Alles klar, Herr Kommissar? - Shit happens!
Von Jörg Schmitt-Kilian
KOLUMNE | Ist die Cannabisfreigabe ein falsches Signal für die Jugend? Mit einer Sonderfolge der Reihe „Alles klar, Herr Kommissar“ kehrt unser Kriminalhauptkommissar Jörg Schmitt-Kilian noch einmal zurück. Das Thema Cannabisfreigabe beschäftigt den pensionierten Kommissar nämlich sehr.
Kolumne. "Shit happens" – im doppelten Sinne des Wortes – wenn ich an die im Koalitionspapier vereinbarte Cannabisfreigabe denke. Vorneweg gesagt: Ich bin kein Hardliner und durchaus Befürworter einer Entkriminalisierung für Erwachsene, aber in vielen Einzelgesprächen mit Politikern der regierenden Parteien habe ich eine erschreckende Unkenntnis in Bezug auf die Umsetzung dieser Gesetzesänderung festgestellt.
Nur zwei Beispiele: Im Auftrag des Bundesvorstandes der GdP (Gewerkschaft der Polizei) habe ich bei einem Forum in Berlin mit der drogenpolitischen Sprecherin einer Regierungspartei und dem europaweit anerkannten Suchtmediziner Professor Thomasius das Thema beleuchtet. In der zweistündigen Diskussion fragte ich, wie die Bundesregierung den legalen Verkauf regeln wolle. Die junge (nette) "Fachfrau" antwortete im Brustton der (festen) Überzeugung (so reden Politiker doch immer?) "über die Apotheken". Dabei hatte der Präsident der Apothekervereinigung dies erst einige Tage zuvor vehement abgelehnt. Auf meine Frage, wie viele Pflanzen man zu Hause anbauen dürfte, folgte sinngemäß die Bemerkung "Sie dürfen doch auch zehn Kisten Bier stapeln".
Ich könnte weitere realitätsferne Argumente nennen, aber das würde den Rahmen eines Leserbriefes sprengen, daher nur einige kurze Anmerkungen: bei der Begrenzung des THC-Gehalts (durchaus sinnvoll!) wird die OK (Organisierte Kriminalität) einen stärkeren Wirkstoffgehalt zum halben Preis anbieten. Gefährliche Beimengungen waren in meiner aktiven Dienstzeit im Rauschgiftkommissariat absolute "Einzelfälle" und meine Nachfrage bei aktiven Kollegen im Rahmen eines Kripo-Forums in Mainz führte zu keinem anderen Ergebnis. Auch beim Blick in die PKS (Polizeiliche Kriminalstatistik) und den RG-Lagebericht des Bundeskriminalamtes habe ich beim Erstellen des Manuskripts für mein Themenheft "DROGEN" (erscheint im VDP-Verlag) keine Bestätigung des von Lauterbach "gebetsmühlenartig" vorgebrachten Arguments gefunden. Wer eine andere Statistik kennt: Ich lasse mich gerne "eines Besseren belehren.
Bereits heute werden Verfahren gegen Erwachsene beim Besitz geringer Mengen eingestellt. Warum hat man nicht an eine gesetzliche Regelung gedacht und diese "Tatbestandsmerkmale" als Owi (Ordnungswidrigkeit) heruntergestuft? Frauen und Männer im Polizeivollzugsdienst unterliegen dem sogenannten Legalitätsprinzip (Strafverfolgungszwang!) und sind verpflichtet, sogar den Besitz geringer Mengen anzuzeigen, obwohl sie in den meisten Fällen für den "Papierkorb der Staatsanwaltschaft" arbeiten (müssen!). Unterlassen sie dies, begehen sie eine Strafvereitelung im Amt. Und mein Hauptargument: Durch dieses Gesetz werden alle bisherigen Vorbeugungsbemühungen in Schule und Elternhaus (und somit der Jugendschutz) ad absurdum geführt. Und zu der politischen Aussage, alle Mehreinnahmen würden für Präventionsprojekte eingesetzt, kann ich mit Rückblick auf die bisherigen Präventionskampagnen nur sagen: "allein mir fehlt der Glaube!"
Jörg Schmitt-Kilian,
Jugendbuchautor, KHK a.D. und ehem. stellv. Leiter im "Zentrum polizeiliche Prävention"
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