Initiative „Mehren gegen Rechts“: Gemeinde hat deutlich gezeigt, wofür sie steht
Der Aufschrei zu Beginn des Jahres war groß, Schlagzeilen rückten die Ortsgemeinde Mehren auch überregional in den Blickpunkt: Den Treffen Rechtsextremer, braun angehauchter Esoteriker als auch Reichsbürger in einem örtlichen Gasthaus steht als Gegenpol die Initiative „Mehren gegen Rechts“ gegenüber.
Mehren. Klare Kante gezeigt haben viele Menschen – nicht nur aus Mehren – zu Beginn des Jahres, was sie von Zusammenkünften Rechtsextremer, braun angehauchter Esotheriker als auch Reichsbürger in einer Gastwirtschaft in der kleinen Gemeinde hielten. Bei einer Demonstration wurde deutlich Stellung bezogen: für Vielfalt, Menschlichkeit, Toleranz und für die Werte der Demokratie. Kerstin Spahr (57), Bürgerin der Ortsgemeinde, Organisatorin des Protestzuges als auch Rednerin, stuft aktuell die Lage „nach wie vor als ruhig“ ein, wie sie in einem Interview mit dem AK-Kurier ausführt. Momentan fänden lediglich die Bürgertreffen des Ortsverbandes der AfD Altenkirchen in der Gastwirtschaft statt. Nach ihren Informationen habe die Wirtin für diese Treffen Verträge mit der Partei abgeschlossen, welche sie einhalten müsse. Um ihr die Lage nicht zu erschweren und auch um wieder Ruhe in den Ort zu bekommen, „haben wir von der Initiative ,Mehren gegen Rechts’ zu diesen Treffen erst einmal keine Demonstrationen geplant. Was allerdings nicht heißt, dass generell keine Demonstrationen mehr stattfinden werden“, verdeutlicht Spahr als gebürtige Mehrenerin. Das Interview im Wortlaut:
Die Ortsgemeinde Mehren stand und steht für Treffen Rechtsextremer, braun angehauchter Esoteriker als auch Reichsbürger in einem örtlichen Gasthaus. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?
Die Ortsgemeinde Mehren hat ziemlich deutlich gezeigt, wofür sie steht. Sie hat mit der großen Präsenz bei der veranstalteten Demo bewiesen, dass Vielfalt, Menschlichkeit, Toleranz und die Werte unserer Demokratie den Mehrener Bürgern wichtig sind. Aktuell ist die Lage, so wie wir das beobachten, eher ruhig, obwohl nach wie vor der Bürgertreff der AfD im Landhaus stattfindet. Was Treffen anderer Gruppierungen anbelangt, kann ich keine Auskunft abgeben.
Sie gehören der Initiative „Mehren gegen Rechts" an: Inwieweit ist ihr es gelungen, auf die Probleme - auch durch eine Demonstration -, die aus den Treffen der gerade beschriebenen Szene entstanden sind, aufmerksam zu machen?
Als die Aktivitäten im Landhaus durch einen Artikel der Antifaschistischen Recherchegruppe Oberberg bekannt wurden, war die Aufregung natürlich sehr groß, und wir waren alle mit der Situation etwas überfordert. Trotzdem war uns klar, dass wir tätig werden müssen. Wir wollten zeigen, dass rechtes Gedankengut in Mehren keinen Platz hat und haben deshalb die Initiative „Mehren gegen Rechts“ gegründet. Es hat dann im Vorfeld der Demonstration im Rahmen der Ortsgemeinderatssitzung eine Infoveranstaltung mit der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus des Landes Rheinland-Pfalz“ stattgefunden, bei der die Problematik ausgiebig erörtert wurde. Dadurch und durch viele Gespräche vor sowie nach der Demonstration ist, so schätze ich das ein, das Bewusstsein über die Brisanz der Treffen bei den Bürgern in Mehren tatsächlich ausgeprägter als in anderen Dörfern.
Sind Gespräche mit dem Besitzer/der Besitzerin des Gasthofes, auch von Seite der Ortsgemeinde aus, geführt worden, um auf die Problematik hinzuweisen?
Ja, es haben von verschiedenen Seiten Gespräche mit der Besitzerin des Gasthofes stattgefunden. Sowohl von der Ortsgemeinde, als auch aus privater Initiative heraus, ist sie mehrfach auf die Problematik hingewiesen worden.
Trifft sich die Initiative nach wie vor und beobachtet die Szene im Dorf?
Die Initiative ist nach wie vor aktiv. Zur Zeit planen wir ein Konzert für Menschlichkeit, Vielfalt und Demokratie am Samstag, 16. September, um 15 Uhr auf der Freilichtbühne in Mehren in Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde.
Inwieweit zieht die Dorfgemeinschaft überhaupt an einem Strang, das Problem publik zu machen und zu lösen?
Ich glaube, dass es schwierig ist, dass alle Bürger eines Orte an einem Strang ziehen. Menschen haben unterschiedliche Meinungen, und das ist auch gut so. Trotzdem unterstützen die meisten Bürger in Mehren unsere Initiative. Es hat am Anfang einige Unklarheiten gegeben, weil einige Mitbürger der Überzeugung waren, die Initiative „Mehren gegen Rechts“ hätte zum Ziel, dass das Landhaus geschlossen werden soll, aber dies ist natürlich nicht der Fall. Es ist gut, dass Mehren nach wie vor eine Kneipe hat, in der sich Menschen treffen und austauschen können. Es ist allerdings nicht hinzunehmen, wenn an einem Ort antidemokratisches Gedankengut in agitativer Absicht in die Bevölkerung gestreut wird. Nur darum geht es.
Sie haben in der Sitzung des Verbandsgemeinderates vor den Sommerferien einen flammenden Appell für mehr Aufklärung und für mehr Augen auf beim Verkauf leer stehender Gebäude in Ortsgemeinden gehalten: Wird diesem Anliegen der verstärkten Aufklärung von Seiten der lokalen Politik (eventuell weiterer Behörden/Organisationen) Rechnung getragen?
Ich denke, dass meine Ausführungen bei der Verbandsgemeinderatssitzung auf jeden Fall angekommen sind. Außerdem habe ich die Zusage von Bürgermeister Jüngerich, dass er die Ortsbürgermeister, vielleicht auch mit Hilfe der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus des Landes Rheinland-Pfalz“, über die Brisanz der Lage informieren wird. Es ist erfreulich, dass Herr Jüngerich die Notwendigkeit zu handeln, erkannt hat. Trotzdem sehe ich von Seiten der Lokalpolitiker noch reichlichen Handlungsbedarf. Es gibt noch genug andere Lokalpolitiker, die mit Aussagen wie „Ich habe noch keinen Nazi gesehen, dann gibt es hier auch keine“ eine erschreckende Ignoranz an den Tag legen. Der Verfassungsschutzbericht von 2022 sagt etwas vollkommen anderes. Orte wie die Fassfabrik in Hachenburg, direkt vor unserer Haustüre, sind schon seit Jahren Treffpunkt rechtsextremer Gruppierungen, und seit Jahren kämpfen Gruppen wie DEMOS schon darum, diese Vernetzungsmöglichkeit für Rechtsextreme zu schließen. Es wurden Lokalpolitiker und Parteien angeschrieben, nur geschehen ist nichts. Es wurde noch nicht realisiert, dass gerade der vordere Westerwald mit seiner strategisch günstigen Lage (Dreiländereck: Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Hessen; direkter Zugang zur Rheinschiene; Leerstände auch größerer Immobilien und eher strukturschwach) Rechtsextreme geradezu einlädt. Und sie sind schon längst hier.
Sie sprachen in jener Sitzung auch davon, dass Ihnen nachgestellt wird: Wen vermuten Sie als Urheber dieser Aktionen und was ist Ihnen widerfahren? Haben Sie die örtliche Polizei ob dieser Vorkommnisse eingeschaltet?
Ich war sowohl der Veranstalter der Demonstration als auch der Redner, und die Nachstellungen haben direkt nach der Veranstaltung der Demonstration begonnen. Sie sind in ihrer Ausprägung deutlich dem rechten Spektrum zuzuordnen. Ich werde, um keine Nachahmung zu provozieren, die Nachstellungen nicht beschreiben. Nur soviel: Bei der Nachstellung handelt es sich um einen Straftatbestand nach Paragraf 238 Strafgesetzbuch, und ich habe das natürlich der Polizei gemeldet.
Fühlen Sie sich, (falls zutreffend) fühlt sich Ihre Familie bedroht?
Ja, meine Familie und ich fühlen uns bedroht.
Haben Sie selbst Schutzmaßnahmen ergriffen?
Ja, ich habe private Schutzmaßnahmen ergriffen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft von Mehren?
Das, was ich mir für Mehren wünsche, ist eigentlich dasselbe, was ich mir für den gesamten Westerwald, Deutschland und Europa wünsche. Dass wir es erreichen, rechtsextremes Gedankengut zu erkennen und zu unterbinden. Dass Rechtsextremen kein Raum mehr geboten wird und wir, jeder einzelne von uns, unsere Demokratie verteidigt. Es hat mehrere Kriege, unzählige Opfer, endlose Verhandlungen und Zeit gebraucht, um diese Freiheit und Demokratie, die wir heute haben, zu festigen, und das sollten wir uns nicht von Agitatoren, die gezielt ausgebildet werden, um Menschen zu verunsichern und aufzuwiegeln, zerstören lassen. (vh)
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