Klinikreform/Interview Teil 3: Altenkirchener Oberärztin und Betriebsrätin hofft auf Minister
Sie setzt große Hoffnung auf Landesgesundheitsminister Clemens Hoch (SPD), der die geplanten einschneidenden Maßnahmen, denen sich das DRK-Krankenhaus Altenkirchen gegenübersieht, als Chef der Krankenhausplanungsinstanz noch stoppen könnte. Dr. Isabella Jung-Schwandt, Oberärztin der Anästhesie und Betriebsrätin in der Klinik am Leuzbacher Weg, bringt im dritten und letzten Teil ihres mit dem AK-Kurier geführten Exklusiv-Interviews die höhere Politik ins Spiel.
Altenkirchen. Auf alle Fälle ein „Spielball der Politik“, die womögliche Abkehr vom Standort Müschenbach als Heimat eines neuen Krankenhauses, gebildet aus den DRK-Kliniken Altenkirchen und Hachenburg, und hin und wieder – trotz oftmaliger Frustration – ein „Silberstreif am Horizont“ – sprich ein wenig Hoffnung auf ein doch noch akzeptables Ende: Dr. Isabella Jung-Schwandt, Anästhesie-Oberärztin und Mitglied des Betriebsrates im DRK-Klinikum Altenkirchen, setzt im dritten und letzten Teil ihres Exklusiv-Interviews mit dem AK-Kurier auf die Mainzer Politik, im speziellen auf Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD), weil das Land die Planungshoheit in Sachen Hospitäler hat. Hintergrund: Mit der Klinikreform sollen neben den ebenfalls insolventen Häusern in Neuwied und Alzey die drei Hospitäler Altenkirchen, Hachenburg und Kirchen wieder profitabel gemacht werden. Die Überlegungen der Beraterfirma WMC stießen jedenfalls auf massive Proteste in der Bevölkerung und der örtlichen Politik. Die DRK-Trägergesellschaft Süd-West (Mainz) hatte die Pläne für ihre untergeordnete zahlungsunfähige DRK Gemeinnützige Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz mbH (Träger der fünf Hospitäler) ausarbeiten lassen. Jung-Schwandt, seit 15 Jahren in Altenkirchen tätig, ist Oberärztin für Anästhesie, Fachärztin für Anästhesiologie, spezielle Intensivmedizin, spezielle Schmerztherapie, Notfallmedizin, Palliativmedizin, Ernährungsmedizin und gibt Ethikberatung im Gesundheitswesen AEM. Zudem ist sie ordentliches Betriebsratsmitglied seit dieser Legislaturperiode. Der dritte und letzte Teil des Gespräches im Wortlaut:
Wo steht der Geschäftsführer des Verbundkrankenhauses, Jürgen Ecker?
Herr Ecker hat sich immer hinter die Geschäftsführung in Mainz geduckt. Er sagt, er habe die Dinge nach Mainz weitergegeben, auch die, die schlecht gelaufen sind, und auch die Sorgen. Er hat uns auch zu einem sehr frühen Zeitpunkt gesagt, dass er nicht derjenige sein möchte, der den Schlüssel rumdreht. Im Nachhinein stößt mir das leider in eine andere Richtung auf. Die Kommunikation der Geschäftsführung mit ihren Führungskräften ist schlecht. Der jetzige Geschäftsführer in Mainz, Herr Schmidt, hat schon andere Kliniken durch Insolvenzen gebracht. Es ist bereits der fünfte Wechsel in der Führungsspitze seit ich hier beschäftigt bin. Kennt Herr Schmidt seine Führungskräfte hier am Haus?
Sie setzen also auf den Landesgesundheitsminister Clemens Hoch, um das geplante Konstrukt zu Fall zu bringen ...
Darauf hoffe ich und auch auf den Druck der Bevölkerung. Die Strategie des Betriebsrates ist ganz klar die Information der Bevölkerung, was hier wegbricht. Es sind auch die gefährdeten Arbeitsplätze, die mir besonders wehtun. Um meinen Job mache ich mir nicht besonders viele Sorgen. Ich habe keine Angst, arbeitslos zu werden. Obwohl auch für mich das Aus nicht nur erheblich längere Fahrwege und Veränderungen bedeutet. Mitarbeitende, die Ende 50, Anfang 60 sind und eigentlich schon kaputt gearbeitet in diesem Job sind, müssen sehr wohl Angst haben, dass sie die letzten Jahre, nachdem sie das ganze Leben für diese Klinik gearbeitet haben, auf der Straße stehen oder in Kauf nehmen, irgendwo in einem anderen Job zu arbeiten. Es haben nach und während Corona schon einige die Pflege verlassen, weil das eine wahnsinnshohe Belastung war. Das hat den Fachkräftemangel noch verschärft. Wenn im November nichts Entscheidendes passiert, das das Signal gibt, diesen Ausverkauf unserer Klinik zu bremsen, sind nicht im März die Lichter aus, sondern viel früher. Die Leute sind dann nicht mehr in der Lage, zur Arbeit zu kommen. Diese enorme Ungewissheit, Zukunftsangst, psychisch gesehen, das macht krank. Allerdings fängt leider der Ausverkauf schon an. Stationen sollen bereits geschlossen werden und die Terminbücher ebenfalls.
Welche Vermutung haben Sie, wie die Sache ausgehen wird? Sehen Sie hin und wieder auch einen Silberstreif am Horizont?
Den Silberstreif am Horizont sehe ich – mal bisschen weiter weg, mal bisschen näher dran. Aufgeben ist in meiner Verantwortung als Betriebsratsmitglied für die Mitarbeiter schon keine Option. Für mich ist klar, dass aufgeklärt werden muss, dass völlige Konzeptlosigkeit herrscht, dass hier etwas durchgedrückt werden soll, was auf dem grünen Papier steht. Das gibt mir die Hoffnung, dass sich nun Leute einschalten, die mit Verstand da dran gehen und mit ehrlichen Zahlen, mit ehrlichen Gegebenheiten. Manchmal bin ich trotzdem völlig frustriert. Im Internet kursieren unwahre Dinge, die zu weiterer Verunsicherung führen. Ich glaube, das Vertrauen in die Geschäftsführung ist nachhaltig gestört. Da müsste ganz viel Vertrauen wieder aufgebaut werden. Ich möchte Herrn Gonzáles in die Verantwortung nehmen und zu seinem Wort zu stehen, fair mit Mitarbeitern umzugehen. Das muss er jetzt erst zeigen. Das Rote Kreuz, das hat er bei der Betriebsversammlung gesagt, sei dafür bekannt, fair mit den Mitarbeitern umzugehen. In einer Betriebsversammlung zu sagen, sie werden alle hier nicht mehr arbeiten, aber wir wissen nicht wie viele es von Ihnen betrifft und wann, ist nicht fair.
Ist das Krankenhaus Ihrer Meinung nach Spielball der Politik?
Ja, auf alle Fälle. Es ist politisch. Ich erkenne kein Konzept, das die Hausstrukturen und Gegebenheiten bei allen Schwierigkeiten in irgendeiner Form berücksichtigt hat. Ich hätte mir viel früher gewünscht, dass in schwierigen Zeiten die Betriebsräte nicht mit Kennzahlen gefüttert werden, wenn sie Zahlen verlangen. Sondern, dass wirklich konkrete Zahlen vorgelegt werden, was etwas kostet. Es hätte uns jemand zur Seite gestellt werden müssen, der uns erklärt, wie wir unsere Lage verbessern und was wir tun können für unseren Standort. Es stimmt mich sehr traurig und nachdenklich, dass es anscheinend politische Verbindungen gibt, die Altenkirchen zu Gunsten anderer Krankenhäuser sterben lassen wollen.
Sind sie pro Müschenbach?
Herr González hat sich dahingehend geäußert, dass Müschenbach als Idee besteht, aber der Standort nicht. Insofern ist das Thema eigentlich durch. Ich war am Anfang nicht dafür, dass man einen Zusammenschluss macht. Mir war das zu kurz gegriffen, weil ich gesagt habe, dass ein neues Krankenhaus mit einer Geburtshilfe ohne Pädiatrie keinen Sinn macht. Es war auch ein bisschen grün geplant mit der Bettenzahl und der Kapazität. Ich habe Pläne gesehen. So hätte man nicht zukunftsfähig gebaut. Wenn man sich Nachbarländer anschaut, wo die Besiedelung dünner ist als hier auf dem Land, dann macht ein großer Zusammenschluss – Altenkirchen, Kirchen, Hachenburg und ggf. Asbach – Sinn. Dann würde irgendwann eine große Sache daraus, die auch in 30 Jahren noch Zukunft hat. Man weiß natürlich in der schnelllebigen Zeit der Entscheidungen bei der Gesundheit nicht, was in 30 Jahren noch „in“ ist, weil Pflege immer teurer wird. Man muss auch berücksichtigen, dass die Bevölkerung immer älter wird. Wenn Altenkirchen nicht überlebt, kann es auch keinen Zusammenschluss wo auch immer mehr geben. Ich bin absolut dafür, bis dahin Doppelstrukturen aufzubrechen und Synergien zu nutzen. Schon lange haben wir den Vorschlag gemacht, hier in Altenkirchen bis zum Neubau das operative Zentrum zu bündeln, allein schon auf Grund unserer 4 OP-Säle. In Hachenburg wäre dann das internistische Zentrum, mit jetzt schon etabliertem Linksherzkatheter. Kleine Dependancen der jeweiligen Abteilung am anderen Standort mit gemeinsamen Visiten in Rotation und gegenseitigem Austausch und in echter Zusammenarbeit wären ein exzellenter Gewinn für alle Patienten.
Wie sehen weitere Maßnahmen aus, um das Thema in der Öffentlichkeit am Köcheln zu halten?
Wir machen in großen Firmen und Geschäften und bei der Bevölkerung im Kreis Aufklärungsarbeit. Jeder soll informiert sein, was der Plan ist, und welche Strukturen wegfallen. Wir haben die Firmen und die Bevölkerung gebeten, dass sie sich öffentlich äußern, um ihr Krankenhaus zu behalten. Wir gehen in die Sportvereine und machen klar, dass jeder Sportunfall von nun an nicht mehr hier behandelt werden darf. Denn wir behandeln hier auch viele Arbeitsunfälle. Den meisten sind die weitreichenden Folgen dieser Pläne überhaupt nicht klar. Ich habe den Eindruck, dass die breite Mehrheit der Bevölkerung zu Recht den Wegfall des Krankenhauses als Skandal empfindet. Wir sind gefragt worden, ob wir die Demonstration wiederholen. Ich bin nicht so der Wiederholungsfreund, das ist aber meine ganz persönliche Meinung. Meine Strategie lautet eher an allen möglichen Hebeln anzusetzen. Der Betriebsrat steht unermüdlich, für die demokratischen Parteien, die Presse, die Öffentlichkeit und nicht zuletzt allen Mitarbeitenden zur Verfügung, teilweise bis zur Erschöpfung. Was jetzt gefragt ist, ist Öffentlichkeitsarbeit. Der Öffentlichkeit ist klarzumachen, hier ist Gefahr im Verzug, hier ist ihre Versorgung nicht gesichert. Wir möchten auch unbedingt die Daten von WMC bekommen. Wir möchten wissen, wie die Daten zustande gekommen sind, welche Alternativen geprüft worden sind, welche Vorgaben gemacht worden sind. Wir verlangen absolute Transparenz. Wir möchten gerne alles prüfen lassen, notfalls auch mit juristischen Mitteln. Das sind wir unseren Mitarbeitern schuldig. Altenkirchen kann es sich als Kreis nicht leisten, ein solches Krankenhaus zu verlieren. Wir versuchen daher auch, den Druck aufs Ministerium zu erhöhen. Ich bin ebenso offen dafür, wenn uns ein anderer Träger übernimmt. Der Kreis kann, wenn der Versorgungsauftrag nicht mehr gegeben ist, das Krankenhaus auf Grund des sogenannten Heimfallrechts zurücknehmen. Zivilrechtlich muss der Kreis sich kümmern, sollte der Gesundheitsminister feststellen, dass die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet ist. Wenn der Kreistag dann ein Angebot in der Tasche hat, dass Sinn macht und ein Konzept dazu, kann der Kreis uns zum Beispiel zurückholen und sofort wieder verkaufen. Alles, was den Mitarbeitenden hilft und die Versorgung der Bevölkerung sichert, muss jetzt auf den Tisch, auch die konkrete Frage: Was darf Gesundheit kosten? (vh)
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