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Hartmut Hülsmann verabschiedet
Er konnte wegen einer Verletzung zu seiner eigenen Verabschiedung nicht kommen: Pfarrer Hartmut Hülsmann war über 30 Jahre im Dienst am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Betzdorf. Zwischen 4000 und 5000 Schüler sind dem Pfarrer in seinen vielen Dienstjahren begegnet, einige davon hat Hülsmann später als Lehrerkollegen wiedergetroffen.
Betzdorf. Lebensgeschichten sind nicht vorgeschrieben und halten manche Überraschung parat: Schulpfarrer zu werden hatte sich für Hartmut Hülsmann aus Betzdorf eher zufällig ergeben. Zu Beginn der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war er noch Gemeindepfarrer in einem Team in einer 16-Dörfer-Pfarrei im Norden Schleswig-Holsteins, als der damalige Pfarrer Hermann Twittenhoff aus Betzdorf plötzlich als "Abwerber" auftauchte und den jungen Theologen und seine Familie in den Westerwald "lockte". Er zeigte Pfarrer Hülsmann und seiner Frau die schöne Mittelgebirgslandschaft und vermittelte ein geräumiges Einfamilienhaus am Molzberg in Betzdorf als Dienstwohnung.
Das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium ist mittlerweile eine mehr als einhundertjährige Einrichtung, aber einen Schulpfarrer gab es bis zu den 70er Jahren dort noch nicht. Zum ersten Mal sollte dort nu eine Schulpfarrstelle besetzt werden. Die Betzdorfer hofften, eine gute Wahl zu treffen und prüften den potentiellen Kandidaten zuvor auf "Herz und Nieren". So ganz genau wusste eigentlich damals keiner, was man von einem Schulpfarrer in der Siegstadt erwartete. Dementsprechend vage war auch der Gestellungsvertrag. Doch Hartmut Hülsmann nahm die Herausforderung an und genoss die einmalige Chance, die sich damit eröffnete: Selbst gestalten können! Und diesen Gestaltungsraum nahm er sich und füllte ihn so aus, dass Superintendent Eckhard Dierig bei der offiziellen Verabschiedungsfeier, zu der Hülsmann nicht anwesend sein konnte, unterstrich, dass "ein kleiner Mann ganz große Schuhabdrücke" hinterlassen habe.
Und nun blickt er auf mehr als 30 Jahre Dienst als Schulpfarrer am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Betzdorf zurück. Seit einigen Wochen ist er im Ruhestand und hat damit seinen "Titel" als dienstältester Pfarrer im Evangelischen Kirchenkreis Altenkirchen weitergereicht an Gemeindepfarrer Bernd Henrich (Schöneberg).
Seinen Abschied als Schulpfarrer hatte sich der einst abgeworbene Theologe etwas anders vorgestellt. Doch eine Verletzung riss ihn mitten aus dem Schulalltag heraus und die langwierige Heilung und die damit verbundene Gehbehinderung verhinderte sogar die Teilnahme an seiner eigenen Verabschiedung und der Amtsübergabe an Pfarrer Martin Hassler.
Zwischen 4000 bis 5000 Schüler sind dem Schulpfarrer in den langen Dienstjahren begegnet. Einige davon traf Hülsmann in späteren Jahren als Lehrerkollegen wieder, so mancher wurde auch zum Theologie- oder Philosophiestudium angeregt.
Schulpfarrer Hülsmann habe sich immer als Kollege unter Kollegen verstanden, wie Schulreferent Martin Autschbach unterstrich, daneben aber auch immer als Seelsorger für Schüler, Eltern und Lehrer. Abseits des eigentlichen Religionsunterrichts nutzten zudem Viele die Gelegenheit, ihrem Schulpfarrer bei freiwilligen Arbeitsgemeinschaften, etwa zu philosophischen Fragen, oder im Hebräisch-Unterricht zu begegnen. Durch diese Angebote entstanden für den evangelischen Pfarrer auch viele Kontakte zu katholischen Schülern.
Stark gewandelt haben sich Schule und Religionsunterricht in über 30 Jahren, bilanziert der ehemalige Schulpfarrer. So begann 1976 an den Gymnasien die neue Oberstufen-Ausbildung (MSS). Ein Religions-Leistungskurs kam im Laufe der vielen Jahren nie zustande, weil meistens eine Kollegin oder ein Kollege als Zweitkorrektor fehlte. Schüler, die ein Interesse über den normalen Unterrichtsstoff hinaus hatten, nutzten die Zusatz-Angebote, gerade auch mit Blick auf Fragen der Philosophie und der Religionsphilosophie. Schwergewichtige Info-Pakete zu den verschiedensten Themen hat Pfarrer Hülsmann dazu in den langen Schuljahren erarbeitet und zusammengetragen.
Gewandelt haben sich auch die Schüler und ihre Interessen. Gerne erinnert sich Hülsmann an das Engagement früherer Schülergenerationen, die ihre Meinung sehr offensiv vertraten und - egal ob Einsatz gegen die "Startbahn West" oder für die Dritte Welt - immer auch öffentlich präsentierten.
Vier Schulleiter in den 32 Dienstjahren "ermöglichten stets ein gutes Arbeiten" und es gab immer ein gutes Miteinander in den wechselnden Kollegien. Dabei blieb allerdings eines konstant: Der Schulpfarrer legte nie Wert auf einen festen Sitzplatz in den Lehrerzimmern. Über 30 Jahre lang "zirkulierte" er und kam so immer wieder zu neuen Gesprächspartnern in Kontakt.
Stetig hingegen die Gottesdienstangebote: Mindestens drei Schulgottesdienste im Jahr gehörten dazu. Obligatorische, wie etwa zu Schuljahresbeginn und zum Schulhalbjahr oder zum Abitur, dazu thematische wie Weihnachtsgottesdienste oder andere außergewöhnliche. Ökumene war dabei ebenso wichtig wie die Kooperation mit den Schulmusikern. Neben der Schule engagierte sich Hartmut Hülsmann auch stets auf Kirchenkreis-Ebene, hier setzte er sich ein im Schulausschuss, aber auch im Bereich der Erwachsenenbildung.
Für die Volkshochschule wird nach jahrzehntelangem Einsatz auch künftig sein Herz schlagen. Hier bietet Hülsmann anspruchsvolle Bibelkurse an, was sowohl ihn als Dozenten, wie auch Interessierte mächtig fordert. Dass er für diese Vorbereitungen - und natürlich auch für vielerlei private Interessen - künftig mehr Zeit hat, darauf freut er sich in der Ruhestandsphase. Manches an Anregungen aus dem Schulalltag wird ihm künftig fehlen, gerne verzichtet Hülsmann hingegen auf den langjährigen Zeitdruck und die Pflicht zum Benoten. Der Zeitdruck war indes - so wie es seiner Dienstauffassung entsprach - oft hausgemacht: Innerhalb von einer Woche schaffte er stets die Korrekturen von Oberstufen-Arbeiten. Bei manchmal sieben Oberstufen-Kursen parallel eine große Herausforderung. (Petra Stroh).
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Schulpfarrer Hartmut Hülsmann (links) war über 32 Jahre lang am Betzdorfer Gymnasium im Dienst. Der Eintritt in den Ruhestand wurde durch eine Verletzung und deren Folgen unangenehm begleitet. Nun hofft der bislang dienstälteste Pfarrer im Evangelischen Kirchenkreis Altenkirchen auf eine baldige Genesung und neue Herausforderungen. Schulreferent Martin Autschbach (rechts) etwa will den Dialog mit dem engagierten Theologen und Pädagogen noch lange nicht missen. Foto: Petra Stroh
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