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Nachricht vom 20.10.2023    

DRK-Krankenhaus Altenkirchen: Umstrukturierungspläne werfen viele Fragen auf

Die Entscheidung, das DRK-Krankenhaus in Altenkirchen zu „degradieren“, hat vielerorten Unverständnis hervor- und Fragen aufgeworfen. Ist die geplante Herabstufung zu einem Medizinischen Versorgungszentrum, in dem ambulante Operationen möglich bleiben sollen, und mit nur noch einer richtigen Disziplin, der Kinder- und Jugendpsychiatrie, wirklich der Weisheit letzter Schluss?

Das Altenkirchener DRK-Krankenhaus einmal aus anderer Perspektive: Sollte die Umstrukturierung Bestand haben, könnten durchaus viele Räume leer stehen. (Foto: vh)

Altenkirchen. Die Katerstimmung in und rund um Altenkirchen ließ sich nicht so einfach abschütteln: Die Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft im nördlichsten Teil des Landes Rheinland-Pfalz wirkte auch noch am Freitag (20. Oktober) nach – besonders bei denjenigen, die es mit der DRK-Klinik in der Kreisstadt halten. Sie ist nämlich das Hospital, dem der Betreiber, die DRK-Trägergesellschaft Süd-West, am meisten abverlangt. Denn getreu dem Motto „erst die gute und dann die schlechte Nachricht" hieß es: „Am Standort Altenkirchen sollen die Kinder- und Jugendpsychiatrie ausgebaut und ambulante Strukturen eines erweiterten Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) inklusive ambulantem OP-Zentrum gestärkt und durch eine Notfall-Anlaufstelle ergänzt werden. Stationäre somatische Behandlungen sollen hingegen konzentriert in Hachenburg oder auch Kirchen angeboten werden.“ Will nichts anders heißen, als dass beispielsweise Chirurgie (verschiedene Fachrichtungen), Innere Medizin oder Urologie (Belegbetten) alsbald jeweils ihren Abschied vom Leuzbacher Weg nehmen vor dem Hintergrund, dass schon im November mit dem Bäumchen-wechsle-dich-Spiel begonnen wird. Altenkirchens Stadtbürgermeister Ralf Lindenpütz und die Sprecher der fünf, im Stadtrat vertretenen Fraktionen zeigten sich in einer gemeinsamen Erklärung wenig angetan von den am Donnerstagabend (19. Oktober) bekannt gewordenen Maßnahmen.

„Anfang vom Ende unseres Krankenhauses“
„Das DRK-Krankenhaus Altenkirchen ist ein wesentlicher Bestandteil der medizinischen Versorgung für die Region Altenkirchen. Das dem Personal des DRK-Krankenhauses Altenkirchen vorgestellte Konzept des DRK zur Sanierung im Rahmen des Eigeninsolvenzverfahren bedeutet faktisch den Anfang vom Ende unseres Krankenhauses. Mit der geplanten Verschiebung der Abteilungen Innere Medizin, Urologie und Chirurgie nach Hachenburg und damit der Aufgabe der stationären operativen Behandlung in Altenkirchen werden Fakten geschaffen, die nahezu unumkehrbar sind“, betonte das Sextett. Dieses Sanierungskonzept berücksichtige in keiner Weise die Chancen, die durch die gute, aber durch die Leitung des DRK-Verbundkrankenhauses Altenkirchen-Hachenburg kaum genutzte Infrastruktur am Standort Altenkirchen vorhanden seien. Stattdessen solle Personal abgebaut werden, die vorhandene Infrastruktur werde aufgegeben und verfalle. „Die Auswirkungen auf die ärztliche Versorgung sind aus heutiger Sicht dramatisch und reißen eine Lücke auf, die kurz- und mittelfristig nicht geschlossen werden kann. Sämtliche Notfälle, die einer chirurgischen Behandlung bedürfen, werden mit Umsetzung dieses Sanierungskonzeptes auf die Reise nach Hachenburg geschickt: 15 Minuten mehr Wegstrecke, die über Leben und Tod entscheiden können“, führte die Gruppe weiter aus.

Sanierungskonzept nicht akzeptabel
Dieses Sanierungskonzept sei aus Sicht der Kreisstadt Altenkirchen nicht akzeptabel und „findet bei uns und der Mehrheit unserer Bevölkerung keine Zustimmung. Daher sind nun die politischen Entscheidungsträger im Gesundheitsministerium in Mainz gefordert, diesem Sanierungskonzept eine Absage zu erteilen, damit die medizinische Versorgung in Altenkirchen weiterhin gesichert ist“. An dieser Stelle gelte ausdrücklicher Dank dem Personal des Krankenhauses in Altenkirchen: „Ihr habt während der Pandemie die medizinische Versorgung sichergestellt, und Ihr leistet in dieser für Euch sehr fordernden und belastenden Zeit Hervorragendes, und dafür sind wir Euch in Namen der Kreisstadt Altenkirchen herzlich dankbar.“ Den Prozess des forcierten Umkrempelns ins Rollen gebracht hatte die Insolvenz der DRK gemeinnützige Krankenhausgesellschaft mbH Rheinland-Pfalz, die für die Krankenhäuser Altenkirchen, Alzey, Hachenburg, Kirchen und Neuwied beantragt worden war. Das Sanierungsverfahren wird in Eigenverantwortung abgewickelt, mit dem eine harte Insolvenz vermieden werden soll. Die Kliniken in Altenkirchen und Hachenburg, vielfach auch als Verbundkrankenhaus bezeichnet, hatten in den zurückliegenden Jahren sehr oft hoch defizitär gearbeitet.

Betriebsrat nicht rechtzeitig und umfassend informiert
„Mit Entsetzen und in Schockstarre mussten die Mitarbeiter erfahren, dass zukünftig die stationäre operative Notfallversorgung sowie die weitere stationäre Versorgung nicht mehr möglich sein wird“, rekapitulierte Andrei Badiu, Vorsitzender des Betriebsrates am Standort Altenkirchen. „Die jährlich mehr als 12.000 zu behandelnden Patienten in der Notaufnahme Altenkirchen müssten in Hachenburg mitversorgt werden, auch die Menge an Operationen aus Altenkirchen soll künftig in Hachenburg durchgeführt werden. Die zwei OP-Säle in Hachenburg sind bereits zu diesem Zeitpunkt an ihren Grenzen, wie sollen denn dann noch rund 3000 Operationen der Allgemein-, Bauch-, Hand-, Unfallchirurgie und der Urologie aufgefangen werden? Und hier in Altenkirchen stehen vier OP-Säle still“, nannte er Fakten. Ebenso werde es keine internistische stationäre Behandlung sowie eine endoskopische Versorgung am Standort Altenkirchen mehr geben. Badiu ergänzte: „Diese für den Betriebsrat nicht nachvollziehbare Zahlen der Gutachten waren großer Bestandteil des Sanierungsplanes. Leider wurde der Betriebsrat entgegen der Zusage des DRK nicht rechtzeitig und umfassend gehört, informiert und in den Sanierungsprozess mit einbezogen. Dieser Kahlschlag bedeutet nicht nur eine mangelnde Versorgung für die Bürger, sondern auch für fast 200 Mitarbeiter das Aus in Altenkirchen und dass, entgegengesetzt der Aussage, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen!“

Krankenhausgesellschaft soll fortbestehen
Die massiven Eingriffe von Trägerseite sollen zunächst einmal helfen, „auf der Basis des Zukunftskonzepts einen Weg bereiten zu können, der sicherstellt, dass die DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz mit allen Krankenhäusern fortbesteht und auch künftig die Gesundheitsversorgung in unserer Region auf höchstem Niveau gewährleisten kann“. Das Ringen um eine sichere Zukunft der stationären Versorgung im AK-Land hat sich darüber hinaus zu einer beinahe unendlichen Geschichte entwickelt, die bald zehnten Geburtstag feiern kann. Das Institut für betriebswirtschaftliche und arbeitsorientierte Beratung (BAB) aus Bremen hatte im Auftrag der DRK-Trägergesellschaft Süd-West im Frühjahr 2014 sich mit der Situation der beiden Häuser befasst, als Ziel eine Ein-Haus-Lösung vorgeschlagen und vorgeschaltete Schwerpunktbildungen an beiden Standorten empfohlen. Erst ein Machtwort der damaligen Landes-Gesundheitsministerien Sabine Bätzing-Lichtenthäler, die beiden Kliniken jeweils die Daseinsberechtigung zusprach, beendete in der Folge eine über Wochen geführte intensive Diskussion über die „Hochzeit“. In dieser Zeit wurde zur Stärkung des Angebots beispielsweise der Linksherzkatheder-Messplatz für Hachenburg angeschafft, um Herzinfarktpatienten behandeln zu können (Kosten damals rund eine Million Euro). Sukzessive wurden im Anschluss die empfohlenen Stärkungen umgesetzt. Noch einmal „hoch“ her ging es über Monate vor Weihnachten 2019, als die angedachte Vereinigung der Altenkirchener und der Hachenburger Klinik an einem neuen Standort die Gemüter erhitzte und schließlich ein Areal in Müschenbach als „Sieger“ aus dem Rennen hervorging, womit im Kreis Altenkirchen niemand gerechnet hatte.



Leistungsverschiebungen nach einem Zielbild
Den Grund, warum Hachenburg den Vorzug gegenüber Altenkirchen erhielt, erläuterte ein Sprecher der DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz mit Hinweis auf das frisch definierte Zielbild: „Die beabsichtigten Veränderungen sind notwendig, um die Stärken und Vorteile jedes Standorts bestmöglich zu nutzen und ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Diese Anpassungen wurden im Hinblick auf die aktuellen und langfristigen Herausforderungen der Branche entwickelt. Trotz einiger schwieriger Entscheidungen ist für uns essentiell, dass alle Standorte erhalten bleiben. Indem wir durch Einzelmaßnahmen die Qualität und Effizienz unserer Einrichtungen steigern, können wir der Verantwortung gegenüber unseren Patienten und Mitarbeitern bestmöglich gerecht werden.“ Aus diesem Grund sähen die Leistungsverschiebungen nach einem Zielbild vor, dass in Altenkirchen neben der Kinder- und Jugendpsychiatrie künftig primär ambulante Behandlungsleistungen angeboten werden sollten. Dies umfasse den Ausbau des ambulanten Versorgungsbereiches auf Basis einer erweiterten MVZ-Struktur inklusive ambulantem OP-Zentrum, um den Bedarf der Gesamtregion an ambulanten Versorgungseinrichtungen verbessert abzudecken. Zu diesem Leistungsangebot gehöre auch eine 24/7-Notaufnahme, um der Bevölkerung hier rund um die Uhr als Anlaufstelle zur Verfügung zu stehen. Weiter verlautete: „Die Möglichkeit einer darüber hinaus gehenden Erweiterung des Angebots im stationären Bereich wurde in den Gesprächen mit politischen Vertretern in Mainz und der Region aufgezeigt. Hierzu gibt es bisher jedoch keine Entscheidung. Die Verschiebung eines Portfolios stationärer Leistungen nach Hachenburg folgt zudem im Ergebnis einer intensiven Analyse und Kalkulationen zu Portfolio und Leistungsentwicklung. Die konkreten Auswirkungen auf die Mitarbeiterstruktur können wir jetzt noch nicht abschätzen. Hierzu wird es in den kommenden Wochen Gespräche mit den Betriebsräten der Standorte geben. Wir sind fest davon überzeugt, dass die vorgesehenen Veränderungen letztlich dazu beitragen werden, unsere Krankenhäuser zu stärken und ihre Rolle als Eckpfeiler des Gesundheitssystems in unserer Gemeinschaft zu sichern."

Passt ein MVZ in den Erbbaurechtsvertrag?
So gilt es in den nächsten Tagen und Wochen womöglich zu klären, inwieweit eine Herabstufung des Altenkirchener Krankenhauses zu einem MVZ überhaupt vertragstechnisch möglich ist. Das müsste der Kreis prüfen lassen, ob ein solcher Schritt im Einklang mit dem Erbbaurechtsvertrag (Laufzeit von 99 Jahren) steht, den er für die Übereignung der Kliniken in Altenkirchen und Kirchen mit dem Betreiber, der DRK-Trägergesellschaft Süd-West, geschlossen hat. Das DRK hatte beide Häuser zum 1. Januar 2004 übernommen. Ein Passus in dem Kontrakt definierte auch noch bis zum 23. November 2020 zudem ein sogenanntes "Heimfallrecht", das den Kreis in die Lage hätte versetzen sollen, die Klinik eventuell wieder in eigener Regie zu führen. Möglich sollte dies werden, wenn der Erbbauberechtigte (DRK-Trägergesellschaft) den Betrieb am Standort Altenkirchen beispielsweise einstellen würde. Dieses Szenario wurde inzwischen jedoch vom Kreistag einstimmig vom Tisch gewischt, weil das Heimfallrecht definitiv nicht geltend gemacht werden wird. Damals hatte Kreistagsmitglied Dr. Josef Rosenbauer (CDU) in der Zusammenkunft des großen Gremiums den (frühen) Zeitpunkt der Entscheidung moniert, auf die die DRK-Trägergesellschaft gedrängt hatte.

Notarzt-Standort zur Disposition?
Ob Altenkirchen überhaupt noch einen Notarzt-Standort behält, scheint derzeit offen. Bestreitet der spezielle Mediziner nur noch von Hachenburg aus seine Einsätze? Wenn die neue Westerwaldklinik in der Nähe von Müschenbach irgendwann einmal in Betrieb geht, soll sie auch der Dienstsitz des Fachmannes werden. Und über allem steht natürlich noch die Frage der Finanzierung. Wer muss wie viel Geld in die Hand nehmen, um das neue Konstrukt überhaupt erst einmal ans Laufen zu bringen? (vh)


Mehr dazu:   Insolvenz DRK Trägergesellschaft  
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