ein Blick über die Grenzen - beispielsweise in den Westerwaldkreis - zeigt, dass die kommunale Charakterisierung nicht ausschlaggebend sein muss. Denn in der Nachbarschaft wird in deutlich mehr Städten und Gemeinden (noch erlaubt) Flagge gegen die Maßnahmen gezeigt, die rund um die Viruserkrankung ergriffen worden sind. Und dann bleiben noch die beiden vermutlichen Brandanschläge auf das Gesundheitsamt und das Rathaus, die nicht nur den beiden Hausherrn (Landrat und Bürgermeister) den Schrecken in die Knochen fahren ließen. War es ein und derselbe Täter?
Allgemeinverfügung erlassen
Die Grundlage für das Einschreiten der Ordnungshüter definierte die Kreisverwaltung per Allgemeinverfügung schon mehrfach: „Nach den Erfahrungen von Polizei und Ordnungsbehörden nicht nur im Kreis Altenkirchen bei den bisherigen Veranstaltungen dieser Art stehen diese nicht im Einklang mit dem Versammlungsgesetz und den Corona-Bekämpfungsverordnungen, da die Abstandsregeln und Maskenpflicht nicht eingehalten werden.“ Zudem seien sie bisher nicht angemeldet gewesen. Darüber hinaus liege angesichts der hohen Zahl nicht immunisierter Teilnehmer ein weiterer Verstoß gegen die Verordnung vor: Derzeit sei der gemeinsame Aufenthalt nicht immunisierter Personen im öffentlichen Raum nur alleine, mit den Angehörigen des eigenen Hausstands sowie höchstens zwei Personen eines weiteren Hausstandes gestattet. Dennoch, so die Kreisverwaltung, gebe es kein generelles Versammlungsverbot: „Mit der Allgemeinverfügung ist die Durchführung der bisher unangemeldeten ,Montagsspaziergänge‘ unter stetiger Missachtung des Abstandsgebotes oder der Maskenpflicht untersagt. Halten sich die Versammlungsteilnehmer an die gesetzlichen Vorgaben des Versammlungsgesetzes, ist ein Aufzug unter Auflagen möglich.“
Eilantrag zurückgewiesen
Vor Gericht blitzte ein erster Beschwerdeführer in Rheinland-Pfalz vorerst schon einmal ab. Der Eilantrag eines Bewohners des Landkreises Südliche Weinstraße gegen das für das Kreisgebiet verfügte Verbot von „Montagsspaziergängen“ am 3. Januar 2022 blieb ohne Erfolg. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz mit einem Beschluss vom 3. Januar 2022, mit dem es die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße bestätigte. Der Landkreis hatte das Verbot der sogenannten „Montagsspaziergänge“ am 3. Januar 2022 auf das Versammlungsgesetz gestützt und zur Begründung ausgeführt, dass es sich hierbei um gegen die Corona-Schutzmaßnahmen gerichtete Versammlungen handele, die nicht entsprechend dem Versammlungsgesetz angemeldet worden seien und von denen Infektionsgefahren ausgingen, die nicht gering oder vernachlässigbar seien. Bei vergleichbaren „Spaziergängen“, die akkurat geplant und nur scheinbar spontan seien, hätten sowohl im Landkreis Südliche Weinstraße als auch bundesweit zahlreiche Teilnehmer keine Mund-Nase-Bedeckung getragen. Hierdurch könne die Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus ungehindert erfolgen. ... Aufgrund der damit einhergehenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit seien daher diese „Spaziergänge“ zu verbieten, da andere Maßnahmen nicht in gleicher Weise zur Abwehr der Infektionsgefahren und damit der Gesundheitsgefahren in der aktuellen Pandemielage geeignet seien.
Zu wenig Zeit fürs Gericht
Dagegen hatte der Antragsteller Widerspruch eingelegt und um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht, den das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. Januar 2022 ablehnte. Seine hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht mit Beschuss vom gleichen Tage zurück. Es lasse sich im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren angesichts der Kürze der dem Gericht zur Verfügung stehenden Zeit nicht feststellen, ob das auf das Versammlungsgesetz gestützte Verbot von „Montagsspaziergängen“ am 3. Januar 2022, das maßgeblich mit von den „Montagsspaziergängen“ ausgehenden Infektionsgefahren begründet worden sei, offensichtlich rechtmäßig oder rechtswidrig sei. ... Seien die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren demnach als offen zu betrachten, so falle die gebotene Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus, nachdem die Kreisverwaltung erklärt habe, dass eine Verlängerung des Versammlungsverbots über den 3. Januar 2022 hinaus nicht geplant sei. (vh)
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