Landgericht Koblenz verurteilt Automatensprenger von Kroppach zu hohen Haftstrafen
Von Wolfgang Rabsch
Bei der 9. Strafkammer des Landgerichts Koblenz endete der Prozess gegen eine Bande von sechs jungen Männern, die im Juni 2022 in Kroppach einen Geldautomaten gesprengt hatten. Der Ton hatte sich in den letzten Verhandlungstagen zwischen Verteidigung und dem Gericht verschlechtert, sodass bei der Urteilsverkündung eine sehr angespannte Stimmung herrschte.
Kroppach/Koblenz. Den sechs Niederländern, alle mit marokkanischem Migrationshintergrund, wurde seitens der Staatsanwaltschaft Koblenz vorgeworfen, die Sprengung eines Geldautomaten in Kroppach geplant, in die Tat umgesetzt und dabei etwa 31.000 Euro erbeutet zu haben. Wir berichteten.
In der Fortsetzungsverhandlung am 12. Mai 2023 wurde das Urteil verkündet, wonach die Angeklagten wegen Beihilfe oder Mittäterschaft des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit einem besonders schweren Fall des Diebstahls in wechselnder Tatbeteiligung zu unterschiedlichen Haftstrafen verurteilt wurden. Die vom Gericht verhängten Strafen liegen zwischen zwei Jahren und sechs Monaten und fünf Jahren und drei Monaten. Die Haftbefehle gegen sämtliche Angeklagte bleiben in Vollzug.
Die Verteidigung hatte teilweise Freisprüche gefordert oder hilfsweise Freiheitsstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollten.
In der vorletzten Verhandlung am 8. Mai sollte eigentlich das Verfahren zum Abschluss gebracht werden, was der Vorsitzende Richter Martin Schlepphorst auch vorher kundgetan hatte. Doch in dieser Sitzung kam alles anders, da die Verteidigung, was ihr gutes Recht ist, während der fast zehnstündigen Verhandlung einen Beweisantrag nach dem anderen stellte, die jeweils durch Kammerbeschluss abgelehnt wurden.
Angespannte Stimmung im Sitzungssaal
Nachdem mehrere Beweisanträge abgelehnt worden waren, stellte ein Verteidiger einen Antrag auf Vertagung, da er um 17 Uhr einen langfristig geplanten Arzttermin habe. Der Antrag auf Vertagung wurde seitens der Strafkammer abgelehnt, da bekannt wurde, dass der Rechtsanwalt seit vier Monaten Kenntnis von dem Termin hatte, die Ladung zu den Hauptverhandlungsterminen in dieser Sache aber erst vor etwa zwei Monaten verfügt wurden, mit allen angedachten Fortsetzungsterminen. Der Vorsitzende erklärte, dass der Rechtsanwalt bereits Kenntnis von dem Arzttermin hatte, als er die Ladung zu den Terminen erhielt. Demzufolge habe es an ihm gelegen, rechtzeitig das Gericht davon zu informieren.
Nachdem der Kammerbeschluss verkündet war, "rastete" der Verteidiger regelrecht aus. Wörtlich sagte er hoch erregt und mit sich fast überschlagender Stimme: "Die Richter machen sich die Welt, so wie sie ihnen gefällt. Ich bin stinksauer, so etwas habe ich noch nicht erlebt, eigentlich müsste ich jetzt einen Befangenheitsantrag stellen". Richter Schlepphorst wies ruhig den Rechtsanwalt nochmals darauf hin, dass er bei der Ladung zu den Fortsetzungsterminen den Hinweis erteilt habe, dass diese Sitzungen auch länger dauern könnten. Das war die Vorgeschichte vor der Urteilsverkündung.
Nach den Strafanträgen der Staatsanwaltschaft echauffierte sich der Verteidiger, der wegen des Arzttermins eine Vertagung beantragt hatte, erneut. Er griff in seinem Plädoyer vehement die Staatsanwaltschaft und die ermittelnden Behörden an, die speziell bei seinem Mandanten keine verwertbaren Fakten ermittelt hätten, die seinen Mandanten belasten würden. Die Staatsanwältin beleidigte der Anwalt, dass er einen solchen "Unsinn" in seiner langjährigen Berufspraxis noch nie erlebt habe. Wörtlich zitierte der Anwalt, an die Staatsanwältin gewandt, Boethius: "Ach, wenn du doch geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben". Zudem erwähnte er einen Staatsanwalt aus Köln, der den Banken eine Mitschuld an den vielen Geldautomatensprengungen gab, da sie nicht entsprechende Sicherheitsvorkehrungen träfen und es den Tätern relativ leicht gemachten. Darum beantragte er Freispruch und Aufhebung des Haftbefehls.
Während der Plädoyers musste der Vorsitzende mehrfach Ordnungsmaßnahmen androhen, da Angehörige der Angeklagten im Zuschauerraum aßen und tranken und sich auf den Bänken "herumlümmelten".
Klartext bei der Urteilsbegründung
Nachdem das Urteil verkündet war, nahm der Vorsitzende kein Blatt mehr vor den Mund, weil er nun nicht mehr als befangen abgelehnt werden konnte. Er las dem betreffenden Rechtsanwalt regelrecht "die Leviten" und bezeichnete dessen Verhalten als absolut respektlos gegenüber dem Gericht. In der letzten Sitzung habe er mit den Beweisanträgen ein Ping-Pong-Spiel betrieben, das sei so gewollt gewesen, denn er hätte auch die Möglichkeit gehabt, die Beweisanträge en bloc zu stellen. Dann hätte die Chance bestanden, das Verfahren bereits am letzten Verhandlungstag zu beenden. Es sei auch unredlich, allein der Staatsanwaltschaft, den Ermittlungsbehörden und den Banken die Schuld zu geben, aber das Verhalten seines Mandanten als "dummen Jungenstreich" zu verharmlosen. Nach erfolgter Rechtsmittelbelehrung wurden keine Erklärungen abgegeben. Wolfgang Rabsch
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