Der Beruf des Übersetzers in der heutigen Zeit — zukunftsfähig oder überholt?
Die letzten Jahrzehnte haben in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens enorme Umbrüche, Veränderungen und Erleichterungen hervorgebracht. Zweifelsohne sind insbesondere in den vergangenen Jahren allein derart massive Fortschritte in der Computertechnik sowie der Vernetzung der Weltbevölkerung passiert, dass es schwer zu glauben ist. In diesem Beitrag möchten wir uns einem Beruf widmen, der auf den ersten Blick heute womöglich obsolet oder kaum überlebensfähig erscheint.
Wir reden von der Tätigkeit als Übersetzer. Auf zwei Gebiete legen wir dabei unseren Fokus und prüfen, wie sich die Arbeit im Vergleich zu früheren Zeiten gewandelt hat. Das Ergebnis wird so manchen überraschen.
Übersetzen? Das kann doch heute jeder online selbst!?
Die gerade genannte und ähnliche flapsig formulierte Phrasen kennen studierte Übersetzer und Dolmetscher meist zur Genüge. Übersetzen wird als stupide, wörtliche Übertragung von Sätzen von einer Sprache in die andere angesehen, eine Arbeit, die heute doch jeder im Browser oder mit einer App auf dem Smartphone selbst erledigen kann, vollautomatisch. Und wenn es auch hart klingt: die Leute haben recht.
Doch damit ist keineswegs ein Ende des Übersetzerberufs samt Studiengang gemeint. Mitnichten. Denn zum wirklichen Übersetzen gehört viel mehr. Es bedarf einer ausgeprägten Kenntnis der Feinheiten von Ausgangs- und Zielsprache, was allein schon bei Floskeln, Metaphern und Redewendungen zum Tragen kommt. Da wird ja der Hund in der Pfanne verrückt — dieses Idiom sei hier exemplarisch als Beispiel genannt. Das simple Eintragen in ein Übersetzungstool online bringt hier eher keine befriedigenden Resultate. Es geht also beim fachgerechten Übersetzen nicht um die wortwörtliche Übertragung in eine andere Sprache, sondern um den Transport von Sinn und Inhalt, wobei im Idealfall auch die Tonalität und das Sprachniveau erhalten bleiben. Anforderungen an den Beruf des Übersetzers sind in der heutigen Zeit trotz aller technischen Fortschritte noch immer hoch. Dazu gehört die Fähigkeit, thematisch und fachspezifisch recherchieren zu können und sich Terminologie anzueignen.
Ebenso gilt es, Qualitätsstandards einzuhalten und Verschwiegenheit zu wahren, wenn es darum geht, den Inhalt von juristisch relevanten und rechtskräftigen Dokumenten übersetzen lassen zu wollen. Im Folgenden beleuchten wir zwei unterschiedliche Aufgabenbereiche von Sprachmittlern und zeigen auf, wie sich die Arbeitsweise im Vergleich zu früher gewandelt hat.
Der Sprachmittler im Wandel der Zeit
Das Folgende kann nur ein grober Abriss, eine Skizze sein, doch anhand zweier Aufgabenfelder möchten wir verdeutlichen, dass der Übersetzer auch heute und auf absehbare Zeit Relevanz in der Arbeitswelt besitzt. Dennoch vollzog sich in den vergangenen Jahren ein Wandel der Arbeitsweise, die nicht unbeachtet bleiben soll und noch nicht abgeschlossen ist. Wenn wir im Folgenden von „früher“ reden, ist die Zeit vor der weltweiten Vernetzung durch das Internet und das Aufkommen des World Wide Web gemeint, bis zu den Anfängen der Verbreitung dieser Technologien in den 90er-Jahren. Der erste Bereich ist der literarische. Hier sind meist Bücher, Reime und Gedichte das Arbeitsobjekt und das Ziel ist die Erhaltung von Sinn sowie Stil des Originalwerks. Früher war die Auswahl an Werken geringer, doch durch die weltweite Vernetzung haben sich auch die Geschmäcker von Lesern weiterentwickelt.
So kommt es, dass Autoren aus anderen Ländern heute globaler agieren können, den Aspekt einer Übersetzung schon bei der Entstehung des Originaltextes mitdenken. Jedoch hatte der Übersetzer früher wohl tendenziell mehr Freiraum bei der Ausgestaltung. Heute ist die Anerkennung der Übersetzertätigkeit mitunter größer, was auch an einem erhöhten Professionalisierungsgrad mitsamt guter Qualitätsstandards und Regelungen zur Bezahlung liegen dürfte. Doch Verlage und Autoren üben oft mehr Einfluss aus, da es nicht selten um ein komplexes Franchise und Serien geht, über die es die Kontrolle zu behalten gilt.
Der zweite Arbeitsbereich ist der technische. Hier dreht sich alles um die Translation von Fachtexten aus verschiedenen technischen Bereichen. Oftmals geht die Tätigkeit hier Hand in Hand mit der Verwendung von digitalen Datenbanken und der Pflege dieser. Fachterminologie und Korrektheit spielen eine große Rolle, genau wie die Einarbeitung in Details für das Inhaltsverständnis. Technischer Fortschritt durch digitale Nachschlagewerke und Automatisierungstools erleichtern dem Übersetzer heute an vielen Stellen die Arbeit, sodass sich die Recherchezeit verkürzt und das Verständnis schneller erlangt werden kann.
Das hat zur Folge, dass der Sprachmittler heute weniger abhängig von bereitgestellten Informationen des Auftraggebers ist und mehr in Eigenverantwortung arbeiten kann. Wie Sie sehen, ist der Beruf des Übersetzers zwar im Wandel begriffen, heute indessen genauso wichtig, womöglich sogar noch wichtiger als früher. Technologische Fortschritte — auch beim Thema Künstliche Intelligenz — ersetzen den Beruf nicht, vielmehr erweitern sie die Einsatzbereiche und den Arbeitsablauf. (prm)
Agentur Autor:
Sebastian Meier