Brandstiftung der katholischen Kirche in Wissen - Urteil ist gefallen
Von Wolfgang Rabsch
Die 6. Strafkammer beim Landgericht Koblenz verurteilte den 39-jährigen Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit gemeinschädlicher Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Weiterhin wurde im Maßregelvollzug die Unterbringung in einer Entzugsanstalt angeordnet und der Haftbefehl bleibt weiterhin aufrechterhalten.
Wissen. Dem Angeklagten wurde seitens der Staatsanwaltschaft Koblenz vorgeworfen, am 10. Februar 2023 gegen 3 Uhr morgens in die katholische Kirche in Wissen eingebrochen zu sein und dort ein Feuer entfacht zu haben. Bei dem Brand ist ein Sachschaden in Höhe von etwa zwei Millionen Euro entstanden. Unter anderem wurden zwei wertvolle Orgeln und ein antiker Hochaltar aus dem 18. Jahrhundert Opfer der Flammen. Die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit wurde nachträglich durch ein forensisches Gutachten von 1,6 Promille bei einem Atemalkoholtest auf 2,25 Promille zur Tatzeit abgeändert.
Durch seinen Verteidiger ließ der Angeklagte am ersten Verhandlungstag erklären, dass er die Tat nicht bestreiten würde, jedoch keinerlei Erinnerungen daran habe, wie es zu der Tat gekommen sei und warum er das getan habe. An weiteren Verhandlungstagen wurden etliche Zeugen vernommen, darunter Beamte der Kriminaltechnik, die akribisch anhand von Fotovergleichen und Spurensicherungen nachwiesen, dass es sich bei dem Täter um den Angeklagten handelte. Beeindruckend bei allen Prozessbeteiligten war die Aussage des 85-jährigen Küsters der Kirche, der fassungslos und den Tränen nahe schilderte, welche brutale Auswirkungen das einschneidende, traumatische Ereignis für ihn, aber auch für die gesamte Kirchengemeinde hat. Es sei einfach unvorstellbar, dass ein Mensch in der Lage sei, den Mittelpunkt vieler Menschen in ihrem Leben, vollkommen sinnlos zu zerstören.
Am Montag, 7. August, sollte das Verfahren mit dem forensisch-psychiatrischen Gutachten, den Plädoyers und dem Urteil beendet werden. Zunächst erstattete Dr. Wolfram Schumacher-Wandersleb das forensisch-psychiatrische Gutachten. Zusammengefasst kam er zu dem Schluss, dass eine Schuldunfähigkeit gemäß Paragraf 20 Strafgesetzbuch nicht attestiert werden könne, wohingegen eine verminderte Schuldfähigkeit gemäß Paragraf 21 infrage käme. Bei der Exploration habe der Angeklagte angegeben, dass er von seiner Mutter oft geschlagen worden wäre, sich deshalb aufgegeben habe und sich als Loser fühlte. Den ersten Vollrausch habe er mit neun Jahren gehabt, mit 16 Jahren betrug sein Tageskonsum häufig sechs bis acht Flaschen Bier. Am Wochenende habe er vielfach einen "wegelötet", dann hätte er bis zur Bewusstlosigkeit gesoffen. Wenn er einmal zu trinken begonnen hat, würde er einfach kein Ende finden. Von Jugend an habe der Angeklagte Suizidgedanken gehabt, auch wegen der Wut auf seine Mutter. Hinzukam, dass er unter starken Depressionen litt und zwei Suizidversuche unternommen habe.
Während einer Therapie hätte man eine Alkohol-, Amphetamin-, Kokain- und Nikotinabhängigkeit festgestellt. Wenn der Angeklagte längere Zeit keinen Alkohol konsumiert, verhält er sich normal, jedoch über den Alkohol würden sich seine Trauer und seine Wut extrem verstärken. Jedoch wären depressive Störungen nicht der Auslöser für die Tat gewesen, sondern der Alkohol. Die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten war zur Tatzeit aus psychotischer Sicht nicht aufgehoben, jedoch die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, deshalb ist eine verminderte Schuldfähigkeit nicht auszuschließen. Eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wäre nicht geboten, jedoch könne eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wegen der Suchterkrankungen des Angeklagten neben der Haftstrafe angeordnet werden, die mit 18 Monaten bemessen werden sollte. Die Tat des Angeklagten als Selbstmordversuch zu werten, kann nicht ausgeschlossen werden, ist aber nicht beweisbar.
Die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beantragte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit gemeinschädlicher Sachbeschädigung zu verhängen. Es solle keine verminderte Schuldfähigkeit festgestellt werden, da der Angeklagte zielgerichtet vorgegangen sei und durch das Überziehen der Kapuze seiner Jacke während der Tat in Verdeckungsabsicht gehandelt habe. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wegen der Suchterkrankung des Angeklagten soll angeordnet werden und der Haftbefehl des Amtsgerichts Koblenz aufrechterhalten bleiben.
Rechtsanwältin Natalie Bauer plädierte auf Feststellung der verminderten Schuldfähigkeit und dadurch eine Minderung des Strafrahmens vorzunehmen. Die auszusprechende Freiheitsstrafe soll nicht drei Jahre überschreiten und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet werden. Ferner beantragte sie die Außervollzugsetzung des Haftbefehls des Amtsgerichts Koblenz gegen Auflagen.
Der Angeklagte, der auch an diesem Tag der Verhandlung weitestgehend teilnahmslos, fast apathisch folgte, erklärte in seinem letzten Wort: "Mir tut alles sehr leid, mit einer Therapie bin ich einverstanden".
Urteil im Namen des Volkes
Der Angeklagte wird wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit gemeinschädlicher Sachbeschädigung, zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Unterbringung in einer Entziehungsklinik wird angeordnet, zudem bleibt der Haftbefehl des Amtsgerichts Koblenz aus den Gründen, die zu seinem Erlass führten, aufrechterhalten.
In der Urteilsbegründung erklärte der Vorsitzende, dass die Identifizierung des Angeklagten als Täter anhand der Kleidung und vorgefundenen Blutspuren eindeutig erfolgt sei. Die Tat geschah, um den Leidensdruck zu mindern. Nach einer vorläufigen Schätzung der Versicherung würde der Gesamtschaden sich auf knapp 5.000.000 Euro belaufen. Hingegen sei der immaterielle Schaden nicht zu beziffern, der der Kirchengemeinde entstanden ist. Durch die Zerstörung des Hochaltars und der Orgeln sei der Lebensmittelpunkt für viele Menschen einfach weggebrochen. Ohne eine Suchttherapie, die mindestens 18 Monate betragen soll, würde eine hohe Wiederholungsgefahr bestehen. Bei erfolgreicher Therapie könne ein Halbstrafenerlass erfolgen. Der Haftbefehl des Amtsgerichts Koblenz bleibt aufrechterhalten.
Nach erfolgter Rechtsmittelbelehrung wurden keine Erklärungen abgegeben, somit ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. (Wolfgang Rabsch)
Hier können Sie den Bericht des ersten Verhandlungstages nachlesen.
Zweiter Verhandlungstag
Hinweis
Haben Sie suizidale Gedanken oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter www.telefonseelsorge.de.
Direkte Anlaufstellen sind auch Hausärzte sowie auf Suizidalität spezialisierte Ambulanzen in psychiatrischen Kliniken.
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