Kinderschutz in Zeiten von Corona
Die Diplom-Pädagogin Melanie Jung weiß, dass die Corona-Pandemie eine Ausnahmesituation darstellt, "weil da die Würdigung von Kindern und Jugendlichen zu gering ausgefallen ist." Ihre Kollegin, die Sozialpädagogin Luzia Stupperich, ergänzt: "Ohne zu murren, haben die Kinder und Jugendlichen alles rund um Corona ertragen."
Region. Exemplarisch wurde das Fehlen von sozialen Kontakten erwähnt. Kinder in ohnehin schon prekären Situationen seien von der Pandemie besonders stark belastet. Als der Betrieb in den Schulen wieder anlief, habe es einen Schub gegeben und der Kinderschutzdienst des Kreis Altenkirchen sei vermehrt angefragt worden, von Schulen und Kitas. Der Kinderschutzdienst übernimmt hier eine beratende Funktion gegenüber Lehrern bei der Einschätung der Kindeswohlgefährdung. In der Pandemie sei der "Druck im Kessel gestiegen", so die ernüchternde Feststellung der Expertinnen des Kinderschutzdienstes. Die Familien seien belastet, beispielsweise von Arbeitslosigkeit, finanziellen Problemen oder häuslicher Gewalt. Es gebe viele Gründe, warum Familien fragil seien, und das führe zu einer Überforderung - nicht erst seit der Pandemie. Diese Problematik habe sich jedoch in den Zeiten von Corona nochmals zugespitzt, so die einhellige Meinung der Pädagoginnen der Einrichtung. Eltern, die instabil seien, hätten dann gar keine Lösung mehr, um mit einer solchen Krisensituation umzugehen. Psychologin Daniela Weber machte an einem Beispiel deutlich, wie es dann für eine Familie mit vier oder fünf Kindern sei, "was ohnehin schon schwierig ist" - Kita geschlossen, Homeschooling für zwei oder drei Kinder und Spielplätze gesperrt: "Eine völlig untragbare Situation", sagte Weber. Für Kinder, die von Gewalt betroffen seien, habe die Schule beispielsweise auch eine "Schonfunktion". Aber das alles sei weggebrochen. Der Stress der Eltern komme auch bei den Kindern an, so Sozialpädagogin Petra Baldus.
"Als der Lockdown vorbei war, da brannte die Bude"
Wie beschrieben wenden Lehrkräfte von Schulen beziehungsweise Erzieherinnen und Erzieher von Kitas an den Kinderschutzdienst des Landeskreises Altenkirchen, wenn es um die Frage der Kindeswohlgefährdung geht. "Im Lockdown war da nichts", sagte Stupperich und konstatiert: "Als der Lockdown vorbei war, da brannte die Bude." Geht es um Kindeswohlgefährdung, dann kommen die Expertinnen des Kinderschutzdienstes gar nicht mit dem Kind in Berührung. Ihre Aufgabe ist es, zu beraten. Jung berichtete, dass sie von Kindern gehört habe, dass die Pandemie ein Einschnitt für sie gewesen sei. Sie seien überfordert gewesen und hätten Angst verspürt. Aber auch die Kräfte an Schulen hätten von einem Einschnitt gesprochen und Sorgen geäußert. Die Phase des Lockdowns mit Homeschooling sei eine Zäsur gewesen, so die Diplom-Pädagogin, und ihre Kollegin Stupperich ergänzt: "Es gibt kaum eine Einschätzung, bei der Corona kein Thema ist."
Im Jahresschnitt hat der Kinderschutzdienst des Landkreises Altenkirchen 80 bis 100 Fälle, bei denen Fachberatung und Begleitung der Kinder erforderlich sind, auch über einen längeren Zeitraum, informierte Stupperich. Trotz Lockdown waren es 2020 auch noch 96 Fälle. Wenn es notwendig gewesen sei, habe man auch Hausbesuche absolviert. Die Fachleute haben in dieser Zeit zudem Erfahrungen mit den neuen Medien gesammelt, was aber nur nach Abwägung des Einzelfalles in einem gewissen Rahmen praktiziert werden kann. (tt)
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