Michelbach: Bahnübergänge werden von "Hilfsposten" gesichert
Die einen sprechen von einem Schildbürgerstreich, die anderen reiben sich verdutzt die Augen und fragen sich, ob denn schon der 1. April sei: In Michelbach werden zwei Bahnübergänge beinahe rund um die Uhr "bewacht".
Michelbach. Die jahrzehntelang ungesicherten Bahnübergänge, die in Michelbach erforderlich sind, um die Strecke der Oberwesterwaldbahn (Altenkirchen - Limburg) den kleinen Ort passieren zu lassen, waren ohne Zweifel unfallträchtig. Mindestens bis zum Sommer des Jahres 2018 rückten sie mit schöner Regelmäßigkeit nach Kollisionen von Zügen mit Pkw & Co. in den Fokus für Einsätze von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst. Seit die Querungen am Friedhof und in der „Heldehohl“ deutlich besser mit Schranken (Schlagbäume) inklusive abschließbarer Schlösser gesichert sind (als Folge der Unfälle im Jahr 2018) und eine dritte gar komplett aus dem Wegenetz der Ortsgemeinde genommen und zurückgebaut wurde (Straße „Im Schleedörn“), sind die Kreuzungsbereiche Straße/Schiene eher aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit und damit auch aus dem der Einsatzkräfte gerückt. Nur wenigen Privilegierten wie zum Beispiel Landwirten, die Richtung Industriegebiet Altenkirchen ihre Felder bestellen müssen, war und ist es vorbehalten, die Sperren per Schlüssel auf- und wieder zuzuschließen.
Widerspruch eingelegt
Seit rund einem halben Jahr mit Vorlauf weiterer circa sechs Monate interessieren sich wieder deutlich mehr Menschen für die beiden Bahnübergänge, wie Michelbachs Ortsbürgermeisterin Alexandra Schleiden berichtet. Alles habe damit begonnen, dass der erste Beigeordnete Torsten Klein und sie sich im Altenkirchener Rathaus mit einem Planfeststellungsverfahren auseinandergesetzt hätten, das Bedingung für Änderungen im Verkehrsablauf auf der Schiene (Erhöhung der Streckengeschwindigkeit) sei. Da in ihm die Schließung der ortsüblichen Übergänge nahe gelegt worden sei, hätte die Ortsgemeinde Widerspruch eingelegt, denn so wäre „sie von ihrem Naherholungsgebiet abgeschnitten worden, weil viele Spaziergänger sie nutzen“. Richtig die Diskussion auf Trab gebracht und sie womöglich gar in Richtung einer Posse gelenkt: Dafür verantwortlich war das Resultat einer „Bahnübergangsschau“ am 27. September des vergangenen Jahres, an der unter anderem Vertreter des Eisenbahnbundesamtes (EBA), der Altenkirchener Polizei, der Bundespolizei, des Landesbetriebs Mobilität, von DB Netz, der Kreisverwaltung und des Ordnungsamtes der VG Altenkirchen-Flammersfeld sowie Altenkirchens Stadtbürgermeister Matthias Gibhardt als auch Schleiden selbst teilnahmen. Für einen ungesicherten Übergang in der Nähe des ehemaligen Sägewerkes Hassel in Altenkirchen seien als Maßnahme für eine bessere Einsicht sowohl von der Straße als auch von der Schiene aus Freischneidearbeiten an Büschen und Bäumen anberaumt worden.
Eine Art Kompromiss
Nach ausgiebigem Austausch der Meinungen über die Verhältnisse an den Querungen in Michelbach an jenem besonderen Tag stand, wie Schleiden es formuliert, eine Art Kompromiss. Dieser sah vor, dass der Übergang „Heldehohl“ für Fußgänger und Radfahrer gesperrt werden sollte. Die Beschilderung auf Kosten der Ortsgemeinde wurde inzwischen installiert, Stab- und Jägerzäune verleiten es Fußgängern, abseits der Querung die Gleise zu überschreiten. Zusätzlich halten Mitarbeiter einer Security-Firma aus dem Großraum Bottrop - im offiziellen Sprachgebrauch Hilfsposten - zwischen frühem Morgen und spätem Abend „Wache“, um Zuwiderhandlungen, nämlich dem Umgehen der abgeschlossenen Schranken mit anschließendem Überqueren der Bahnstrecke, unmittelbar entgegen treten zu können. Auch am Friedhof (Straße „In der Hohl“) wacht menschliches Auge (noch) über die Regeleinhaltung, denn dieser Überweg bleibt nunmehr Fußgängern und Radfahrern vorbehalten, während landwirtschaftliches Gerät tabu ist. Auch in diesem Bereich wurden zur besseren Trennung zwischen Gleisbett und angrenzendem Grund und Boden Jägerzaunteile verbaut. „Bis alles erledigt ist“, wird Schleidens Anfrage über die Dauer des Argusaugeneinsatzes ziemlich ungenau beschieden. So vermutet sie, dass der Sicherheitsdienst erst abgezogen wird, wenn das EBA das Gesamtpaket abgenommen habe.
Kein Schlüssel für Container
Damit aber nicht genug: Auffallend sei gewesen, dass urplötzlich viel mehr Müll an den beiden Bahnübergängen sich gesammelt habe, Autos der Security im Leerlauf über Stunden geparkt worden seien, wie es Schleiden darstellt, um im Innenraum wohl nicht frieren zu müssen. Sie habe schließlich den Gemeindearbeitern verboten, den Unrat, zu dem auch Toilettenpapier gehört habe, zu entsorgen. Auf Drängen der Spitze der Ortsgemeinde per intensivem Mailverkehr beschaffte der Auftraggeber, ein Firmenzweig der Deutsche Bahn AG, einen Aufenthaltscontainer, dessen Schlüssel wohl bis heute nicht aufgetaucht seien, eine Dixi-Toilette und einen Bauwagen, den der Lieferant, wie die anderen beiden Teile auch, am Friedhof deponierte, weil das Abstellen am Übergang „Heldehohl“ ohne Wendemöglichkeit mit einem immens anspruchsvollen Rückwärtsfahrmanöver verbunden gewesen wäre. „Um einen Stromanschluss für den Container, um gegebenenfalls zu heizen, sind wir nie gefragt worden“, erläutert Schleiden parallel den Grund, warum die Wächter nach wie vor den Zwei-Schicht-Betrieb in ihren Autos zwischen dem ersten und letzten Zug täglich ableisten.
Kein Tausch der Schlösser
Vor wenigen Tagen schließlich sollten die Schlösser an den Schranken getauscht und durch vom EBA eigens beschaffte ersetzt werden. „Eine technische Störung“ habe dies verhindert, sagt Schleiden süffisant und beschreibt, dass der Mitarbeiter für vier zu tauschende Schließmechanismen nur zwei neue mitgebracht und sich flugs unverrichteter Dinge wieder von dannen gemacht habe. Also sei auch ein Einsatz eines Bolzenschneiders gestrichen worden, der die von der Ortsgemeinde gekauften Riegel unbrauchbar gemacht hätte. So bleibt Schleiden, die von Kosten gehört hat, die bislang bei weit über 200.000 Euro liegen sollen, verständlicherweise nur noch der Wunsch, dass der Hickhack schnellstmöglich ein Ende habe möge, wieder Ruhe einkehre, „denn ich werde ja auch laufend auf das angesprochen, was läuft und gelaufen ist“. Ein Aspekt wird ihr dennoch in guter Erinnerung bleiben: Mitarbeiter des ersten Security-Unternehmens - in der Zwischenzeit wurde die Aufgabe dem aus dem Ruhrgebiet übertragen - seien sehr freundlich gewesen, hätten die Fußgänger sogar über die Gleise begleitet und ihnen darüber hinaus jeweils einen „Guten Tag“ gewünscht.
Schon einige Unfälle
Ein Blick in die Geschichte der ehemals ungesicherten Bahnübergänge in Michelbach: Sie rückten verstärkt ins Blickfeld, wenn sich Unfälle ereigneten (Beispiele): 4. Juli und 19. Juni 2018 Kollisionen Autos versus Triebwagen niemand verletzt; 4. Juni 2015 (Fronleichnam) Triebwagen versus Traktor, dessen Fahrer schwer verletzt wurde; 4. Mai 2008 und 7. Februar 2001 Autos versus Triebwagen ohne Verletzte; 24. September 1996 Ford Sierra versus Dieselloks in Doppeltraktion; die drei Insassen des Autos, allesamt aus Sörth und im Alter zwischen 54 und 80 Jahren, starben. Eine Hilferuf konnte nicht abgesetzt werden, da nicht auf Streckenfunk zurückgegriffen werden konnte. Kurzerhand wurde eine Lok abgekuppelt, die zurück zum Altenkirchener Bahnhof gefahren wurde, um die Rettungskräfte zu alarmieren. (vh)
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