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Nachricht vom 12.09.2011    

Wilfried Schmickler im Hüttenhaus: Weiter

Wilfried Schmickler kam mit seinem Programm "Weiter" ins Herdorfer Hüttenhaus. So manchem Gast blieb das Lachen dann auch im Hals stecken, denn Schmickler sagte äußerst pointiert unbequeme Wahrheiten und mit seinem bekannten bitterbösen Sarkasmus blieb niemand ungeschoren. Ein vergnüglicher Kabarett-Abend, der keine Wünsche offen ließ.

Wilfried Schmickler unterhielt sein Publikum im Herdorfer Hüttenhaus bestens - bitterböse - unbequem und hochpolitisch. Fotos: anna

Herdorf. Einen heiteren, vergnüglichen Abend bot Wilfried Schmickler dem Publikum im Hüttenhaus und bewies einmal mehr, dass man auch über eigentlich sehr ernste Themen lachen kann, ja vielleicht diese ohne Humor gar nicht zu ertragen sind.

Schmickler ist einem Millionen-Publikum durch seine meist cholerischen Auftritte in der Sendung Mitternachtsspitzen im WDR bekannt. Als Solist schlägt er längst nicht so laute Töne an und tigert auch nicht permanent von einer Seite der Bühne zur anderen. Nein, live ist er doch etwas ruhiger, aber keineswegs zahmer in seinen Äußerungen. Bei ihm kriegt jeder sein Fett weg, ob Finanzhaie, Politiker oder auch die Kirche.
Wortgewandt und mit viel Humor zeigt er seinem Publikum die Missstände im Land auf, stellt Fragen, die sich sonst kaum einer zu stellen traut und macht Aussagen, bei denen auch das Publikum nicht immer so genau weiß, wie es darauf reagieren soll. So erzählte er, dass er von Hause aus katholisch sei, aber mittlerweile kein zahlendes Mitglied der Maffia oder sonst so einer kriminellen Vereinigung. Durch überzogene Schilderung der Beichte, wie er sie als Kind noch erlebt hat, machte er den Zuhörern die Perversität besonders hinsichtlich der Gewissenserforschung bezüglich moralischer Vergehen bewusst. Mit seiner textlichen Abwandlung „…und der Missbrauch kommt von oben“ erzeugte Schmickler auch einige entsetzte Reaktionen im Publikum. Vielleicht hatte er sich darum die Passage bis kurz vor Schluss aufbewahrt.
Mit dem Thema Geld und Anlagen startete er in sein unterhaltsames Programm um von da ganz schnell auf Thilo Sarrazin zu sprechen zu kommen. So zog Schmickler die Bilanz, dass im Jahre 2100 wohl ein Kalifat "Dütschlünd" ausgerufen werde und meinte, die Zukunft des Landes dürfe man nicht verhüten. Ans Publikum gerichtet fand er, dass dies irgendwie verkrampft wirke.
"Machen sie es doch wie die Jugend des Landes und schlucken sie Ritalin", empfahl er dem Herdorfer Publikum. Doch ein Witz hatte den gleichen Effekt und die Verkrampfung löse sich wie er meinte. Die Politik und die Politiker als solches sind natürlich für einen jeden Kabarettisten immer ein ergiebiges Feld.
Wilfried Schmickler weiß die besonders gut zu nutzen und daraus seine Früchte in Form von Pointen zu ziehen. Dabei macht er auch vor dem Bundespräsidenten Wulf nicht halt. Dessen neue Form der Weihnachtsansprache, im Stehen, habe es notwendig gemacht, dass nun der ganze Baum für die Fernsehaufnahmen geschmückt werden müsse. Die Äußerung von Wulf, "er wolle Brücken bauen, auch von oben nach unten", entlockte dem Kabarettisten ein Kopfschütteln und die Frage: "Sind wir nicht alle ein bisschen Wulfi?"
Positive Stimmung brauche dieses Land, so Schmickler und was hätten wir? Die Spaßbremse Angela Merkel. Doch dann stimmte er das Lied von der lieben Mutti an, deren Rezept es sei weiter, immer so weiter, auf jeden Fall weiter zu machen wie bisher. "Und wenn wir mit unserem Latein am Ende sind, dann wird halt eben griechisch gesprochen".
Bissig kritisierte Schmickler die These vom Wachstum um jeden Preis und das Wirtschaftswachstumsbeschleunigungsgesetz. Sich gesund zu schrumpfen sei nichts. Den Verzicht könnten die üben, die eh nichts haben, denn die kennen es ja nicht anders, so sein Fazit zur Einstellung der Herrschaften da oben. Neid sei die beste Kraft, die Wachstum schafft. Denn der Neid veranlasse die Menschen das haben zu wollen, was andere auch hätten. Für sein Gedicht über die Gier erhielt er zustimmenden Applaus. Seine darin verfassten Gedanken trafen den Nerv der Zuhörer.
Alle im Bundestag vertretenen Parteien wurden von Schmickler mit seinen gnadenlosen aber sehr unterhaltsamen Kommentaren bedacht. So zeigte er sich überrascht, dass es in Mecklenburg-Vorpommern so viele Hoteliers gäbe, dass die FDP dort noch 2,9 Prozent der Wählerstimmen erhalten habe. Den armen "Bämbel Brüderle" bedauerte er bezüglich der Prügel die er habe einstecken müssen, dabei habe dieser doch gar nichts gemacht. Als Pämperboys bezeichnete der Kabarettist die neue dreiköpfige Führungsriege der FDP und fand, dass so mancher Politiker den Eindruck erwecke, aus dem Regal mit den Einwegflachen entnommen worden zu sein.
Verwundert zeigte er sich auch über das schnelle Ausbreiten des Gutenberg-Syndroms, ganz schnell waren sie zu dritt. Sein Fazit: "Lieber einen Blender als gar keine Lichtquelle". Fast mitleidig stimmte er ein trauriges Lied von einem einsamen Sozialdemokraten an.
Den Lehrern des Landes drückte Schmickler auf seine ganz eigene Weise sein Mitgefühl aus. Sechzehn Kultusminister, X-verschiedene Schultypen und die Lehrer mitten drin. Deren Hauptfach sei Kuddelmuddel und die erste Fremdsprache Kauderwelsch.
Mitleid hatte der Kabarettist auch mit den viel geschmähten Rauchern des Landes, nicht zuletzt weil er selbst auch einer ist. Im Winter würden sie erbarmungslos in die bittere Kälte gejagt. Dabei sorgten die Raucher mit ihren Tabaksteuern unter anderem auch für den Einsatz in Afghanistan.
Das Publikum hatte seine helle Freude an den teils bitterbösen Äußerungen, mit denen er schonungslos unbequeme Wahrheiten aussprach. Ob das gesellschaftliche Ungleichgewicht von arm und reich, die weitestgehend angepasste, aufgebrezelte Jugend, den Kampf zwischen Ökoauto und Benzinschlucker, den ewigen Kochshows im deutschen Fernsehen, zu allem gab Schmickler seinen Kommentar ab und der schien sich meist mit der Meinung des Publikums zu decken. In Arztpraxen werde bald nur noch zwischen Privat und Unheilbar differenziert, aber es gehe weiter, immer so weiter und irgendwann voll vor die Wand.
Zum Schluss bedankte Schmickler sich beim Kulturring Herdorf für dessen Einladung und lobte das immer noch im Umbau befindliche Hüttenhaus als Schmuckkästchen. (anna)


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