Werbung

Pressemitteilung vom 02.11.2022    

Sexualisierte Gewalt: Kein Thema vom Rand der Gesellschaft

Es kann immer und überall passieren, in jedem Umfeld, in jeder Situation. Manchmal spontan, viel häufiger aber noch perfide vorbereitet: Sexualisierte Gewalt, so muss man es leider ausdrücken, ist ein Teil unserer Gesellschaft. Und gerade Kinder und Jugendliche sind von ihr betroffen.

Netzwerkkoordinatorin Saskia Müller (M.) begrüßte als Referentinnen Alexandra Siebel (l.) und Claudia Wienand von der Beratungs- und Präventionsstelle "Ronja" in Westerburg. (Foto: Kreisverwaltung)

Altenkirchen. Nach Angaben des Bundeskriminalamts wurden 2021 durchschnittlich 49 Minderjährige pro Tag Opfer sexualisierter Gewalt. Eine nicht mehr nur erschreckende, sondern grauenhafte Zahl, auf die es nur eine erste Antwort geben kann: "Erkennen, benennen, handeln."

Genau so war jetzt die lokale Netzwerkkonferenz "Kindeswohl und Frühe Hilfen" überschrieben, zu der Netzwerkkoordinatorin Saskia Müller in die Kreisverwaltung Altenkirchen eingeladen hatte. In diese Runde trifft sich regelmäßig eine Vielzahl von Ansprechpartnern und Multiplikatoren: aus Schulen und Kitas, aus medizinischen Einrichtungen und Strafverfolgungsbehörden. Sie alle haben einen Auftrag: "Wenn nicht wir Erwachsene, wer sonst soll die Kinder schützen." So formulierte es Claudia Wienand von der Präventions- und Beratungsstelle "Ronja" in Westerburg, die gemeinsam mit ihrer Kollegin Alexandra Siebel als Referentin an der Konferenz teilnahm.

Sexuelle Gewalt, so berichtete Alexandra Siebel, sei immer ein Ausdruck von Aggression, Kontrolle – und vor allem von Macht. Es würden in allen Fällen Grenzen überschritten und die Intimsphären verletzt, der Täter oder die Täterin (es sind nicht nur Männer) bauten oftmals Abhängigkeiten auf, setzten auf Geheimhaltung und agierten mit Drohungen. Die Bandbreite sexualisierter Gewalt ist dabei nach Darstellung der Referentin enorm: Sie reicht von unabsichtlichen Berührungen (was noch korrigiert werden kann) bis hin zu den strafrechtlichen Fällen, wenn es zu Nötigungen, Vergewaltigungen, Zwangsprostitution etc. kommt. Und ein Übergriff müsse nicht immer nur körperlich stattfinden, so Alexandra Siebel. Auch der Spruch "Na, ihr Süßen" eines Sozialarbeiters zu einer Gruppe von Mädchen oder der Blick einer Lehrkraft in den Ausschnitt sei schon eine Grenzverletzung.
Viel sexualisierte Gewalt sehe man im Internet, Stichwort Cybergrooming. "Man kann im Internet jeder und jede sein, der oder die man sein möchte", sagte Siebel zu den Täter-Strategien.



Die Zahlen sind in den vergangenen Jahren jedenfalls drastisch gestiegen, zuletzt registrierten die Behörden rund 15.500 Fälle sexualisierter Gewalt, bei Missbrauchsdarstellungen (Kinderpornografie) stieg die Zahl 2021 auf über 39.000. Dabei dürfte das Dunkelfeld noch deutlich Drastischeres enthalten. Ungeklärt ist noch, ob es tatsächlich immer mehr Gewalt gibt oder ob das Bewusstsein für das Erkennen und Aufklären gestiegen ist.

Claudia Wienand berichtete, dass es sich bei den Tätern oftmals um sozial engagierte Bürger handele. Denn hier sei es leichter, an potenzielle Opfer zu gelangen. "80 Prozent der Taten geschehen in einem persönlichen Umfeld", verwies die "Ronja"-Mitarbeiterin auf die Tatsache, dass sich Täter und Opfer kennen würden. Erste Grenzverletzungen seien als eine Art "Testballon" zu verstehen, später werde versucht, dem Opfer eine Mitschuld an der Tat einzureden. Gerade Kinder hätten Angst davor, dass man ihnen nicht glaube oder durch ihre Aussagen Familien zerstört würden. "Der Täter trägt aber immer die alleinige Verantwortung", stellte Wienand zu möglichen Selbstzweifeln klar.

Wer Opfer von sexualisierter Gewalt wird oder wurde, zeigt die unterschiedlichsten Symptome. Körperliche Verletzungen fallen natürlich Außenstehenden auf, schwieriger wird es bei psychosomatischen und psychischen Auffälligkeiten. Claudia Wienand warb jedenfalls bei den Teilnehmenden der Konferenz für eine "Kultur des Hinsehens", im Zweifel sollte externe Beratung hinzugezogen werden.

Für Netzwerkkoordinatorin Saskia Müller kommt es darauf an, dass in Kitas und Schulen altersgerechte Konzepte zur Aufklärung vorhanden sind. Wichtig sei, dass Erzieher sowie Lehrkräfte von den Kindern als vertrauenswürdige Personen wahrgenommen würden und eine entsprechende Atmosphäre vorhanden sei.
(PM)



Lesen Sie gerne und oft unsere Artikel? Dann helfen Sie uns und unterstützen Sie unsere journalistische Arbeit im Kreis Altenkirchen mit einer einmaligen Spende über PayPal oder einem monatlichen Unterstützer-Abo über unseren Partner Steady. Nur durch Ihre Mithilfe können wir weiterhin eine ausgiebige Berichterstattung garantieren. Vielen Dank! Mehr Infos.



Lokales: Altenkirchen & Umgebung
Feedback: Hinweise an die Redaktion


Anmeldung zum AK-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Kreis Altenkirchen.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus Region


Hochwertige Pedelecs aus Garage in Herdorf gestohlen

Herdorf. Unbekannte Täter brachen kurz nach 3 Uhr eine Garagentür in der Straße "In der Struth" in Herdorf auf und entwendeten ...

Familienkarte Rheinland-Pfalz nun auch in Altenkirchen, Neuwied und Westerwald

Region. Die Familienkarte bietet Familien in den drei Landkreisen zahlreiche Vorteile, darunter Rabatte auf kulturelle, sportliche ...

Musikalische Einstimmung auf Advent und Weihnachten in Weyerbusch

Weyerbusch. Der Abend wird durch bekannte Choräle bereichert, bei denen die Bläser die Gemeinde aktiv einbeziehen. Der Kirchenchor ...

Westerwälder Rezepte - Steak auf gebackenem Brot an Salat

Dierdorf. Die würzige Guacamole ist schnell hergestellt, sie kann auch schon am Vortag zubereitet werden, wegen der Zitrone ...

Ortsverband Bündnis 90/DIE GRÜNEN Hamm/Wissen gehen mit neuem Vorstand in die anstehenden Wahlen

Hamm/Wissen. Am letzten Grünen Abend des Jahres trafen sich die Mitglieder der Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Restaurant "The Old ...

Europarat lockert den Schutzstatus von Problemwölfen: Weg frei für erleichterten Abschuss

Region. Der Europarat hat grünes Licht gegeben: Der Status der Wölfe wechselt von "streng geschützt" zu "geschützt". Diese ...

Weitere Artikel


Konzert des Kammerchors Betzdorf in Birnbach

Birnbach. Chor- und Orgelmusik vom Feinsten bieten dabei der Kammerchor Betzdorf, die Sopranistin Kate Healey und Franz-Josef ...

Bundesranglistenturnier Tischtennis "Jugend 15": Viele Spieler aus der Region dabei

Landsberg/Saale. Großer Gewinner des Wochenendes ist Ole Kaspers (FSV Mainz 05), der sich als Drittplatzierter für das Top-24 ...

Verein Neues Leben verzeichnet Anmelderekord für Lagerfeuerfest

Wölmersen. Kinder, Familien, Gruppen und neugierige Erwachsene tauchten drei Stunden ein in eine ganz besondere Atmosphäre. ...

Beirat für Migration und Integration spendet Theater-Erlös an Tafeln

Altenkirchen. Rund 650 Euro sind insgesamt zusammengekommen, die während der letzten Sitzung des Beirats an die Tafel-Vertreter ...

SG Ellingen: Spielberichte der "Ellinger Mädels"

Straßenhaus. Es war das Spiel, auf das sich die Ellinger Mädels sehr gefreut haben. Von Anfang an war klar, dass sie Vollgas ...

Diebstahl eines Christus-Korpus an Wegekreuz

Wissen. Bereits am 21.07. kam es zu einem gleichgelagerten Fall. Zeugen, die verdächtige Beobachtungen gemacht haben, werden ...

Werbung