Altenkirchener Runder Tisch: Kulturschaffende äußern Nöte, Sorgen und Wünsche
Das „Vor-sich-hin-Wurschteln“ im stillen Kämmerlein soll ein Ende haben. Die Kulturschaffenden in der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld setzen auf mehr Austausch, eine bessere Vernetzung. Die Grundlage bilden Gespräche und Diskussionen am „Runden Kultur-Tisch“, an dem Sorge, Nöte und Wünsche geäußert, Ideen gesammelt werden.
Altenkirchen. Gut zwei Jahre Corona-Pandemie haben ihre Spuren auch in der Kulturszene hinterlassen. Der Neustart fällt schwer, allerorten werden darüber hinaus Feste „nachgeholt“ oder neu ins Leben gerufen. Deren Anzahl ist gerade in diesem Monat immens. Zudem bereiten steigende Kosten (wie in jedem anderen Bereich des Lebens) den professionellen Anbietern immer mehr Sorgen, während der Zuschauerzuspruch – auch dank vieler zeitlich parallel über die Bühne gehenden Events - hinter den Erwartungen zurückbleibt. Ad-hoc-Lösungen zeichnen sich nicht ab; der Ruf nach finanzieller Unterstützung aus Töpfen der Kommune wird lauter, ja sogar eine Änderung der Organisation der Kultur auf lokaler Ebene geäußert. Zunächst jedoch müssen Hausaufgaben erledigt werden, müssen Verwaltung auf der einen und die Anbieter von Kultur auf der anderen Seite wissen, was überhaupt Sache ist. Größere Transparenz ist gefordert. Erste Schritte wurden beim „Runden Kultur-Tisch“ am Mittwochabend (15. Juni) auf Einladung der Verbandsgemeindeverwaltung Altenkirchen-Flammersfeld besprochen und können mit Leben gefüllt werden. So erläuterte Alexa Hoffmann, die die Zusammenkünfte als Mitarbeiterin im Rathaus betreut, die Möglichkeiten, Veranstaltungen via Homepage der Verbandsgemeinde recht ausführlich in einen Kalender einzutragen und somit anzukündigen als auch online eine Übersicht aller Kulturschaffenden nach und nach zu komplettieren. „Darüber hinaus kann jeder Kulturschaffende auf seiner eigenen Homepage einen Link zu dieser Veranstaltungsseite setzen“, schlug Samuel Tomasiello, Theaterleiter des Programmkinos Wied-Scala in Neitersen als einzigem Lichtspielhaus im Kreis Altenkirchen, vor.
Absage: Kein Kulturreferent
Eine deutliche Absage erteilte Rolf Schmidt-Markoski als Erster Beigeordneter der Verbandsgemeinde dem erneut geäußerten Wunsch, das weite Feld der Kultur in die Hände eines bei der VG angestellten Referenten zu legen, wie es beispielsweise in Hachenburg gehändelt wird. „Das ist derzeit nicht der Wunsch“, erklärte er. Eine Änderung sei Sache der politischen Gremien, also abschließend des Verbandsgemeinderates. „Die Kultur ist eine freiwillige Aufgabe der VG, die wir im Rahmen der finanziellen Voraussetzungen organisieren lassen. Wir möchten gerne ein anspruchsvolles Kulturprogramm bieten“, fügte Schmidt-Markoski an. Die Verbandsgemeinde investiert in erster Linie in die Veranstaltungen, die das Kultur-/Jugendkulturbüro Haus Felsenkeller (Altenkirchen) mit Helmut Nöllgen an der Spitze auf die Beine stellt. Dazu gehört auch das Spiegelzelt, das vom 28. August bis 21. September erneut seine Pforten auf dem Altenkirchener Schlossplatz öffnet. Zudem bietet die VG noch ein Mikro-Förderprogramm. Pro Veranstaltung können maximal 500 Euro (auch in Teilbeträgen) abgerufen werden.
Düsteres Bild von Kino-Zukunft
Ein ganz düsteres Bild von der Zukunft der Wied-Scala malte Uli Hüsch, der gemeinsam mit Karin Leicher und Wilma Hüsch als Betreiber fungiert. „Der Mainstream brummt, die Blockbuster brummen“, berichtete er, während „der Film mit Anspruch ein Problem hat“, und zog den Kreis weiter: „Alle Veranstaltungen mit Niveau haben ein Problem.“ Und solche fielen irgendwann „hinten runter“. Da müsse was für getan werden, die VG müsse dran arbeiten, die Kulturmacher zu unterstützen. Tomasiello verwies vehement darauf, dass die Wied-Scala nach der umfangreichen Renovierung, die im Sommer 2021 abgeschlossen worden war, mehr als ein Kino sei. „Konzerte, Ausstellungen, Theater und vieles mehr ist möglich. Es gibt fast keine Grenzen“, beschrieb er die Möglichkeiten für eine deutlich intensivere Nutzung. „Technisch gesehen ist die Wied-Scala top ausgestattet“, ergänzte Hüsch, „wir können sie nur halten, weil wir auch im Cinexx in Hachenburg und im Cine 5 in Asbach engagiert sind, versuchen, den Standard in der Wied-Scala so lange zu halten, wie wir können.“
60 Lokalitäten für Veranstaltungen
Paul-Josef Schmitt, derzeit als Erster Beigeordneter in Amt und Würden als Stadtbürgermeister in Altenkirchen, berichtete über ein „Werkstattgespräch“, in dem es um „eine neue Stadthalle“, also eine „Halle für 500 bis 600 Personen“, gegangen sei. „In Altenkirchen gibt es 60 Lokalitäten für Veranstaltungen aller Größenordnungen“, zeigte er ein Resultat dieses Treffens auf. Von der Arbeit des neuen City-Managers erhoffe er sich ebenfalls Impulse fürs kulturelle Angebot, dieser Bereich zähle jedoch nicht zu dessen Hauptaufgaben, „aber er kommt aus diesem Metier, hat ein Kulturzentrum geleitet“. Zudem sprach sich Schmitt für einen intensiveren Kontakt mit den Kultur-Organisatoren in Hachenburg und Wissen aus, zumal deren Veranstaltungen auch gut mit einem „vernünftigen ÖPNV“ auf der Schiene zu erreichen seien. „Wir müssen in Kooperation treten“, forderte er. Für Margret Staal, die für das Haus Felsenkeller teilnahm, ist „Kultur ein wesentlicher Bildungsinhalt“. Sie kritisierte, dass Klassen nicht mehr das Angebot im Spiegelzelt nutzten. Hin wieder gelinge es, Mädchen und Jungen über die Arbeit in der Jugendkunstschule in Altenkirchen für Kunst und Kultur zu erwärmen. Die Resonanz auf das Angebot des Kultur-Salons in der Wied-Halle in Neitersen „ist relativ klein. Die Zuschauer kommen nur zögerlich zu Indoor-Veranstaltungen. Für den, der auf der Bühne steht, ist es Frust“.
Kultur als Kostenfaktor
„Kultur wird zuerst nur als Kostenfaktor gesehen“, formulierte Jürgen Greis vom Weyerbuscher Brodverein. Sie stelle viel mehr dar als viele gedacht hätten. Derzeit bemühen sich Greis & Co. auch um den Erhalt des Gasthofes „Zur Post“ in der Ortsmitte. Der Besitzer habe ihn schon fast verkauft. Wenn dieses geschehe, „wird das Ortsbild zerstört“. Aktuell ist lediglich ein Getränkeausschank mittwochs und freitags am Abend erlaubt. Ulla Wortelkamp nahm mit dem Kunstraum „Im Tal“ (Hasselbach) in Anspruch, auf die „meisten Ressentiments“ zu stoßen. Sie konstatierte: „Das Interesse – auch aus dem Ausland – ist sehr groß, die Akzeptanz in der Region sehr gering.“ Die Künstler hätten ihre Arbeiten ganz speziell für diesen Ort geschaffen. Auch sie forderte eine viel stärkere Vernetzung in der Region. Von so gut wie keinem Interesse an Lesungen der Literaturwerkstatt in normalen Räumen berichtete Dany Keller, die über viele Jahre eine Galerie in Eichelhardt geführt hatte. Der Zuspruch habe sich erst geändert, als der Tross mit Bollerwagen durch den Parc de Tarbes gezogen sei und unterwegs rezitiert habe. Eine Neuauflage im Herbst sei bereits geplant. Thomas Schmidt, Ortsbürgermeister aus Horhausen, wo eine Kultur-AG existiert (geplante nächste Veranstaltungen: Konzert der Gruppe „The Peteles“ und Kabarett im Herbst), beschrieb die „Kultur als schönes Zubrot“, während Schauspieler Marcus Michael Mies, in Eichelhardt zugezogen, feststellte: „Es ist hier alles ein bisschen versprengt. Die Kultur wird an den Rand gedrängt.“ (vh)
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