Wölfe im Westerwald: Das ist die aktuelle Situation
Von Stefanie Schuhen
Wie viele Wölfe gibt es momentan im Westerwald, welche Spuren hinterlassen sie und wie kann ein Miteinander von Wolf und Mensch in der Region gelingen? Eine Antwort auf diese und andere Fragen gab es jetzt von den Fachreferenten, die Bundestagsabgeordneter Martin Diedenhofen zu einer Talkrunde eingeladen hatte.
Region. Der Wolf im Westerwald ist zu einem allgegenwärtigen Thema geworden. Ein Thema, das ein hohes Konfliktpotenzial berge, so Michael Christ, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Asbach. Christ war einer der Referenten der digitalen Talkrunde, zu der Martin Diedenhofen (Bundestagsabgeordneter Landkreis Altenkirchen/Neuwied) aufgerufen hatte - mit dem Ziel, einen sachlichen Austausch zu fördern. Dabei scheint eine solche Sachlichkeit bei dem Thema "Wolf" oftmals zu fehlen. "Wie kaum ein anderes Thema spaltet es die Bevölkerung", so Michael Christ.
Ist demnach eine Koexistenz zwischen Wolf und Mensch im Westerwald möglich? Und auf welche Weise ließe sich ein solches Miteinander erreichen? Darüber sprachen unter anderem die Referenten, die Diedenhofen im Rahmen der Talkrunde versammelt hat.
Wie viele Wölfe gibt es im Westerwald?
Den Anfang machte Julian Sandrini, Leiter des Koordinationszentrum Luchs und Wolf (Kluwo). Zu den Hauptaufgaben des Kluwo gehört das Monitoring der in Rheinland-Pfalz ansässigen Wölfe. Sandrini zeigte eine Karte, auf der Wolfsnachweise seit 2021 bis zum 19. April dieses Jahres zu sehen waren. Auffällig ist hier das Leuscheider Rudel im Westerwald - residente Wölfe gebe es im Land aktuell nur hier, so Sandrini, die anderen Nachweise stammten von durchwandernden Tieren. Betroffen von den Rissen durch das Rudel seien vor allem die Verbandsgemeinden Asbach sowie Altenkirchen-Flammersfeld - insgesamt 58 Nutztierübergriffe habe es seit 2021 in Rheinland-Pfalz in Verbindung mit dem Rudel gegeben.
Dieses Rudel besteht aktuell aus zwei residenten Elterntieren, der Fähe GW1415f und dem Rüden GW1896m, der im vergangenen Jahr zum Rudel stieß, sowie dem Nachwuchs dieser Tiere. Wolfsrudel setzen sich üblicherweise zusammen aus den Eltern, dem aktuellen Wurf sowie den Jährlingen - also dem Wurf aus dem Vorjahr. 2020 hatte es einen Wurf von sieben Welpen gegeben, von denen zwei nachweislich überfahren wurde. Auch von dem ebenfalls sieben Welpen umfassenden Wurf von 2021 wurden zwei Tiere überfahren, ein weiteres (GW2554m) sei laut Sandrini offenbar nach Hessen abgewandert.
In diesem Jahr seien bereits 14 Nutztierübergriffe durch Wölfe in Rheinland-Pfalz verzeichnet worden, davon 12 im Westerwald – zum Opfer fielen dort insgesamt 17 Schafe, 7 Ziegen, 2 Damwild und 1 Sikawild.
Wie erfolgversprechend sind Herdenschutzmaßnahmen?
In der vergangenen Woche fand in Koblenz das Forum "Wolf und Weidetierhaltung" des Bauernverband Rheinland-Nassau statt (die Kuriere berichteten). Diskutiert wurde dort vor allem eine mögliche Aufnahme des Wolfs in das Jadgrecht. Im Rahmen der aktuellen Talkrunde war es aber ein anderes Schlagwort, das sich als Schlüssel für eine funktionierende Koexistenz herauskristallisierte: Prävention.
Herdenschutzmaßnahmen seien demnach ein zentraler Schritt im Umgang mit dem Wolf. Laut Peter Sound vom Landesministerium Umwelt wurden in Rheinland-Pfalz bislang vier Präventionsgebiete ausgezeichnet, eines davon ist seit 2018 der Westerwald. In den Präventionsgebieten sind umfängliche Förderungen von Präventionsmaßnahmen, etwa Wolfsschutzzäunen, möglich. Wie wichtig die Schutzzäune sind, zeigt sich etwa daran, dass die allermeisten Nutztierrisse der letzten beiden Jahren in Verbindung mit fehlendem Grundschutz standen. Nur zwei Mal sei es laut Julian Sandrini dem Wolf GW1896m gelungen, einen Zaun mit bestehendem Grundschutz zu überwinden.
Laut Peter Sound hätten die Erfahrungen zudem gezeigt, dass da, wo Präventionsmaßnahmen ergriffen worden seien, keine Übergriffe mehr stattgefunden hätten. Ein Einwand seitens von Nutztierhaltern ist hier häufig die momentan nicht geförderte Wartung der Zäune, die mit hohem Mehraufwand verbunden sei. Hier sicherte Sound zu, dass in Zukunft eine solche Unterstützung geplant sei. Die Präventionsmaßnahmen würden sich am erfolgversprechendsten zeigen, auch wenn sie mühsam seien: "Wir kommen nicht drumherum", so Peter Sound.
Prävention versus Jagdrecht
Fast jede Woche sei er auf Tagungen, erklärt Sound. Immer wieder betone er dabei, wie wichtig es sei, die Präventionsangebote des Landes wahrzunehmen. Die Forderung nach einer Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht komme immer wieder auf, dieser schließe sich das Land aber nicht an. Eine Aufnahme ins Jagdrecht würde nicht bedeuten, dass der Wolf keine geschützte Art mehr sei. Abschussforderungen seien rechtlich immer wieder verworfen worden – stattdessen müssten immer erst alle alternativen Maßnahmen versucht werden.
Zu diesen alternativen Maßnahmen gehört eine geplante Besenderung der Elterntiere des Leuscheider Rudels, GW1896m und GW1415f. Dadurch wolle man die Wege der Wölfe verfolgen, um so anhand dieser Routen Weidetierhalter zu sensibilisieren und verstärkt auf die Schutzmaßnahmen aufmerksam zu machen. Eine nicht zumutbare Alternative stelle laut Sound die Verbringung auffälliger Wölfe dar, denn einen wilden Wolf zu fangen und ihn etwa in einem Gehege zu halten, sei aus Perspektive des Tierschutzes fragwürdig. Diese Tiere einzusperren, würde für sie eine "Qual" darstellen, bestätigt auch Julian Sandrini.
Axel Drechsler, zuständiger Experte des Bundesumweltministeriums, betonte ebenfalls den geltenden Schutzstatus des Wolfes. Aktuell würden bereits Pilotverfahren der EU-Kommission laufen, wobei der Umgang deutscher Behörden mit Wölfen geprüft werde, dies in Verbindung mit bereits erteilten Abschussgenehmigungen in Deutschland.
Eine Aufnahme ins Jagdrecht sehen die anwesenden Referenten somit als schwierig umsetzbar und nicht zielführend. Stattdessen sei es sinnvoll, Herdenschutzmaßnahmen umzusetzen und die gebotenen Fördermöglichkeiten zu nutzen. Denn dies sei aktuell der erfolgversprechendste Weg für eine gelingende Ko-Existenz von Wolf und Mensch.
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