Klinikreform: Gesundheitsminister Hoch kommt wohl zu Gespräch nach Altenkirchen
Den Norden von Rheinland-Pfalz kennt er ansatzweise, da er in Andernach geboren worden ist. Ende Januar führt ihn eine Dienstreise sogar ein wenig weiter nördlicher. Clemens Hoch, rheinland-pfälzischer Minister für Wissenschaft und Gesundheit, kommt wohl zu einem Gespräch nach Altenkirchen, in dem der künftige Zuschnitt des DRK-Krankenhauses Altenkirchen Thema sein wird.
Altenkirchen. Geplant und verschoben, geplant und stattfindend? Schon vor Weihnachten des Jahres 2023 wollten Vertreter der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld und der Stadt Altenkirchen mit dem rheinland-pfälzischen Minister für Wissenschaft und Gesundheit, Clemens Hoch, in dessen Dienstsitz in Mainz über die wenig rosig daherkommende Zukunft des DRK-Krankenhauses Altenkirchen als Folge der Abspeckpläne des Trägers, der insolventen DRK Gemeinnützige Krankenhausgesellschaft mbH Rheinland-Pfalz unter dem Dach der DRK-Trägergesellschaft Süd-West, sprechen. Doch Hoch musste aufgrund einer Erkrankung absagen. Nunmehr macht er sich wohl am Montag, 29. Januar, auf den Weg nach Altenkirchen, um von 14 Uhr an in der Kreisverwaltung mit Vertretern des Kreises, der Verbandsgemeinde, der Stadt und der Klinik zu eruieren, wie das in der Kreisstadt geplante „Level-1i*-Hospital (mit Sternchen) oder besser gesagt, das medizinisches Versorgungszentrum, ausgestattet werden und welche Leistungen es anbieten könnte. Ein Krankenhaus (wenn es denn überhaupt noch eines ist?) eines solchen Formates ist selbst in der geplanten Krankenhausreform auf Bundesebene eine große Unbekannte, weil die Vorstellungen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach auf der untersten Stufe der angedachten Hierarchie von Level 3 an abwärts lediglich zwischen „1n“ und „1i“ unterscheiden. Zugeschaltet werden soll wohl auch Manuel Gonzalés als DRK-Landesvorstand und Aufsichtsratsvorsitzender der DRK-Trägergesellschaft Süd-West.
Bei Gütetermin auf Vergleich eingelassen
Unterdessen hatte der Altenkirchener Betriebsrat versucht, die Zuständigkeit für Interessensausgleich und Sozialplan gerichtlich klären zu lassen. Die Anwaltskanzlei des DRK, BRL (Boege, Rohde, Luebbehuesen mit Kanzleien unter anderem in Berlin, Hamburg und München), habe, so merkte Dr. Isabella Jung-Schwandt als stellvertretende Vorsitzende des Altenkirchener Betriebsrates an, für die Arbeitgeber die Betroffenheit aller Standorte der insolventen Häuser und somit die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates vor Gericht geltend machen können. Man habe sich im Gütetermin auf einen Vergleich eingelassen, da der Richter im Zusammenhang mit der Insolvenz „wenig Chancen zu unseren Gunsten durchblicken ließ. Der Vergleich sah vor, dass an der Beratung im Gesamtbetriebsrat ein drittes Mitglied aus dem Betriebsrat Altenkirchen teilnimmt“. Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates, Eberhard Bruch, habe daraufhin für alle Betriebsräte der beteiligten Kliniken jeweils ein drittes Mitglied eingeladen. Das sei gerichtlich nicht so vereinbart gewesen. „Es erscheint aber in unserem Gremium nicht zielführend, dieses Verhalten weiter in irgendeiner Form zu kommentieren“, sagte Jung-Schwandt, „weitere Verhandlungstermine in Zusammenarbeit mit BRL, Eberhard Bruch und Andrei Badiu, Vorsitzender des Betriebsrates der Klinik in Altenkirchen als auch Bruchs Stellvertreter, wurden von BRL abgelehnt. Man verhandele nur mit einer Person, nämlich mit Herrn Bruch. Ein weiterer Rechtsbeistand für den Betriebsrat Altenkirchen findet nicht statt.“
Offenbar nicht unbedingt eine Transfergesellschaft
Nach Jung-Schwandts Kenntnissen sollen die Gespräche über Sozialplan und Interessensausgleich noch in dieser Woche abgeschlossen werden. In wie weit überhaupt eine Transfergesellschaft benötigt werde, „bleibt für mich unklar. Die meisten Mitarbeiter sollen wohl versetzt werden. Es gibt immer noch parallele Verhandlungen. Im ersten vorgelegten Entwurf mit ausgefüllten Vollzeitäquivalenten von ,Ist’ und ,Bedarf’ der Mitarbeiter zeigte sich eine 1:1-Umsetzung des WMC-Konzeptes. Eingebrachte Ideen oder Erweiterungen konnte ich nicht erkennen. Für mich bleibt die Frage, ob dieses Konzept, was meines Erachtens völlig illusorisch ist, nicht über eine relativ kurze Zeit ein Gesamtscheitern beinhaltet“. Kündigungen seien bisher keine ausgesprochen: „In Anbetracht der Tatsache, dass die Mitarbeiter und auch ich immer noch nicht wissen, wie es weitergeht, suchen nach meinen Auskünften sehr viele nach Alternativen außerhalb des DRK. Die Türen der umliegenden Kliniken sind weit offen.“ In wie weit es noch Leuchtturm-Projekte oder Sonderregelungen für Altenkirchen geben solle, „ist mir nicht bekannt. Die Versetzungspläne lassen dies nicht erkennen“, urteilte Jung-Schwandt.
Prognose für Altenkirchen „sehr ernüchternd“
Insgesamt sei die Prognose für Altenkirchen sehr ernüchternd. Jung-Schwandt führte aus: „Es macht mich extrem traurig, dass die mit viel Herzblut und Engagement aufgebaute Schockraumversorgung als überflüssig angesehen wird. Ein ärztlicher Bereitschaftsdienst ersetzt dies nicht. Die Viszeralchirurgie ist nun doch nicht für Hachenburg geplant, das heißt, auch hier ist nicht, auch nicht nach Umbaumaßnahmen, eine Etablierung einer solchen möglich. Ich möchte dies eigentlich gar nicht weiter kommentieren. Letztlich muss die Bevölkerung wissen, was ihnen genommen wird und die Politik dafür in Verantwortung nehmen.“ Selbstverständlich sei sie der Meinung, dass immer mehr Operationen ambulant durchgeführt werden könnten. Ein stationäres Backup und eine Überwachungsmöglichkeit am Haus bei Komplikationen, die auch bei ambulanten Operationen vorkommen könnten, „erscheint mir nach wie vor als sinnvoll. Es wäre ein Leichtes, in Altenkirchen das operative Zentrum ambulant und stationär bis zur Einhauslösung eines großen Westerwaldklinikums zu etablieren und hierbei ambulante Strukturen zu fördern und auszubauen. Dies auch schon jetzt, ohne die Beinhaltung von Doppelstrukturen und mit Aufbau von weiteren medizinischen Versorgungszentren sowie Telemedizin, Notfallmedizin und und und“. Eine kompetente postoperative Versorgung bis zur schnellstmöglichen Entlassung bewältige man am besten mit Fachpflegekräften, die Patienten früh mobilisieren und kompetent auf zu Hause vorbereiteten. Ohne diese könnten nur „kleine“ Operationen durchgeführt werden, wie sie auch jetzt schon in Praxen stattfänden.
„Völlig falsches Signal“
„Einen Ausbau immer weiterer ambulanter Strukturen sehe ich so nicht.
Auch die drastische Reduktion von Fachanästhesiepflegekräften an unserem Standort erachte ich als das völlig falsche Signal. Um kompetent, hocheffizient und sicher zu arbeiten, braucht es gut eingearbeitetes Fachpersonal und sich gut kennende Teams. Das wissen zum Beispiel auch frei arbeitende Fachfirmen, die den angestellten Anästhesisten fest zugeteilte Fachpflegekräfte zur Seite stellen. Leider ist die ärztliche und pflegerische Kompetenz der Mitarbeiter vor Ort, die die Gegebenheiten und die Strukturen gut kennen, nicht gefragt“, bilanzierte Jung-Schwandt, „so bleiben bei mir mehr Fragezeichen als Antworten. Man benennt Zielstrukturen und beachtet nicht, dass man das Personal erst einmal auch haben muss. Auch verwundern mich einzelne Angaben zu Zielstrukturen, wahrscheinlich sind mir einige geplante Veränderungen und Ausbauten an Schwesterkliniken nicht bekannt. Meine ganz große Befürchtung ist, dass sich in relativ sehr kurzer Zeit zeigt, dass das Konzept leider nicht aufgeht, und dass deshalb auch aufgrund des jetzt noch gravierenderen Personalmangels komplett geschlossen werden muss.“ Es gebe hartnäckige Gerüchte, dass es nach wie vor ein Kaufinteresse eines anderen Trägers für die Häuser gebe. Ob dadurch neu gemischt werden und ob dies noch rechtzeitig Fehlentwicklung und Abwanderung von Fachkräften aufhalten könne? Jung-Schwandt gab sich selbst die Antwort: „Es wird eng für Altenkirchen.“
Neue Idee für Notfallversorgung
Unterdessen jagt auf Bundesebene in Sachen Gesundheitsversorgung eine Idee die nächste. Patienten mit akuten Beschwerden sollen, so wurde am Dienstag (16. Januar) bekannt, künftig seltener in der Notaufnahme eines Krankenhauses behandelt werden. Stattdessen sollen Hilfesuchende bereits via Telefon oder vom Krankenhaus verstärkt in eine nahe Praxis geschickt werden. Das ist das Ziel einer großangelegten Notfallreform, für die Lauterbach Eckpunkte vorlegte. Er erläuterte, 25 bis 30 Prozent der Fälle aus Notfallambulanzen könnten auch in Arztpraxen behandelt werden. Darüber hinaus kommt die geplante große Krankenhausreform derzeit nicht weiter voran. Der Bundesrat blockiert das Krankenhaustransparenzgesetz (Verabschiedung im Bundestag im Oktober) als flankierendes Instrument zur Krankenhausreform und verwies es in den Vermittlungsausschuss. Das Gesetz ist Basis für die geplante Veröffentlichung von Struktur- und Leistungsdaten der Krankenhäuser in Deutschland. Patienten sollen erkennen können, welches Krankenhaus in ihrer Nähe welche Leistungen anbietet, und wie diese Klinik im Hinblick auf Qualität sowie ärztliche und pflegerische Personalausstattung abschneidet. (vh)
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