Leser zu "Altenkirchen zusammen": "Einiges macht einmal mehr nachdenklich"
LESERMEINUNG | Als Reaktion auf die sogenannten "Montagsspaziergänge" hatten am Wochenende rund 400 Teilnehmer in Altenkirchen ihren Unmut Luft gemacht. Leser Ernst W. Thomas hat eine differenzierte Sicht auf die Motivation hinter der Versammlung und den dort getätigten Aussagen. Was ihn im Detail beschäftigt, erläutert er in einem Leserbrief.
Altenkirchen. Nun hat in AK "endlich" mal die "Zivilgesellschaft" gegen die "Montagspaziergänger" protestiert, die sich schon fünfmal "in Marsch" gesetzt hätten (was ziemlich martialisch und so gar nicht nach 'Spazierengehen' klingt...). So war es zu lesen. Doch einiges macht hier einmal mehr nachdenklich.
Der Redner Herr Karger vom DGB war nicht zimperlich: Die Zivilgesellschaft habe die "Schnauze voll", sagte er. Mal abgesehen davon, dass es bemerkenswert ist, wenn ein einzelner vorgibt, im Namen der gesamten Zivilgesellschaft zu sprechen, war die Begründung für mich irritierend: "Seit Wochen werde in Deutschland oft unangemeldet spazieren gegangen." Man muss das ja nicht gut finden, aber unser Staat wird durch 'Spaziergänge' gewiss nicht gefährdet, nicht einmal, wenn diese unangemeldet sind. Und ob man darin den Versuch einer gesellschaftlichen Spaltung durch eine "marginale (!) Minderheit" sehen muss, wie der Redner feststellte, wage ich auch sehr zu bezweifeln.
Was weiß man über diese 'Spazierengehenden'? Sind es wirklich "Verfassungsfeinde, Rechtsextreme, Verschwörungsgläubige und Reichsbürger sowie extreme religiöse Gruppen", wie es behauptet wurde? Das ist ziemlich diffus, Konkretes war nicht zu lesen; Untersuchungen zeigen doch längst, dass solche platten Vereinfachungen nicht zutreffend sind.
Aber Herr Karger brachte es sogar fertig, eine Verbindung zwischen den Spaziergängern und dem Brandanschlag in AK herzustellen. Gibt es dafür wirklich schon begründete Verdachtsmomente oder Belege? Oder wird hier unbekümmert mit Verdächtigungen hantiert?
Die Frage ist doch wirklich: Warum nehmen viele Tausende von Bürgern inzwischen an diesen teils stillen, teils lauten Protesten teil? Sind sie dumm, einfältig oder unbelehrbar oder gar boshaft? Wer das so tendenziös darstellt, hat ganz offensichtlich kein Interesse daran, sich mit der Ursache der Proteste auch nur ansatzweise ernsthaft zu beschäftigen. Fast alle eint der Widerstand gegen eine befürchtete 'Impfpflicht'. Wie auch immer man dazu steht, es muss doch erlaubt sein zu fragen, warum das in Spanien oder Schottland, in England oder Dänemark kein Thema ist, in Deutschland hingegen ein Projekt der Regierung?
Herr Karger hat von 'evidenzbasierter Pandemiebekämpfung' gesprochen; ist er wirklich der Ansicht, dass das uneingeschränkt über das politische Handeln der letzten zwei Jahren gesagt werden kann?
Auf alle Fälle gilt: Wer selbst für sich in Anspruch nimmt, "mit Anstand und mit Abstand" zu demonstrieren, der sollte sich beim Reden mehr mäßigen und nicht Andersdenkende gleich als "Extremisten" bezeichnen, durch die "unsere Stadt (...) in den Dreck gezogen" werde. Zunehmend gewalttätige Sprache wird beklagt – und selbst ordentlich ausgeteilt; noch dazu sieht man nur wenige Meter vor dem Redner ein Plakat, das Menschen mit 'Ratten'(!) vergleicht; ist das niemand aufgefallen?
Wenn am Sonntag in AK Gegner der Coronaproteste demonstriert haben, kann ich das verstehen. Dass allerdings behauptet wird, hier melde sich die Zivilgesellschaft zu Wort, ist unangemessen: auch die Spaziergänger gehören ja zur Zivilgesellschaft – es sei denn man wollte sie als 'unzivilisiert' ausgrenzen!
Leider scheint es gegenwärtig häufig so zu sein, dass man mit Vorwürfen und Beschimpfungen, Schuldzuweisungen und Urteilen schnell bei der Hand ist.
Es ist zu befürchten, dass Verhärtung der Standpunkte, Rechthaberei und unversöhnliche Gegensätze einmal mehr die Folgen sind. Das finde ich besorgniserregend, nicht ein paar 'Spaziergänger' am Montagabend!
Ernst W. Thomas
(Die Anschrift des Autoren ist der Redaktion bekannt.)
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