Pressemitteilung vom 15.09.2022
Blitzumfrage der Handwerkskammer zur Energiepreisentwicklung und deren Folgen
Die Handwerkskammer Koblenz befragte in einer Blitzumfrage Unternehmen unterschiedlicher Branchen zu Problemen und Perspektiven durch die aktuelle Energiepreisentwicklung. Vor allem Bäcker haben derzeit gleich doppelt zu kämpfen, da neben den Energiepreisen auch die Rohstoffe teuer geworden sind.
Region. Der Mittelstand und die steigenden Energiepreise - ein heißes Thema und intensiver Diskussionsstoff in Medien, Politik, an der Ladentheke und natürlich im Handwerk. Die Handwerkskammer (HwK) Koblenz wollte in einer Blitzumfrage von Unternehmern und Obermeistern ganz unterschiedlicher Branchen wissen: ist die Energiekrise und die dramatische Kostenexplosion bereits in den Betrieben angekommen? Mit welchen Folgen? Wie werden die weiteren Aussichten bewertet? Wie sähe eine Entlastung in der aktuell angespannten Situation aus?
Nach massiven Preissteigerungen vieler Rohstoffe und zum Teil extremen Lieferengpässen von Holz bis Mehl verschärft die Energiekrise für fast alle befragten 250 Handwerksbetriebe und Innungsobermeister die Lage - zum Teil dramatisch. "Neun von zehn Betrieben berichten über einen Anstieg der Energiepreise. Keiner redet dabei von 10 oder 20 Prozent, eher von Verdopplung bis Verdreifachung. Das rollt nun auf uns zu in den nächsten Wochen. Die genauen Auswirkungen kennt momentan niemand", skizziert Dachdeckermeister und HwK-Präsident Kurt Krautscheid die momentane Lage.
Gerade die fehlende Perspektive hin zu einer Entlastung beschreiben viele Handwerker als das Kernproblem, denn wie lange man in der ohnehin angespannten Marktlage noch betriebswirtschaftlich vertretbar agieren könne, sei ungewiss. "Eine Garantie, dass diese Krise in einem halben Jahr hinter uns liegt, gibt es nicht. Die Stimmung unter unseren Betrieben ist eher so, dass man mit weiteren Schwierigkeiten rechnet, die sich aus dem laufenden Szenario ergeben", fasst Krautscheid zusammen. "Psychologisch ist diese Planungsunsicherheit ein nicht zu unterschätzendes Problem."
Gerade die Bäckereien bestätigen: die Einkaufspreise für viele Produkte haben sich in den zurückliegenden Monaten verdoppelt, der Druck am Arbeitsmarkt mit Fachkräftemangel und Mindestlohnerhöhung ab Oktober tut sein Übriges. Die Preise für Gas, Heizöl oder Strom für die Backproduktion schießen nun außerdem rasant in die Höhe und sauber kalkulierte Preise für Brötchen und Brot sehen viele bereits bei 80 Cent, beziehungsweise acht Euro. Das wird sich kaum beim Verbraucher durchsetzen lassen. Auf der anderen Seite arbeiten Bäckereien mit Defizit, wenn sie die Preise auf dem "alten Niveau" stabil halten wollen. Und sie sehen natürlich auch die bereits gravierende Inflation, die längst auch das Kaufverhalten der Kunden prägt. "Das lässt sich weder mit betrieblichen Effektivprogrammen noch kreativem Unternehmertum ausgleichen. Über dieses Stadium sind wir längst hinaus", weiß Krautscheid aus seinen Betriebskontakten. So hat sich die Zahl der Betriebsabmeldungen im Bäckerhandwerk bei der HwK im Vergleich zu 2020 in diesem Jahr bereits verdoppelt.
Andere energieintensive Handwerke, gleiches Fazit: Es fehlt Verlässlichkeit, gerade beim Energiebezug. So haben sich für die Metall verarbeitenden Betriebe zwar die Einkaufspreise einiger Materialien leicht vergünstigt, so jüngst beim Stahl. "Doch die Energiepreise fressen das längst auf und die einzige Lösung ist momentan, eine entsprechende Preisanpassung bei den Kundenaufträgen vorzunehmen. Unsere Auftragsbücher sind voll, doch die Frage ist: wie geht es weiter, wie ist die Lage im Laufe des nächsten Jahres? Da spielt viel Verunsicherung hinein", erklärt Reinhold Lorenz, Obermeister der Innung Metallhandwerk Bad Kreuznach. Zumal auch die Lage am Bau alles andere als unkompliziert ist. Neubauten wackeln aufgrund ihrer Finanzierbarkeit, die Kreditvergabe und die laufenden Preissteigerungen von Materialien lassen einige Projekte platzen. So bleiben für viele Bau- und Ausbauhandwerke die Sanierung, Modernisierung und Reparatur. "Das sieht momentan noch gut aus, wird aber auch kein uneingeschränktes Eigenleben in der Gesamtkonjunktur führen können", schätzt Dachdeckermeister Krautscheid realistisch ein. Zumal die hohe Preisdynamik bei der Materialbeschaffung einen weiteren negativen Nebeneffekt hat: bestehende Aufträge werden für manch einen Betrieb unwirtschaftlich, da mit ihrer Realisierung faktisch Verluste erzielt werden.
Kritik von allen befragten Unternehmen gibt es am jüngst von der Bundesregierung beschlossenen dritten Entlastungspaket. "Mittelständische Betriebe finden sich darin mit ihren Problemen nicht wieder und werden in der Energiekrise sich selbst überlassen", fasst Kurt Krautscheid zusammen und wiederholt seine Erwartung eines vierten Entlastungspakets, das die notwendige Unterstützung des Mittelstandes berücksichtige. "Die Versäumnisse im dritten Entlastungspaket müssen korrigiert werden."
Die bereits von der Bundesregierung initiierten Unterstützungsprogramme für Unternehmen zur Abfederung der Folgen des Ukraine-Kriegs und der stark gestiegenen Energiekosten kommen im Handwerk trotz breiter Betroffenheit bisher nicht an. Entsprechend müssen die Zugangskriterien zu bereits vorhandenen und zukünftiger Unterstützungsprogramme so ausgestaltet werden, dass auch alle stark belasteten Handwerksbetriebe daran partizipieren können. Aktuell berichten aber lediglich weniger als ein Prozent der bundesweiten Betriebe über eine Inanspruchnahme der zur Verfügung stehenden Sonderdarlehensprogramme oder Sonderbürgschaften. Der Grund: das Antragsverfahren ist zu kompliziert. "Das Antragsprocedere muss praktikabel und überschaubar bleiben, die beizubringenden Antragsunterlagen müssen auch von Kleinstbetrieben bewältigt werden können", stellt Krautscheid klar.
Positiv wirkt sich in all dem das Krisenmanagement vieler Handwerksbetriebe aus, das bereits im Beginn der Corona-Pandemie seinen Ursprung hatte - auch beim Thema Energieeffizienz. "Viele Betriebe haben nach Wegen gesucht, laufende Betriebskosten zu drücken, um in der Gesamtbilanz gut dazustehen." Aus den HwK-Beratungen wisse man, dass gerade die Energiekosten im Fokus dieser Betrachtungen stünden. Da sei der ein oder andere Betrieb in den vergangenen zwei Jahren weit gekommen Richtung Eigenversorgung. "Davon profitieren diese Betriebe nun und ich bin mir sicher, dass in der aktuellen Krise der Ansatz für eine energetische Großoffensive steckt. Nicht nur die laufenden Energiekosten werden so langfristig gesenkt. Das Handwerk hat natürlich auch bei der Planung und Installation entsprechender Systeme eine Schlüsselrolle inne. Daraus ergeben sich auch wichtige Begleitumstände für den Umwelt- und Klimaschutz. Wenn überhaupt etwas Positives in der aktuellen Krise steckt, dann das", so Krautscheid abschließend. (PM)
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