Altenkirchener Kreistag: Haushalt 2023 wurde einstimmig gebilligt
Die Freude war eher verhalten: Zum einen ist der Haushalt des Kreises Altenkirchen für 2023 ein wirklich guter, zum anderen werden bereits Zweifel laut, ob die finanzielle Ausstattung in den sich anschließenden Jahren wirklich auf diesem so nicht erwarteten Niveau verharrt.
Altenkirchen. Die Finanzen des Kreises Altenkirchen sind fürs kommende Jahr in trockenen Tüchern: Einstimmig verabschiedete der Kreistag in seiner Zusammenkunft am späten Montagnachmittag (19. Dezember) das Zahlenwerk, das durch die Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs in lange nicht gekannter wohl ausgestatteter Beschaffenheit daherkommt. Dennoch: Beim Blick über den 2023er-Tellerrand hinaus waren bereits mahnende Worte zu vernehmen. Deutlich wurde: Das Land hängt vor allem am Tropf des Mainzer Weltmarktführers in Sachen Biotechnologie, der Firma Biontech, dessen Steuereinzahlungen einen ganz entscheidenden Part in dem so komplizierten monetären Räderwerk spielen. Auch wurde deutlich gemacht, dass die durchs Land verfügte Erhöhung der Nivellierungssätze die Realsteuern deutlich nach oben klettern lässt und Bürger in einer Zeit, in der es vor Preisanstiegen nur so wimmelt, noch mehr belastet.
Kreisumlage deutlich niedriger
Ein kurzer Blick in den Haushalt: Die Kreisumlage, über die die Kommunen zum Teil den Kreis finanzieren, sinkt um 4,5 Prozentpunkte von aktuell 44,5 auf 40 Prozent. Im Ergebnishaushalt steht ein Plus in Höhe von 946.404, im Finanzhaushalt eine Überdeckung von 2.785.688 Euro. Dreh- und Angelpunkt sind die Schlüsselzuweisungen. Die bislang nach altem Recht gültigen wurden komplett gestrichen (2022 verbuchte der Kreis in diesem Sektor Einnahmen in Höhe von 45.128.700 Euro) und durch die neue Schlüsselzuweisung B ersetzt, die dem AK-Land satte 67.036.419 Euro in die Kasse spülen wird. Die dicksten Ausgabenposten rangieren unter den Schulbaumaßnahmen (Auszahlungen 11.354.500 Euro/Einzahlungen 5.511.000 Euro) und bei den Kreisstraßen (7.272.792 Euro/4.852.822 Euro). Die Differenz zwischen Aus- (23.415.019 Euro) und Einzahlungen wie Zuschüssen und Förderungen (10.288.072 Euro) beträgt demnach 13.126.947 Euro, die zum Teil per Investitionskredite aufgefangen werden müssen (10.341.000 Euro). Die planmäßige Tilgung von Krediten ist mit 4.390.000 Euro angesetzt, die Nettoneuverschuldung mit 5.951.000 Euro. Der Schuldenstand erhöht sich von 88.500.000 (31. Dezember 2022) auf 94.451.000 Euro (31. Dezember 2023). Die Höhe des Eigenkapitals (auch dank des Besitzes der RWE-Aktien) beträgt 82.820.828 Euro.
„Zeitenwende“ auch in Kommunen
Landrat Dr. Peter Enders machte deutlich, dass das Wort des Jahres „Zeitenwende“ für viele weitere Bereiche des Lebens gelte: „Es betrifft uns alle - auch in den Kommunen“, meinte er und brachte es in Beziehung zum gerichtlich neu geregelten Landesfinanzausgleich, nach dem der Kreis Altenkirchen einer der großen Gewinner sei. Nunmehr gebe es ein bedarfsorientiertes Finanzausgleichssystem. Dies führe zu einer neuen Systematik mit erheblichen Veränderungen bei den Schlüsselzuweisungen mit einem Plus von 21 Millionen Euro für den Landkreis. „Das zeigt, dass wir über lange Jahre zu schlecht ausgestattet worden sind“, fügte Enders an und nannte den Grund für den deutlichen Zuwachs im System: „Es sind die enormen Steuereinnahmen von Biontech.“ Die Warnung folgte indes auf dem Fuße. Ob die gleichen Summen in den Folgejahren zur Verfügung stünden, daran hätten bereits jetzt Experten ihre Zweifel. Die Erhöhung treffe aber auf die Realität, in der Menschen den Gürtel enger schnallen müssten. „Das Mehr in der Kreiskasse wird durch steigende Kosten vor allem im Energiesektor aufgefressen“, meinte Enders. Dennoch würden Städte und Ortsgemeinden in der Breite entlastet – auch durch die sinkende Umlage. Für Enders bleibt jedoch unumstößlich, dass auch weiterhin das Gebot der Sparsamkeit gelte.
„Vollkasko-Staat stößt an Grenzen“
„Wir dürfen die Grenzen der finanziellen Möglichkeiten nicht überreizen“, erklärte Michael Wäschenbach (CDU), „der Vollkasko-Staat stößt an die Grenzen der Belastbarkeit.“ Der Kreis sei nun besser ausgestattet mit dem Geld, „das uns lange vorenthalten wurde. Uns waren Daumenschrauben angelegt“. Die 21 Millionen Euro hätten jahrelang gefehlt, der langjährige Verfassungsbruch werde geheilt. „Der Rückgang der Umlage um 4,5 Prozentpunkte verschafft den Kommunen vor Ort Luft in der Hoffnung, dass der Effekt langfristig ist“, betonte er weiter und bilanzierte: „Unter der Regierung Dreyer ist die kommunale Ebene wie ein ungeliebtes Stiefkind behandelt worden.“ Bernd Becker (SPD) sprach von einem Haushalt, der in seiner Gänze Antworten auf die aktuellen Herausforderungen gebe, und zeigte das an einigen „Anmerkungen im Galopp“ wie Bildung und Schulen, Öffentlicher Personennahverkehr oder Katastrophenschutz auf. Der Haushalt 2023 sei aus vielerlei Gründen und Umständen ein Übergangshaushalt, aber auch ein Haushalt der neuen Chancen. Parallel würden die Kommunen zu größtmöglichen Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung aufgefordert, insbesondere die „eigenen Einnahmequellen angemessen auszuschöpfen“, erinnerte er an die unausweichlichen Erhöhungen der Realsteuersätze, nachdem das Land die Nivellierungsgrundlagen (vor allem für die Grundsteuer B) deutlich nach oben geschraubt hatte. „Und ja, es ist ein Problem, dass viele Kommunen jetzt einen Schritt nachholen müssen, was andere kontinuierlich über viele Jahre verteilt getan haben“, verdeutlichte Becker.
„Wer bestellt, muss auch bezahlen“
Auch Anna Neuhof (Bündnisgrüne) sah den Kreis als großen Gewinner der Reform des neu gefassten kommunalen Finanzausgleichssystems. Der Kreis liege entweder auf Platz eins oder zwei, je nachdem, ob die Situation im Gesamten oder pro Kopf bewertet werde. Sie erinnerte in Richtung der Ortsgemeinden daran, dass ein ausgeglichener Haushalt geltendes Recht sei. Die Kommunen müssten sämtliche ihnen zur Verfügung stehenden Einnahmequellen ausschöpfen. An die Adresse des Landes gerichtet verwies Neuhof auf das Einhalten des Konnexitätsprinzips: „Wer bestellt, muss auch zahlen.“ Der Schein trüge, dass „alles Paletti ist“, äußerte Hubert Wagner (FWG) und spielte auf die Millionenzahlungen von Biontech an, die seines Erachtens nach nicht von Dauer in dieser Höhe seien. „Vielleicht muss ein neuer Virus her“, lautete seine Pointe. Auch für ihn ist das Zahlenwerk 2023 ein „Übergangshaushalt“. In den Jahren danach würden die hohen Belastungen auf die Rücken der Bürger entfallen durch den Abstieg der Nivellierungssätze. „Den kommunalen Finanzausgleich finanziert der Bürger mit“, war er sich sicher, „der Kreishaushalt wird wieder enorm belastet“. Als Beispiel nannte er das Deckungsloch im Öffentlichen Personennahverkehr.
„Der Bürger zahlt immer“
Udo Piske (FDP) ging auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom 16. Dezember 2020 ein und konstatierte, dass nicht nur das Land, sondern „auch seine Kommunen in die Pflicht genommen werden. Es verpflichtet sie zu wirtschaftlicher und sparsamer Haushaltsführung und merkt deutlich an, dass der Anspruch auf eine aufgabenadäquate Finanzausstattung keine Vollfinanzierung im Sinne einer kompletten Kostenerstattung garantiert“. Das Ausschöpfen der Einnahmepotenziale bedeute eine extrem starke Kraftanstrengung für die Gemeinden und die Gemeindeverbände, die in vielen Gemeinden von den derzeit ohnehin finanziell schwer belasteten Bürgerinnen und Bürgern höhere Steuern und Abgaben einfordern müssten. Piskes lapidares Fazit lautete: „Der Bürger zahlt immer.“ Udo Quarz (Die Linke) bemängelte, dass soziale Aspekte in die Steuererhebungen nicht einbezogen worden seien. Auch sei der Grundsatz der Leistungsfähigkeit nicht beachtet worden. Speziell nahm er den Öffentlichen Personennahverkehr in den Fokus. In diesem Segment gebe es eine Unterdeckung in Höhe von 10,6 Millionen Euro. Er halte eine Kostendeckung für wichtig, die Bezuschussung des Landes sei zu niedrig. (vh)
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