Klinikkonzept: Werden in Altenkirchen Kündigungen zur Weihnachtszeit ausgesprochen?
Das Umstrukturierungskonzept für drei DRK-Krankenhäuser im nördlichen Rheinland-Pfalz, wenn es denn von der Planungsbehörde, dem Land Rheinland-Pfalz, genehmigt wird, kann am Standort Altenkirchen Entlassungen von mindestens 150 Vollzeitmitarbeitern nach sich ziehen. Darauf verwies die Betriebsrätin der DRK-Klinik in der Kreisstadt, Dr. Isabella Jung-Schwandt.
Altenkirchen. Viele Sachverhalte, die offenbar nicht zu Ende gedacht worden sind, viele nicht beantwortete Fragen und viele Mitarbeiter, die um die Weihnachtsfeiertage jeweils die Kündigung erhalten könnten: So stellt sich für den CDU-Gemeindeverband Altenkirchen-Flammersfeld und die Altenkirchener CDU-Stadtratsfraktion die Situation um die DRK-Klinik in der Kreisstadt dar, die die Hauptlast des Umstrukturierungsprozesses mit der Degradierung von einem Hospital zu einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) zu tragen hätte. Bekanntlich hatte die DRK-Trägergesellschaft Süd-West ein Konzept zur Sicherung der stationären ärztlichen Versorgung vorgestellt, nachdem die ihr untergeordnete DRK Gemeinnützige Krankenhausgesellschaft mbH Rheinland-Pfalz jeweils Insolvenz für die Hospitäler in Altenkirchen, Alzey, Hachenburg, Kirchen und Neuwied angemeldet und die Durchführung in Eigenregie beschlossen hatte. So sollen von Altenkirchen die Disziplinen Chirurgie, Innere Medizin und Urologie gen Hachenburg wandern (beide Standorte werden als Verbundkrankenhaus geführt), am Leuzbacher Weg nur die Kinder- und Jugendpsychiatrie und die Möglichkeit ambulanter Operationen verbleiben. „Unter den Mitarbeitern hat die Nachricht von der Insolvenz riesige Ängste geschürt“, berichtete Dr. Isabella Jung-Schwandt als Betriebsrätin am Standort Altenkirchen bei einer Zusammenkunft, die auf Initiative der beiden CDU-Gremien am Donnerstagmittag (26. Oktober) unter der Moderation von Torsten Löhr, dem Vorsitzenden des CDU-Gemeindeverbandes, zustande gekommen war. „Wir wurden ausdrücklich gebeten stillzuhalten und zwar solange, wie das Arbeitsamt Geld zuschießt. Wir haben zusammengerechnet, dass das Rote Kreuz etwa 20 bis 25 Millionen Euro an Gehältern in den drei Monaten spart“, ergänzte sie, nachdem zuvor Dr. Kristianna Becker (Fraktionssprecherin der CDU im Altenkirchener Stadtrat) die einzelnen Aspekte des Konzeptes erläutert hatte. Jung-Schwandt verwies auf „viele Mitarbeiter am Standort, die schon über 30 Jahre für das Krankenhaus arbeiten, die ihren Lebensmittelpunkt hier haben und dieses Krankenhaus lieben. Wir haben seit vielen Monaten das Problem, dass unsere Mitarbeiter in Hachenburg eingesetzt werden und wir dadurch viele elektive Patienten verschieben und sehr viele Notfälle erst im Bereitschaftsdienst erledigen können. Wir durften auch nur zwei der vier OP-Säle beschicken“. Sie sei erschüttert, wie mit Mitarbeitern, die schon viele Jahre für das Haus arbeiteten, umgegangen werde.
Sache von langer Hand geplant?
„Wenn man die ganze Sache mit der Verkündung, was jetzt passieren soll, im Nachhinein betrachtet, muss ich vermuten, dass diese Sache von langer Hand geplant und eine durchaus politische Entscheidung ist“, merkte Jung-Schwandt weiterhin an. Die Mitarbeiter hätten von WMC, der Beraterfirma, die für den Entwurf der Änderung der Abläufe und Zuschnitte der Krankenhäuser engagiert wurde, keinerlei Antwort bekommen, welche Mitarbeiter jeweils von einer Kündigung betroffen seien. Sie hätten nur erfahren, dass die Kündigungen zur Weihnachtszeit ausgesprochen würden. „Das ist für mich ein weiterer Schlag ins Gesicht“, meinte sie. Viele Mitarbeiter seien verzweifelt, weil sie nicht in unmittelbarer Nähe wie in einer Stadt neue Arbeitsplätze finden würden, sondern weite Wege zurücklegen müssten. Der Betriebsrat hätte einfordern müssen, dass er bei der Erstellung des Konzeptes von WMC überhaupt gehört wurde, und „wir mussten feststellen, dass die Zahlen, die WMC vorliegen hat, nicht korrekt sind. Auch das ist für mich ein Zeichen, dass das Konzept geplant gewesen ist“. Der Betriebsrat sähe auch, dass es keine Notfallversorgung mehr im Kreis geben werde. Die Idee, dass man sich nach Hachenburg wenden müsse, „ist nicht richtig, da Hachenburg auch kein lokales Traumazentrum plant. Das heißt, wir werden hier im Westerwald keine Schockraumversorgung mehr machen können. Das heißt, alle möglichen Arten von Unfällen sind hier nicht mehr versorgbar. Das heißt, eine Strecke ist nicht eine Viertelstunde länger, sondern unter Umständen sehr lang.“
Kein Gespräch mit dem Betriebsrat
Eine ärztliche Bereitschaft, der 24/7 etabliert werden solle, vereinbare sich, so Jung-Schwandt, nicht mit dem Aspekt des ambulanten Operierens. Eine ambulante Operationseinheit benötige eine Überwachungseinheit und die Möglichkeit zur stationären Aufnahme. Sie hätte von einer Firma wie WMC erwartet, dass diese solche Details kenne. WMC sei nicht informiert über Strukturen von VHV-Verfahren (Versorgung Schwerverletzter), WMC habe nicht gewusst, was an ein lokales Traumazentrum gebunden sei (Anm. der Red.: Altenkirchen betreibt ein zertifiziertes Traumazentrum) und welche Voraussetzungen an eine BG-Sprechstunde gestellt würden. Desweiteren sei WMC nicht bewusst gewesen, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrie seine somatische (körperliche) Versorgung vor Ort benötige und das 24/7 durch Fachärzte. „Der Betriebsrat möchte auch darauf hinweisen, dass auch jetzt, da das Sanierungskonzept vorliegt, nicht mit dem Betriebsrat gesprochen wird“, kritisierte Jung-Schwandt. Einzelne Mitarbeiter würden durch WMC gefragt, „ob sie sich eine Arbeit in Hachenburg vorstellen könnten und wie sie ihre Zukunft sehen. Das verstößt eindeutig gegen das Betriebsverfassungsrecht, denn der Betriebsrat ist umfassend und rechtzeitig zu hören“.
Starkes Meinungsbild erhalten
„Es wurde nicht verkannt, dass im Krankenhausbereich allgemein Umstrukturierungen erforderlich sind, um die Zukunftsfähigkeit eines Krankenhauses zu erhalten“, summierte Dagmar Hassel, stellvertretende Vorsitzende des CDU-Gemeindeverbandes, ihre „nicht repräsentative Umfrage“ unter Hausärzten zum WMC-Konzept, dennoch habe sie ein „starkes Meinungsbild“ erhalten. Sie zitierte Aussagen ganz speziell zu Altenkirchen: Das Krankenhaus in Altenkirchen sollte erhalten und eine komplette Schließung vermieden werden ... Altenkirchen muss erhalten bleiben, die medizinische Versorgung allgemein ist am Limit, daher schon die Notwendigkeit, den Standort Altenkirchen zu erhalten und zu sichern. Es sei bedauert worden, dass in den zurückliegenden Jahren Betten abgebaut worden seien. Die chirurgische Abteilung ist sehr gut, chirurgische Versorgung und Notfallzentrum werden an allen Ecken und Enden fehlen … In Altenkirchen ist ein wirklich gut funktionierendes Zentrum vorhanden … Altenkirchen ist für akute Notfälle bestens geeignet … Es wird ein Bedarf für akute chirurgische Notfälle gesehen … Dr. Hanisch hat einen sehr guten Ruf, habe viele Einweisungen dorthin gemacht … Ein funktionierenden Notaufnahme muss auch zukünftig am Standort Altenkirchen vorgehalten werden … Hachenburg ist eher eine Fachklinik für eine Hüft-OP der Orthopädie … Die Intensivstation würde schmerzlich vermisst werden … In Altenkirchen ist ein saniertes Bettenhaus vorhanden, was soll damit geschehen? … Hachenburg ist veraltet. In manchen Zimmern und Räumen stehen Eimer verteilt, da es durchs Dach regnet ... Sämtliche Wertschätzungen für die Mitarbeiter fehlen, in Corona-Zeiten wurde geklatscht, aber jetzt lässt man die Mitarbeiter fallen … In einem bestimmten politischen Umfeld herum sei über die nun bekanntgegebenen Pläne schon vor Wochen gesprochen worden.
Synergien wohl nicht genutzt
„Man muss sich vor Augen halten, dass die finanzielle Situation des Verbundkrankenhauses Altenkirchen-Hachenburg in den vergangenen Jahren auch nicht gut aussah“, betonte Stadtbürgermeister Ralf Lindenpütz. Das hänge wohl damit zusammen, dass man zwei Häuser gemeinsam führe, ohne die sich ergebenden Synergien zu nutzen. Wenn ein Zusammenschluss von zwei Zentren erfolge, gelte es Stärken zu stärken und die Schwächen auszumerzen. „Hier ist es genau andersherum gelaufen“, fuhr Lindenpütz fort. Weiterhin könne man Querschnittskosten reduzieren, auch das sei nicht passiert, beide Häuser hätten gleich hohe Defizite. Mit Blick auf das Sanierungskonzept werde genau dieser bisherige Weg fortgesetzt. Auch künftig könnten keine Einnahmen generiert werden, die die Infrastruktur biete, „bevor wir Strukturen zerschlagen, muss man einen mittel- und langfristigen Plan haben, den ich so nicht erkennen kann“. Für Altenkirchen bedeute das Konzept zudem, dass die hausärztliche und fachärztliche Versorgung leiden werde, weil kein Krankenhaus mehr in der Nähe sei. In der Stadt sei eine breite Ablehnung des Konzeptes vorherrschend. Das DRK habe in der Eigeninsolvenz die Möglichkeit, den Sanierer selbst zu wählen, das sei genau hier geschehen. „Es wurde ein DRK-freundliches Unternehmen gewählt mit entsprechender Kompetenz, das natürlich die Ergebnisse liefert, die man sehen möchte“, meinte Lindenpütz und appellierte „an den Gesundheitsminister in Mainz, dass er dies nicht tragfähige Konzept ablehnt“. Er habe bereits einen Brief an Hoch geschrieben und sei auf dessen Reaktion gespannt.
Politischer Arm nimmt seit Jahren starken Einfluss
„Altenkirchen und Hachenburg sind beides wichtige Standorte für die Versorgung von Patienten in der Region“, erläuterte Paul-Josef Schmitt als erster Beigeordneter der Stadt Altenkirchen in einer Bewertung der beiden Locationen, „wir erwarten allerdings eine faire Betrachtung“, es solle mit gleichem Maßstab gemessen werden, wenn es darum gehe, Leistungen gegenüberzustellen. Schmitt stellte das Plus für Altenkirchen, die vier OP-Säle und das sanierte Bettenhaus, dem Sanierungsstau in Hachenburg gegenüber, „der wohl irgendwann behoben werden soll“. Diese Fakten seien in dem Sanierungskonzept zu wenig bzw. überhaupt nicht berücksichtigt worden. Die Gutachter hätten es nicht für nötig befunden, sich die Örtlichkeiten überhaupt einmal anzuschauen, wie der aktuelle Zustand sei. Das Konzept sei aus sehr kurzsichtiger Sichtweise erstellt worden. Schmitt zitierte aus einem Leserbrief eines Klinik-Mitarbeiters: „Für meine Kollegen und mich sind diese Entscheidungen seit Jahren von dem Direktorium mit Zustimmung der Geschäftsführung durch Verlagerung von hochwertigen Strukturen von Altenkirchen nach Hachenburg vorbereitet worden: Labor, Endoprothetikzentrum der Orthopädie, Kardiologie, Verwaltung und Personalabteilung, Qualitätscontrolling, Gesundheitspflegeausbildung mit Fortbildungszentrum, Essensversorgung wurden verlagert. Dazu kamen grobe Abrechnungsfehler, Beschäftigung und Duldung von unfähigen und gefährlichen Chef- und Oberärzten. Der OP-Saal in Altenkirchen wurde gesperrt, um in Hachenburg die Abläufe zu stützen.“ Es sei politisch gewollt, Altenkirchen zugunsten von Hachenburg zu reduzieren. Der politische Arm, der bis Mainz reiche, nehme schon seit Jahren starken Einfluss auf beide Häuser.
Hat sie sich bewusst weggeduckt?
„Wir werden weiter mit aller Macht darum kämpfen, dass die medizinische Versorgung hier erhalten bleibt“, untermauerte MdL Dr. Matthias Reuber den Grundgedanken des Treffens, „wir haben den Eindruck, dass viele Argumente im vorgeschlagenen Sanierungskonzept nicht oder nur unzureichend berücksichtigt wurden. Ich erwarte nun ganz klar, dass das Land Stellung bezieht, das Minister Clemens Hoch ganz klar kommuniziert, wie er sich eine Krankenhausplanung hier oben im nördlichen Rheinland-Pfalz kurz-, mittel- und langfristig vorstellt.“ Hoch solle darlegen, wie das Sanierungskonzept zu den Plänen des Landes passe. Er habe Zweifel, ob das Konzept mittelfristig überhaupt tragbar sei. Ein Kernfehler sei die rein kurzfristige Betrachtung von Interessen. „Ich würde auch gerne die Vorgängerin von Hoch, Sabine Bätzing-Lichtenthäler in die Pflicht nehmen. Ich habe von ihr in den letzten Monaten zur Situation der Krankenhäuser im Kreis Altenkirchen sehr, sehr wenig gehört“, richtete Reuber eine Bitte in Richtung seiner Kollegin. Man habe das Gefühl gewinnen können, dass „sie sich bewusst wegduckt“. Reuber ergänzte in seiner Funktion als CDU-Kreisvorsitzender: „Für uns als CDU im Kreis Altenkirchen steht fest, dass wir die stationäre, wohnortnahe Versorgung der Menschen im Norden von Rheinland-Pfalz, besonders natürlich im Kreis Altenkirchen, sicherstellen müssen. Es handelt sich um ein sehr komplexes Thema, denn es gibt nicht die eine Lösung. Auch der Bund muss seine Hausaufgaben machen.“ (vh)
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