Der neue Pastorale Raum Betzdorf stellt sich in seiner bunten Vielfalt vor
Kein Pontifikalamt, keine Messgewänder, kein Weihrauch. Es hatte aber etwas von mittendrin sein, als sich der neue Pastorale Raum Betzdorf exakt ein halbes Jahr nach seiner Entstehung mit seiner Vielfalt erstmals in einem größeren Rahmen vorstellte - im Beisein des Trierer Weihbischofs Jörg Michael Peters.
Region. Es war ein stiller Prozess, als mit dem Jahreswechsel 2022 aus dem Dekanat Kirchen der Pastorale Raum Betzdorf wurde. Die Pandemie mit ihren Einschränkungen hat auch ihren Anteil daran, dass ein halbes Jahr ins Land zog, bis der Wandel vom Dekanat zum Pastoralen Raum in einem würdigen Rahmen begangen wurde. Der Trierer Weihbischof Jörg Michael Peters war dazu auf die Trier'sche Insel gekommen. In der St.-Michael-Pfarrkirche in Kirchen wurde das Ereignis, das sicher eine Zäsur darstellt, nicht mit einem Pontifikalamt oder großem Brimborium gefeiert.
Abendlob als ein schlichtes und ansprechendes Format
Die Verantwortlichen - das Leitungsteam mit Dekan Pfarrer Dr. Augustinus Jünemann, Rendant Thomas Düber und Gemeindereferentin Regine Wald sowie die ehrenamtlichen Vertreter aus den vier Pfarreiengemeinschaften - hatten mit dem Abendlob ein schlichtes und ansprechendes Format gewählt. Mit diesem stellten sie vor, wie es mit dem Pastoralen Raum Betzdorf künftig weiter gehen soll und was die nächsten Schritte sein werden. Im übertragenen Sinn hatten sie dabei über die eigenen Kirchtürme geschaut. Denn es kamen nicht nur das Leitungsteam und die Pfarreiengemeinschaften zu Wort.
Kirchliche und nichtkirchliche Partner
Die Organisatoren hatten bewusst auch diejenigen eingeladen, die auf den ersten Blick nicht direkt mit dem Wandel vom Dekanat Kirchen zum Pastoralen Raum Betzdorf etwas zu tun haben. Aber eine nähere Betrachtung zeigt spätestens die Verbindung beziehungsweise die Anknüpfungspunkte. An dieser Stelle soll das nur mit dem Evangelischen Kirchenkreis Altenkirchen und der "kommunalen Familie" angerissen werden. Dieser große und breitgefächerte Querschnitt an Gedanken, Ideen und Wünschen eben auch von kirchlichen und nichtkirchlichen Partnern sollte die Vielfalt zeigen. Es war beabsichtigt, genau das mit dem Format beim Abendlob herauszustellen.
"Wozu und für wen sind wir Kirche?"
Erik Scheid hatte am Klavier mit der Mondschein-Senate von Ludwig von Beethoven eingestimmt. "Alter Wein in neuen Schläuchen": Das griff Gemeindereferentin Wald auf und meinte: "Wie oft haben wir das schon erlebt - und verändert hat sich doch nichts." Gleichzeitig wisse man, dass sich etwas ändern müsse, "bei uns und der gesamten Kirchen". Eine zentrale Frage sei es: "Wozu und für wen sind wir Kirche?" Die Synode des Bistums Trier habe versucht darauf eine Antwort zu geben. Daraus würden sich Schwerpunkte ergeben, die das Miteinander in den Pastoralen Räumen bestimmen und den Menschen in den Blick nehmen würden, "in ihrer Not, besonders in wirtschaftlicher und seelischer". In den Blick genommen werden sollen auch diejenigen, die am Rande der Gesellschaft stehen.
"Es geht um alle Menschen"
"Aufgaben, die Jesus uns vorgelebt hat und die wir annehmen wollen", betonte Wald - und: "Es geht im Pastoralen Raum nicht um uns und unsere Gemeinden, sondern um alle Menschen." Wald brachte das auch auf den Punkt: Um Menschen, denen man helfen könne, die "unsere" Hilfe suchen. Für Wald ist das zum einen, füreinander da zu sein sowie die diakonische Hilfe. In einer Bunt gewordenen Gesellschaft sei es wichtig, den Einzelnen in den Fokus zu nehmen. Das sei ein Wunsch, ebenso die frohe Botschaft so zu verpacken, dass alle sie verstehen.
Dekan Jünemann: "Wir wollen mehr und mehr lernen Verantwortung zu teilen"
Eine Botschaft des Abends lautete: "Die Vielfalt soll Bereicherung sein." Und es müsse nicht jeder alles können, aber jeder soll sich mit seinen Gaben für die Menschen einsetzen. Es soll eine "wunderbare Gemeinschaft" werden, auch mit Vernetzung und Kooperation von kirchlichen und nicht kirchlichen Partnern, hieß es. Letztere waren aus diesem Grund nicht nur anwesend, sondern brachten sich mit ihren Gedanken und Wünschen aktiv in das Abendlob ein. "Die Vernetzung und Kooperation soll ein Merkmal des Pastoralen Raumes sein", hieß es. Und auch das: "Wir wollen mehr und mehr lernen Verantwortung zu teilen", sagte Dekan Jünemann. Jeder im Leitungsteam habe seinen Verantwortungsbereich, aber gemeinsam sei man das Team. Mit den Ehrenamtlichen wolle man miteinander Verantwortung für das gemeinsame Tun übernehmen, unterstrich Jünemann. Man müsse schauen, wie man das, was die Synode des Bistums Trier mit auf den Weg gegeben habe, umgesetzt werden und wie die Botschaft Jesus weitergegeben werden kann. Gemeinsam hatte das Leitungsteam in die Thematik eingeführt.
Von "U-Boot-Christen" und "Orte von Kirche"
Wer da gemeinsam unterwegs ist, das wurde ein bisschen sichtbar mit der Vorstellung aus den vier Pfarreiengemeinschaften: Niederfischbach/Mudersbach, Betzdorf/Kirchen, Heller-/Daadetal und Gebhardshain/Elkenroth. Die Ehrenamtlichen aus den Gemeinden übernahmen gemeinsam diesen Teil des Abends. 8971 katholische Christen leben in den Grenzen der Pfarreiengemeinschaft Betzdorf/Kirchen, berichtete Fabian Bodora (Betzdorf), der mit Christoph Behner (Kirchen) die Pfarreiengemeinschaft näherbrachte. "Unsere Pfarreiengemeinschaft ist für viele Christen eine große Unbekannte und im eigenen Leben eher fremd geworden", legte Bodora den Finger in die Wunde. Für die "U-Boot-Christen" sei die Pfarreiengemeinschaft ein Treffpunkt, und zwar mit der "Sicherheit, wenn sie auftauchen, dann ist die Pfarreiengemeinschaft da". Von "Orte von Kirche" - diese sollen im neuen Pastoralen Raum eine besondere Bedeutung erhalten - mit sehr unterschiedlichen Programmen erzählte Behner, zum Beispiel mit den starken Messdienern oder der überzeugten Kfd.
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist ein gebürtiger Niederfischbacher
Aus der Pfarreiengemeinschaft Gebhardshain/Elkenroth hieß es, dass man bereits über 100 Jahre zusammengehöre und nie getrennt gewesen sei: "Darauf sind wir sehr stolz." Vier Pfarrkirchen und vier Filialkirchen gibt es in der Pfarreiengemeinschaft. Von den Pfarreien hüben wie drüben "unseres wunderschönen Giebelwaldes" erzählte Andreas Otterbach. Es ging um die Pfarreiengemeinschaft Niederfischbach/Mudersbach. "Wir sind die letzte Karnevalsbastion vor dem Siegerland", schmunzelte Otterbach. Natürlich führte er auch an, dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limbuger Bischof Georg Bätzing, ein gebürtiger Niederfischbacher ist. "Ja, wir sind stolz auf ihn", sagte Otterbach: "Wir wir ihn in seinem schweren Amt erleben, das macht Mut." Maria Ohligschläger brachte die Pfarreiengemeinschaft Heller-/Daadetal näher. Es sei von der Fläche die größte Pfarreiengemeinschaft, aber von der Zahl der Menschen die kleinste. 6000 Katholiken zählt man auf beiden Seiten des Köppels. In Herdorf gebe es eine große DJK, und es gebe auch eine große Diaspora - im Daadener Land leben rund 1800 Katholiken.
Gut besetzte Kirchenbänke
"Wir hätten ganz viele einladen können", sagte Dekan Jünemann und zählte Kitas, ökumenische Krankenhausseelsorge und evangelisch-freikirchliche Gemeinden exemplarisch auf. "Dann hätten wir heute ganz lange hier gesessen", meinte er. Stellvertretend für alle kamen der Caritasverband Rhein-Wied-Sieg, der Evangelische Kirchenkreis Altenkirchen und die "kommunale Familie" zu Wort, um aus ihrer Sicht einen Blick auf den Raum zu legen, "in dem wir leben", und welche Aspekte ihnen wichtig seien zu äußern, sagte Jünemann. Auch diese Redner hatten mit gut besetzten Kirchenbänken, wie es auch eine Pfarrkirche wie St. Michael nicht immer sieht, eine schöne Kulisse vor sich.
"Es tut gut eine volle Kirche zu sehen", sagte Eberhard Köhler, Direktor des Caritasverbandes - und: "Danke, dass Ihr da seid und uns mit in die Mitte nehmt." Als Caritasverband sehe man sich als "diakonische Kirche". Wie, Du bist noch in der Kirche? Das höre er auch, sagte Köhler. Diakonie und Caritas sei ein Beratungsgeschäft, erklärte er. Jeweils ein Viertel werden über Land und Kommunen finanziert, aber: "50 Prozent kommen aus Kirchensteuermitteln." Kurz skizzierte er die Beratungsangebote, zum Beispiel die Schuldnerberatung als eine der wichtigsten Beratungen. "Ich freue mich auf die Zusammenarbeit", sagte Köhler.
Von der kirchlichen Lebensberatungsstelle in Betzdorf war zu erfahren, dass man von Menschen aufgesucht werde, die in unterschiedlichen Lagen seien. Man stelle fest, dass sich immer mehr Menschen in Not befänden, und zwar "selbst unverschuldet". In der Arbeit bekomme man auch zu spüren, dass die Probleme komplexer würden, was Zeit und Ressourcen koste.
Für die "kommunale Familie" mit Landkreis Altenkirchen, Verbands- und Ortsgemeinden sprach der Erste Kreisbeigeordnete Tobias Gerhardus. Der Pastorale Raum Betzdorf sei identisch mit dem "Oberkreis" des Landkreises Altenkirchen. In seinen Ausführungen beleuchtete er Aspekte wie Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Breitbandausbau. Als das "drängendste Problem" bezeichnete er die medizinische Versorgung. Viele Menschen würde die Frage plagen: "Wo komme ich noch zu einem Hausarzt?" Als Kommune kümmere man sich vor Ort, sagte der Kreisbeigeordnete und fasste das Ziel: "Die Menschen sollen gerne hier Zuhause sein." Auch mit Stichworten ÖPNV und Windkraftanlagen waren von Gerhardus Themen zu hören, wie man sie so bei einem Abendlob nicht unbedingt erwartet. Aber es zeigte, was die Initiatoren mit dem von ihnen gewählten Format beabsichtigten, nämlich die Vielfalt im Pastoralen Raum anhand unterschiedlicher Handlungsfelder aufzeigen zu wollen.
Auf die Frage nach seinem Wunsch äußerte Gerhardus, dass der Pastorale Raum und die "kommunale Familie" zusammenarbeiten und den Dialog und Austausch pflegen sollen. Aus seiner Sicht ist es wichtig, dass Kirche und Kommune sich den Herausforderungen stellen. Die evangelische Pfarrerin Kirsten Galla (Daaden) sprach für den Evangelischen Kirchenkreis. Diese deckt zu 98 Preozent den Landkreis ab. Von den 14 Kirchengemeinden liegen sechs im Pastoralen Raum. Galla erwähnte, dass man jetzt bereits ganz viele Sachen in "ökumenischer Verbundenheit" bewerkstellige. Die Tafel in Betzdorf und die Krankenhausseelsorge seien Beispiele, wo man ganz oft im guten und gelebten Miteinander zusammenwirke, sagte Galla, die sich wünscht, dass "die langjährige ökumenische Arbeit so segensreich weitergeht". "Auch wir als Kirchenkreis stecken mitten in einem Veränderungsprozess", sagte die Pfarrerin und dankte im Namen von Superintendentin Andrea Aufderheide Dekan Jünemann für die guten Gespräche, die man bereits geführt hat.
Von allen Seiten wurde gedanklich die ausgestreckte Hand hingehalten, und es zeigte sich um was es geht, was auch Weihbischof Peters herausstellte: "Es geht um den Mensch." Er stellte das Leitungsteam vor, mit Gemeindereferentin Wald und Dekan Jünemann. Letzterer sei mit Impulsen und Herzblut dabei. Düber habe Kompetenzen in der Verwaltung. Auch das Leitungsteam gebe dem Pastoralen Raum ein Gesicht, so der Weihbischof. Drei Schulterpaare würden mehr tragen, sechs Augen mehr sehen und drei Herzen mehr erwägen. Gemeinschaftlich Verantwortung zu übernehmen, daraus solle eine tragfähige Leitung erwachsen. Peters begrüßte es, dass unter anderem das "kommunale Leben" das Wort ergriffen habe. Zu den Menschen in der Kirche gewandt sagte seine Eminenz: "Danke, dass sie heute ihre Flagge hochhalten und bezeugen, da will ich dabei sein."
Bei dem Gottesdienst, der von Dekanatsorganist Torsten Stendenbach und dem Kirchenchor Herdorf sowie Organist Franz-Josef Faßbender musikalisch gestaltet wurde, dankte Jünemann Pastoralreferent Christian Ferdinand und Pfarrer Rudolf Reuschebach für das im Dekanat Kirchen Geleistete. Reuschenbach war vor Jünemann Dechant (heute Dekan) auf der Trier'schen Insel.
Nach dem Abendlob kamen alle am Pfarrheim im Freien zum Austausch zusammen. Im Gespräch mit dem AK-Kurier betonte der Weihbischof mit Blick auf den Vergleich von altem Wein in neuen Schläuchen, dass die Firmierung "Leitungsteam" nicht nur ein neuer Begriff sei. "Es hat hier schon hervorragend funktioniert." Im Team habe es bereits Absprachen darüber gegeben, wer für was zuständig ist. Wenngleich nicht im Alltagsgeschäft, sollen Ehrenamtliche sich in Entscheidungen mit einbringen können. Für die Vorstellungen der einzelnen Pastoralen Räume im Bistum gebe es keine Vorgaben, antwortete Weihbischof Peters. Zum Jahreswechsel sind bereits 15 im Bistum entstanden - und 20 weitere wird es ab dem Jahreswechsel 2023 geben.
Dekan Jünemann freute sich, dass so viele Menschen zum Abendlob erschienen waren. Es sei zum Jahreswechsel etwas Schmerzhaftes zu Ende gegangen, sagte Jünemann und meinte mit Blick auf das gewählte Abendlob für den Auftakt des Pastoralen Raumes, dass man "in Demut den Weg" beschreite. Im nächsten Schritt sollen sich die beiden Gremien des Pastoralen Raumes konstituieren, die mit den in den Pfarreiengemeinschaften bereits gewählten Ehrenamtlichen besetzt werden. (tt)
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