Landwirte wollen keine Abhängigkeit von Biopatenten
Auf der Mitgliederversammlung des Kreisbauernverbandes Altenkirchen wurde ausgiebig über Biopatente in der Landwirtschaft informiert und diskutiert. Der Bauernverband fordert strengere Biopatent-Richtlinien, damit auch in Zukunft Pflanzenarten und Tierrassen frei zugänglich sind und eine vielfältige Züchtung gefördert wird. Derweil will sich der Bauernverband noch mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rücken und wird sich mit einem Stand auf dem Kreisheimattag präsentieren.
Helmenzen. Es war ein hochkomplexes Thema mit weitreichender Bedeutung für die Landwirtschaft, was sich der Kreisbauernverband in seiner Mitgliederversammlung im Westerwälder Hof in Helmenzen auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Es ging um die europäischen Biopatent-Richtlinien und deren Auswirkungen auf die Agrarwirtschaft in Deutschland. Inken Lampe vom Referat "Umweltrecht" des Deutschen Bauernverbandes in Berlin forderte in ihrem Vortrag zum Thema "Biopatente – rechtliche Grundlagen und Befürchtungen der Landwirtschaft?", dass die Biopatent-Richtlinien der EU schnellstens geändert werden müssen. Durch Patente auf Tiere und Pflanzen drohe die Einschränkung des Genpools, die den Züchtungsfortschritt blockiere. Lampe sprach sich dafür aus, die Richtlinien noch enger auszulegen, um nicht zuletzt die sich anbahnende Patentierung herkömmlicher Züchtungsmethoden zu verhindern. Ein Patentverbot dürfe nicht nur für Pflanzensorten und Tierrassen an sich gelten, sondern auch für Produkte, also Tiere und Pflanzen, die aus patentierten Züchtungsverfahren hervorgehen. In diesem Fall hätte der Erfinder sein Verfahren geschützt, das Nutztier könnte aber auch von anderen Marktteilnehmern verwendet werden.
Patentrecht droht Sortenschutz zu untergraben
In Brüssel sieht die Referentin des Bauernverbandes Deutschland daher weiter gefordert. "Die anderen Bauernverbände in den EU-Mitgliedsländern sind längst nicht so alarmiert", warnte Lampe. Es stünden zwar noch keine patentgeschützten Tiere im Stall und Patente seien bisher vor allem für gentechnisch veränderte Pflanzen ausgesprochen worden. Doch es drohe eine Umgehung des Sortenschutzes, wenn sich Patente, insbesondere für herkömmliche Verfahren, noch stärker durchsetzen, kritisierte die Referentin. In positiver Hinsicht bezeichnete sie die Entscheidung zum "Brokkoli-Patent" im Dezember 2010 als richtungsweisend. Hier lautete das Urteil, dass konventionell gezüchtete Brokkoli und Tomaten nicht patentiert werden dürfen. Und auch ein Einspruchsverfahren gegen das "Schweinepatent" von Newsham Choice Genetics sei erfolgreich abgeschlossen worden. Das amerikanische Unternehmen hatte sich die Verpaarung der Elterntiere und die Selektion patentieren lassen. Als Negativbeispiel nannte Lampe die Patentierung der Getreidesorte Teff aus Äthiopien, die als trockenresistent und glutenfrei gilt. "Jeder Züchter, der einsteigen will, steht nun vor großen Hürden", betonte sie, der Einspruch der Landwirtschaftskammer Hannover wurde zurückgewiesen.
Vergeben werden Patente vom Europäischen Patentamt (EPA) in München, die einen gewaltigen Ansturm an Patentanmeldungen zu bewältigen haben. Der Statistik zufolge, wird gegen etwa 30 Prozent der Patente Einspruch erhoben, 70 Prozent der Einsprüche sind erfolgreich oder können einen Teilerfolg verzeichnen. Aus der Flut an Patentanmeldungen ergibt sich ein kostspieliges Problem für Interessenvertretungen wie den Deutschen Bauernverband. Es ist ein erheblicher finanzieller Aufwand nötig, Patente zu beobachten und mögliche Verfahren vor Gericht zu führen. Bei allen Querelen beherrscht dabei eine grundlegende Frage die Vergabe von Patenten: Wo hört die Biologie auf, wo fängt die Technik an?
Auch bei den Landwirten im Kreis Altenkirchen sorgen die Biopatente für Unmut. Es sei ein Fehler, die Landwirtschaft durch Patente zu blockieren, hieß es in der Diskussion, man müsse die Züchtung vorantreiben, um auch in Zukunft die Nahrungsmittelversorgung sicherstellen zu können. Die Katastrophe in Japan zeige, wie schnell es an Nahrungsmitteln mangele, merkte Herbert Metternich, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Westerwald, an und verwies auf den Umstand, dass landwirtschaftlich genutzte Flächen kontaminiert werden könnten. Momentan finde die Landwirtschaft im Wahlkampf zu wenig Beachtung, meinte Metternich. Landrat Michael Lieber sprach hingegen die komplizierten Rechtsvorschriften an, die es für die Bauern zu bewältigen gelte. Die Kreisverwaltung versuche jedoch, die Dinge im Rahmen von "Cross Compliance" möglichst unbürokratisch zu lösen.
Bauernverband präsentiert sich auf dem Kreisheimattag
Der Kreisbauernverband Altenkirchen blickt derweil optimistisch in die Zukunft. "Die Märkte haben sich insgesamt erholt", sagte der Kreisvorsitzende Georg Groß. Nicht zufriedenstellend sei jedoch weiterhin der Milchpreis. Im Kampf um einen fairen Milchpreis habe der Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) den Bauern sehr geschadet, kritisierte Groß. Angesichts eines Überangebots an Milch brauche man nun starke Molkereien, um mit einer entsprechenden Marktmacht dem Einzelhandel Paroli bieten zu können. Den Kreisbauernverband sieht Geschäftsführer Markus Mille weiterhin gut aufgestellt. Derzeit sind 821 Mitglieder, davon 489 aktive Mitglieder, im Verband engagiert, so dass hier keine nennenswerten Veränderungen zu verzeichnen seien, verkündete Mille. Insgesamt werden 2300 Mitglieder aus den Landkreisen Altenkirchen, Neuwied und Westerwald von der Bezirksgeschäftsstelle in Hachenburg aus betreut. Vor allem Betriebsnachfolgen und Pachten, aber auch Prämienzahlungen und die Einbußen bei den Milchviehbetrieben seien ein Thema. Als Erfolg wertete er die erste Wahl einer rheinland-pfälzischen Milchkönigin, die 2010 in Montabaur gekürt wurde. Der Bauernverband soll in Zukunft noch mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt werden. So wird der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau mit einem Stand auf dem Kreisheimattag im Mai vertreten sein. (Thorben Burbach)
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