Leere Kassen: Bleibt der Regiobahnhof Wissen ab 2031 zu?
Von Katharina Behner
Als "außergewöhnlicher Härte- und Sonderfall" beschreibt die Kommunalaufsicht die Finanzlage von Wissen. Wegen der seit Jahren bestehenden Finanzkrise der Stadt stehen deutliche Steuererhöhungen an, worauf sich der Stadtrat verständigte. Beim Regiobahnhof kann die Stadt nicht weitermachen wie bisher: Hilft keiner, bleibt er ab 2031 zu.
Wissen. Der Wissener Stadtrat hat am Montag (6. Februar) seinen Haushalt beschlossen - und das, nachdem er im Dezember einheitlich eine Beschlussfassung abgelehnt hatte, da der Etat nicht ausgeglichen war und Handlungsunfähigkeit im Raum gestanden hätte. Die Kuriere hatten über den aufgeschobenen Beschluss bereits berichtet. Dass zur aktuellen Stadtratssitzung überhaupt ein Haushalt vorgelegt werden konnte, dafür dankte Bürgermeister Berno Neuhoff gleich zu Beginn der Kreisverwaltung Altenkirchen als Kommunalaufsichtsbehörde, dem Leiter des Finanzreferates Christoph Schmidt sowie den Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat.
Drei Gesprächsrunden mit der Kreisverwaltung, den Fraktionsvorsitzenden der SPD und CDU im Landtag und mit dem Beigeordneten beim Landrat und der Kommunalaufsicht gingen dem nun vorgelegten Haushalt voraus. Dass das Innenministerium in Mainz nicht einmal bereit gewesen sei, einen Gesprächstermin zur Darlegung der Folgen des Finanzausgleichs für die Stadt Wissen zu geben, bezeichnete Neuhoff dagegen als klares "No Go". Weitere Gespräche mit den Abgeordneten der FDP und den Grünen zusammen mit den Fraktionschefs auch der Verbandsgemeinde sollen folgen, da die Herausforderungen eng vernetzt sind.
Haushalt bleibt nicht ausgeglichen
Gegenüber dem Entwurf aus dem Dezember 2022 sinkt das Defizit von 1,6 Millionen Euro auf rund 650.000 Euro im Ergebnishaushalt. Eigentlich ist auch das unzulässig. Doch um einen ausgeglichenen Haushalt zu realisieren, hätte man auf unzumutbare Steuererhöhungen zurückgreifen müssen. In Gesprächen mit der Kommunalaufsicht konnte die Lösung gefunden werden, dass der komplette Ausgleich in den Jahren 2024 bis 2026 zu erfolgen hat.
Möglich wurde dies allerdings nur durch den positiven Sondereffekt aus hohen Gewerbesteuern 2022. Der wiederum führte zu extrem hohen Kreis- und Verbandsgemeindeumlagen. Selbst die Kommunalaufsicht habe Wissens Finanzsituation als einen "außergewöhnlichen Härte- und Sonderfall" eingestuft. Fast 1 Million Euro fehlt beim der Neuregelung des Finanzausgleichs durch den Wegfall von Schlüsselzuweisungen B und höhere Umlagen.
Grund- und Gewerbesteuern steigen - Zuschuss Kulturwerk fällt weg
Von harten und drastischen Einschnitten und fundamentalen Weichenstellungen für die Zukunft sprach Neuhoff zum Haushalt 2023. Entsprechen musste der Stadtrat unangenehme Entscheidungen treffen. So steigen die Grundsteuern A und B auf 660 Prozent (bisher 440) und die Gewerbesteuer auf 470 Prozent (bisher 440), was allein dem neuen kommunalen Finanzausgleich und der Teilnahme am Entschuldungsfonds geschuldet sei, hob Neuhoff nochmals hervor. Gegen den Finanzausgleich zu klagen will sich die Stadt nach der gesetzlich einzuhaltenden Evaluierungsfrist von drei Jahren vorbehalten.
Ein weiterer Einschnitt betrifft das Kulturwerk. Seit Eröffnung im Jahr 2009 zahlt die Stadt einen jährlichen Zuschuss von 30.000 Euro, der nun nicht mehr aufgebracht werden kann.
"Wenn alles nicht hilft, ist der Regiobahnhof ab 2031 zu"
Der teuerste Ausgabeposten ist allerdings der Regionalbahnhof. 2006 eröffnet, kostete er 14 Millionen Euro. Gefördert wurden damals 75 Prozent seitens des Landes (außer der Bahngallerie). Allein 425.000 Euro fallen jährlich an Aufwand durch Wartung, Pflege, Sicherheitsauflagen und andere fixe Kostenpunkte an, die die Stadt allein trägt. Hinzu kommen jährlich weitere 200.000 Euro an Investitionszinsen. Als eine der bedeutendsten Verkehrsanlagen in Rheinland-Pfalz ist der Regiobahnhof landesweit der einzige Bahnhof, der sich in Trägerschaft einer Stadt befindet. Dabei ist er nicht nur für die Stadt, sondern für eine ganze Region von großer Bedeutung. "Von rund 2500 Kommunen in Rheinland-Pfalz ist die Stadt Wissen die einzige Stadt, die einen Regiobahnhof betreut und ihn inhaltlich voll für andere finanziert", machte Neuhoff deutlich.
Innerhalb der Fraktionen im Stadtrat herrsche Einigkeit, dass die Stadt dazu nicht weiter in der Lage sei. Vor allem, wenn die Bürger und Gewerbetreibenden den Bahnhof weiter über Steuern finanzieren müssten. "So wie jetzt können wir nicht weitermachen", sagte Neuhoff. Das Schöne jedoch an der Demokratie sei, dass Entscheidungen korrigiert werden könnten und müssten, wenn erkannt werde, dass sie für die Zukunft nicht mehr tragbar sind.
Schon jetzt habe die Verwaltung die alten Akten zum Bahnhof vom Speicher geholt, um sie genau zu prüfen. Seitens des Stadtrates erhielt Neuhoff das Mandat, eine zukunftsfähige Form der Finanzierung und Kooperationen zusammen mit Bahn, Bund, Kreis, den Verkehrsverbänden und insbesondere dem Land als Zuschussgeber zu finden. Er sei bereit, alles zu tun. Dabei werden nach der Prognose des Bürgermeisters komplizierte und nicht einfache Gespräche anstehen.
Sollten jedoch all diese Bemühungen nicht zum Erfolg führen, "wird der Wissener Regiobahnhof im Jahr 2031 nach Ablauf der Bindungsfristen außer Betrieb gesetzt", so Neuhoffs Worte. Dann würden Aufzüge abgeschaltet und der zentrale Omnibusbahnhof geschlossen und die Flächen vermietet. Dann sei es nicht mehr Sache der Stadt.
Weiterhin positiv denken
Gleichwohl machte er Mut und gab Sicherheit. Sicherheit zum einen für die Mieter der Galerie: Aufgrund fester Verträge und Unverzichtbarkeit in der Zukunft für die Bahngalerie müssten sie sich keine Sorgen machen. Insgesamt regte der Bürgermeister an, positiv zu denken. Fest an die Zukunftsfähigkeit der Stadt glaubend, sei er sicher, dass Lösungen in diesem Transformationsprozess gefunden würden. Wie immer diese auch aussehen mögen, sollen es Lösungen für die Zukunft "unsere Kinder und Nachfahren hier in der Stadt Wissen" sein. Allein deshalb sei es "sträflich", nicht am kommunalen Entschuldungsfonds teilzunehmen, der die Stadt um 12 Millionen Euro bei den Kassenkrediten entlasten wird, was zudem Unmengen an Zinsen spart.
Die Beschlussfassung zum Haushalt wurde im Anschluss im Übrigen nicht mehr diskutiert. Katrin Salveter (CDU-Fraktion) legte in einem kurzen Statement die Meinung des gesamten Gremiums dar. Im Namen aller Fraktionssprecher stehe man hinter den Darlegungen des Bürgermeisters, man schließe sich komplett an. Einstimmig fiel entsprechend die Beschlussfassung. (KathaBe)
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