Fulminantes Finale des Westerwälder Krimifestivals mit Joe Bausch
Von Helmi Tischler-Venter
Zwei Wochen lang war der gesamte Westerwald Tatort von zehn Autoren-Lesungen, die von der Regional-Initiative "Wir Westerwälder" veranstaltet und von dem Betzdorfer Kulturverein "Die Rumkugeln" organisiert wurden. Den Schlusspunkt setzte der bekannte Westerwälder Schauspieler, Gefängnisarzt und Autor Joe Bausch am Samstag im Schloss Arenfels.
Bad Hönningen. Im spätgotischen Schloss ging es hinunter in den schummerigen Gewölbekeller. Er bot das perfekte Ambiente für das Thema "Schwerverbrecher". Micha Krämer, der das Krimifestival eröffnet hatte, freute sich, dass er nach vielen vergeblichen Anläufen nun gemeinsam mit Joe Bausch auf der Bühne stehen konnte und der Altenkirchener Landrat Dr. Peter Enders war als Ideengeber sehr froh über den großen Erfolg des Festivals. Seine Liebe zu Krimis habe in der Jugend mit Jerry Cotton begonnen und sich später auf Kriminalromane aus aller Welt erweitert. Er hat sogar schon als Arzt in einem Krimi von Micha Krämer mitgewirkt.
Hausherr Christian Runkel, der vor zwei Jahren das Schloss kaufte, bekannte, ein begeisterter Tatort-Schauer zu sein, besonders der Kölner Ausgabe mit dem Pathologen Dr. Roth, den Bausch spielt.
Joe Bausch lobte die Location, die ihm das Gefühl gebe, hier könne noch eine Menge passieren. Freudig und lebendig erzählte der Schauspieler von seinen Lebenserfahrungen, während er auf der kleinen Bühne herumtigerte. Während seines Studiums der Theaterwissenschaft, Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft und Germanistik in Marburg habe sein Vater, ein Westerwälder Bauer, die Berufstätigkeit seines Sohnes als "irgendwas mit Augsburger Puppenkiste" bezeichnet. Zur Erleichterung der Eltern wurde der Sohn nach einem Medizinstudium in Bochum dann Arzt. Während des gesamten Studiums stand er immer als Schauspieler auf der Bühne oder wirkte in Fernsehproduktionen mit.
Nach verschiedenen medizinischen Tätigkeiten wurde er Gefängnisarzt, wo er auf die Frauen der RAF 2. Generation traf, die sich für "politische Gefangene" hielten und härter waren als die Jungs. Mit den Terroristinnen musste er argumentieren. Danach kamen alte Männer: NS-Täter, die von Simon Wiesenthal entlarvt worden waren. Diese Tätigkeit fand er spannend und unterhaltsam. Schnell waren sechs Jahre herum.
Auf Krämers Nachfrage erzählte Bausch, wie er in den "Tatort" kam: Man kannte den Schauspieler Bausch und bat ihn um seine Expertise bei der Maske für eine Leiche, die mit einem Hirschfänger erstochen wurde. Schließlich beauftragte ihn der Produktionsleiter, den Gerichtsmediziner zu spielen. Das ging so weiter, nach sieben Folgen forderte Dietmar Bär einen Namen für die Figur. Man nannte sie Dr. Roth. Den spielte Bausch 26 Jahre lang.
Bausch machte in zahllosen Talkshows die Erfahrung, dass man in diesen Formaten nicht alles loswird, was man sagen könnte und möchte. Im Buch kann man alles schreiben. Die einzige Vorgabe für ihn war die Begrenzung auf 350 Seiten, was für einen Menschen, der gern und viel erzählt, gar nicht so einfach ist.
Um die wichtige Arbeit im Hochsicherheitsgefängnis der Welt "draußen" näherzubringen, ließ er Fernsehteams in die Haftanstalt und machte dabei skurrile Erfahrungen: Er wurde zum Beispiel gefragt: "Waren das echte Mörder, die da gerade saßen?" Seine Antwort: "Andere hatten wir gerade nicht." Der Bitte nach "netten" Verbrechern konnte er nicht nachkommen, denn "nett" gibt es im Hochsicherheitstrakt nicht.
Also schrieb er das Buch "Knast", das auf die Spiegel-Bestseller-Liste gelangte. Das zweite Buch "Gangster-Blues" enthält "zugelaufene Geschichten", die ihm von Häftlingen erzählt wurden. Dazu führte er viele Gespräche mit Insassen, um zu erfahren, wie alles anfing, was den Menschen zum Schwerverbrecher machte.
Lebhaft, unterhaltsam und sehr lustig erzählte Joe Bausch von Begegnungen mit seinen Klienten. "Die meisten Verbrechen sind banal" und "Wir hatten in Werl die Blöden" waren seine Erkenntnisse. Psychopathen werden durch Elternhaus, Genetik, Erziehung, Furor oder Alkoholauswirkung bestimmt, aber was in welchem Anteil wirkt, weiß man nicht. Aber Gewalttaten ging größtenteils ein Scheitern voraus. Ein Hardware-Schaden liegt immer vor, denn Verbrechen beginnt im Kopf.
Weil er "auch etwas lesen sollte", setzte Bausch seine Brille auf und las die Story von "Sixpack", einer "Mischung aus Pornostar und Affenkönig". Sie zeigte, dass Psychopathen skrupellose Persönlichkeiten sind, die perfide perfekt operieren.
Das letzte Buch "Maxima Culpa - Jedes Verbrechen beginnt im Kopf" entstand während der Corona-Zeit, weil der agile Bausch als ADHS-Kind nicht untätig sein kann. Das Buch hat gegenüber der seit zehn Jahren bei SAT1 Gold ausgestrahlten Video-Serie den Vorteil, dass es keine Bilder und kein Archiv gibt, aber interessante Fälle, die man nur in Worte fassen kann.
"Frauen sind die besseren Menschen - oder cleverer" stellte der Autor fest, denn nur fünf Prozent aller Häftlinge sind weiblich. Frauen sind öfter Opfer von Gewalttaten. Männer können mit negativen Emotionen schlechter umgehen als Frauen. Die Gründe für Morde sind unterschiedlich: Wenn Männer Frauen umbringen, dann meist, damit sie nicht weggehen. Frauen dagegen morden Männer, damit sie endgültig weg sind. "Einmal durchgefegt: weg!"
Damit die Lesung auch der Existenz-Vorsorge diene, gab Bauch seinem Auditorium Tipps, zum Beispiel, Leichen nicht mit Katzenstreu abzudecken, weil das stinkt oder: "Morden Sie immer allein!" Mitwisser oder -täter sind immer verräterisch.
Dr. Enders bedankte sich bei Joe Bausch mit einer Box von "Wir Westerwälder" und versprach eine Fortführung des Krimi-Festivals in zwei Jahren. Krimi-Freunde können sich freuen: Micha Krämer, Klaus-Peter Wolf, Andreas Schmidt und Joe Bausch werden wieder dabei sein. Zudem verfügt der Westerwald über eine Reihe weiterer mörderisch guter Autoren und Locations. htv
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