Altenkirchener August-Sander-Schule: Ex-DDR-Grenzer blickt auf 9. November 1989 zurück
Das war ein interessanter Gast, der die Altenkirchener August-Sander-Schule besuchte: Sven Ziegler berichtete am 9. November in den Abschlussklassen über den Mauerfall am 9. November 1989. Er war in der ehemaligen DDR als Grenzsoldat eingesetzt.
Altenkirchen. „Gibt es etwas, was Sie aus ihrer Zeit als Grenzer vermissen? Haben Sie auf Menschen geschossen, die aus der DDR flüchten wollten? Warum sind Sie Grenzschützer geworden?" Unter anderem mit diesen Fragen wurde Zeitzeuge Sven Ziegler konfrontiert, der am 9. November sich den wissbegierigen Schülern der Abschlussklassen der August-Sander-Schule (Realschule plus mit Fachoberschule) stellte. Der ehemalige Grenzsoldat der Ex-DDR lebt heute in der Eifel. Er schaute in viele fragende und interessierte Gesichter, als er über die Geschehnisse vor 34 Jahren im ehemals anderen Teil Deutschlands sprach. Als an jenem 9.November 1989 in Berlin die Mauer fiel und damit die Wiedervereinigung
Deutschlands begann, da waren die Schüler, die Zieglers Ausführungen interessiert folgten, noch gar nicht geboren. Ziegler, damals 23 Jahre alt, tat an diesem geschichtsträchtigen Abend als Grenzsoldat seinen Dienst auf der Glienicker Brücke (über die Havel zwischen Berlin und Potsdam, auch als „Agentenbrücke" bekannt). Noch 17 Jahre alt, wurde Ziegler Grenzschützer, mit 18 Jahren leistete er den Fahneneid und versah seinen Dienst an der „grünen Grenze".
Menschen schießen auf Menschen
Die Grenze zwischen der DDR und der BRD war an die 1400 Kilometer lang, mit 167
Kilometern war die Mauer durch Berlin eher ein Teilstück. Ziegler, der sich damals für 25 Jahre als Grenzsoldat verpflichtet hatte, spricht heute davon, dies „aus den falschen Idealen" heraus getan zu haben. Für ihn war diese Grenze die sicherste und unüberwindbarste, die es je gegeben hat. Sie war auf einem breiten Streifen darauf angelegt, jeden „Grenzverletzer" zu stoppen: „Jeder von uns kannte den Schießbefehl und führte ihn auch aus.“ Paragraf 27 regelte die Anwendung von Schusswaffen für die Grenzsoldaten. „An dieser Grenze haben Menschen auf Menschen geschossen, nur weil sie eine Grenze überwinden wollten", betont Ziegler, „dieses Kapitel meiner Geschichte hat mich geprägt, aber ich bin nicht stolz darauf.“ Und unterstreicht: „Die DDR war ein Unrechtsregime!" Als 1989 immer mehr DDR-Bürger demonstrieren, kommt es in Leipzig zum bis dahin größten Protest, und Ziegler bekommt mit, wie 20 000 Bewaffnete, darunter auch Grenztruppen, ebenfalls dort zusammengezogen werden. „Der Staat wollte dort die Demonstrationen beenden, ein für allemal", meint Ziegler. Doch die bewaffneten „Truppen" schießen nicht, sie halten sich zurück.
Um 23.55 Uhr die Waffe gesichert
Dann, am 9. November in Berlin, am Tag zuvor war bereits das gesamte SED-Büro
zurückgetreten, verkündet das Politbüromitglied Günter Schabowski „kopflos und mit einem Schmierzettel" in einer Pressekonferenz, dass ab sofort die Ausreise ins westliche Ausland ohne das Vorliegen besonderer Gründe möglich ist. Für Ziegler beginnen aufreibende, angespannte Stunden: „Denn Schabowski informiert zu keinem Zeitpunkt die Grenzer." Der Kommandant der Grenzschützer ist es, der den Schießbefehl zurücknimmt, und an der Grenze wird die Zeit knapp. Tausende DDR-Bürger versammeln sich an der Grenze und wollen die angekündigte Reisefreiheit „testen". Sven Ziegler sichert seine Waffe um 23.55 Uhr. „An diesem Abend hat Deutschland ganz viel Glück gehabt. Es ist kein Schuss gefallen“, atmet er noch immer auf. Mit seiner Ehrlichkeit, auch sich selbst gegenüber, und seinem Wissen aus erster Hand über die DDR-Grenze ist Sven Ziegler ein Zeitzeuge, der die Schüler mitnahm auf eine Reise in die Tage, als das Ende für die DDR eingeläutet wurde. Seine Botschaft zum Abschluss einer aktuellen und aufwühlenden Geschichtsstunde: „Wo die Stillen aufstehen, wo viele aufstehen, da bricht das Unrecht zusammen!"
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